"Das darf doch nicht wahr sein!", war meine erste Reaktion, als ich die Überschrift las. Das BIBB hat untersucht, wie gut oder eben weniger gut Jugendliche mit und ohne Migrationshintergrund in Ausbildung einmünden. Erste Erkenntnis: Die Chancen der jungen Migrantinnen und Migranten haben sich wieder verschlechtert. Dabei wurden die Daten 2015 erhoben, vor der Flüchtlingswelle. Nur 29 Prozent von ihnen mündeten in einer dualen Ausbildung, genauso wenige wie 2004. 2010 und 2012 waren es noch 35 Prozent.

Wie kann das sein, wo doch Unternehmen laut rufen, sie könnten ihre Ausbildungsstellen nicht besetzen? Suche nach Gründen:

  • Schulabschlüsse: Bei der (Fach-)Hochschulreife haben die Jugendlichen mit Migrationshintergrund fast gleichgezogen. 40 Prozent haben einen mittleren Abschluss (52% bei denen ohne Migrationshintergrund) und 38 gegenüber 25 Prozent haben maximal Hauptschulabschluss. Hier waren die Abstände auch schon mal kleiner. Aber: Wie das BIBB herausfand, ist der Schulabschluss gar nicht allein ausschlaggebend. Im Gegenteil: Jugendliche ohne Migrationshintergrund mit maximal Hauptschulabschluss haben besser Chancen als ihre zugewanderten Altersgenossen mit (Fach-)Hochschulreife!

Und: Auch bei ansonsten gleichen Voraussetzungen münden Jugendliche mit Migrationshintergrund seltener in Ausbildung als solche ohne Migrationshintergrund.

  • Sprache: Zwei Drittel der hier untersuchten Jugendlichen haben als Kinder deutsch gelernt, wenn auch nicht als einzige Sprache. Die Deutschnote gibt nicht den Ausschlag, so das BIBB.
  • Bewerbungen: Wie auch die Jugendlichen ohne Migrationshintergrund bemühen sie sich um Ausbildungsstellen. Sie haben mehr Praktika absolviert als die ohne Migrationshintergrund und sehen sich seltener durch gesundheitliche Einschränkungen gehandicapt. Sie haben öfter berufsvorbereitenden Maßnahmen durchlaufen als Gleichaltrige ohne Migrationshintergrund. Sie müssten also eher "ausbildungsreif" sein. Obwohl sie mehr Bewerbungen verschicken, werden sie deutlich seltener zu Bewerbungsgesprächen eingeladen (49 gegenüber 64 Prozent).

Woran liegt das? Sind ausländisch klingende Namen oder die "falsche" Adresse Ausschlusskriterien? Zehn Prozent fühlten sich diskriminiert von den Betrieben. Zehn Prozent zu viel!

Sind die Betriebe nicht "bewerberreif"? Fast scheint es so: In der Studie gaben erschreckende 37 Prozent aller Jugendlichen an, keine Antwort des Betriebs auf ihre Bewerbung erhalten zu haben.
Wie viel Glauben kann man dann noch den Klagen der Betriebe schenken, wenn sie es nicht mal für nötig halten, eine Bewerbung zu bearbeiten?

Zu hohe Anforderungen

Die Jugendlichen klagten unisono darüber, dass die Einstellungsvoraussetzungen der Betriebe zu hoch seien. Ich kann diese Klage nachvollziehen. Wie oft liest man in Stellenanzeigen, dass bestimmte Noten in bestimmten Fächern verlangt werden. Wer diese Note nicht hat, wird sich nicht bewerben. Wir raten in unseren Unternehmenswerkstätten den Betrieben, sich genau anzusehen, was ausbildungsbezogen gebraucht wird. Eine Ausbildungsstelle für Mechatroniker und gefordert werden "umfassende IT-Kenntnisse". Hat da die Personalabteilung einen Textbaustein aus der Anzeige für den IT-Fachmann übernommen und niemand hat's gemerkt? Oder war das ernst gemeint?

Wir sind zu Recht stolz darauf, eine geringe Jugendarbeitslosigkeit zu haben. Wir geben sehr viel Geld für Förderprogramme aus, damit keiner auf der Strecke bleibt. Und trotzdem, so das erschreckende Fazit des BIBB: Ein Drittel der Jugendlichen mit Migrationshintergrund bleibt außerhalb des Bildungssystems.  Das darf nicht wahr sein!