Während viele Bäckereien ums Überleben kämpfen, wächst die Biobäckerei BioKaiser weiter – mit zufriedenen Mitarbeitenden, fairen Löhnen und einem „Notgroschen“-Fonds für unschuldig in finanzielle Not geratene Mitarbeitende. Gründer Volker Schmidt-Sköries erklärt im Interview, warum Menschlichkeit, Gemeinwohl und echtes Teilen nicht nur das Team stärken, sondern auch wirtschaftlich erfolgreich machen – ganz ohne Discounter-Preise.
Haben Sie denn Probleme, Personal zu finden?
Natürlich ist es auch für uns aufwendiger Personal zu finden als früher. Wir haben heute 350 Mitarbeitende und 45 Führungskräfte, ca. 15 Bäckermeister und 30–40 Auszubildende. 60 Prozent der Mitarbeitenden sind unter 40. Viele die von anderen Unternehmen zu uns kommen sagen dann: „Schade, dass ich nicht schon früher hierhergekommen bin.“ Natürlich haben wir auch Mitarbeitende, die wechseln, aber wir finden immer wieder neue und engagierte. Tatsächlich plane ich derzeit die Eröffnung weiterer Filialen.
Welche Vorteile haben Ihre Mitarbeitenden bei Ihnen?
Natürlich spielt die Bezahlung eine wichtige Rolle, aber ebenso der wertschätzende Umgang miteinander. Unser firmeneigener Mindestlohn liegt derzeit bei 14,32 Euro, während der gesetzliche bei 12,82 Euro liegt. Die anderen Lohngruppen sind entsprechend angepasst. Genauso wichtig wie das Gehalt ist aber der wertschätzende Umgang und wie sich das im Unternehmen ausdrückt. Wir begreifen biokaiser als Schule und Lebensschule. Für jeden einzelnen Mitarbeiter bieten wir Möglichkeiten zur Weiterbildung an, sowohl fachlich, als auch auf sozialer Ebene. Wir beschäftigen sieben verschiedene Coaches, mit deren Hilfe persönliche und soziale Kompetenzen weiterentwickelt werden können. In unserer sogenannten Führungswerkstatt werden Themen wie Motivation, Konflikt- oder Teammanagement geschult.
Derzeit haben wir regelmäßig einen Philosophen zu Gast, der in seinen Vorträgen Impulse „für Herz und Hirn“ gibt. Sein letztes Thema war Resilienz.
Alle zwei Wochen kommt außerdem noch ein Körpertherapeut ins Unternehmen. Wenn Sie ein Rückenproblem haben, können Sie das während der Arbeitszeit behandeln lassen – kostenlos. Ein weiteres Benefit: Wenn wir über fünf Prozent Gewinn machen, zahlen wir „Mußestunden“. 20 Stunden im Jahr erhält jeder Mitarbeitende für Muße. Da kommt beispielsweise meine Assistentin zu mir und sagt: „Volker, kann ich mit meiner Mama an Weihnachten vier Stunden Plätzchen backen daheim?“ Und dann bekommt sie vier Stunden bezahlt. Meine Philosophie ist: „Arbeitszeit ist Lebensarbeitszeit“, und du musst als Unternehmen auch die Sinnfrage beantworten. Es muss ja Sinn machen, wenn es Lebenszeit ist, denn Arbeit ist nicht nur Funktionszeit sondern auch Zeit zur Weiterentwicklung und Muße.
Ein ganz neues Projekt ist der „Kaiser-Notgroschen“. Das kam so: Wir hatten einen Mitarbeiter, der durch einen Schicksalsschlag wirtschaftlich abgerutscht ist. Dem wollten wir helfen, und daraus entstand die Idee für den „Einer für alle“-Fonds. Der Plan ist: Jeder Mitarbeiter gibt 1 Euro monatlich in den Fonds, die Führungskräfte etwas mehr. So kommen wir auf ein paar Hundert Euro monatlich. Kommt ein Mitarbeitender in Not, geht er zum Betriebsrat und erzählt davon – und bekommt im besten Fall Geld aus dem Fonds. Vielleicht folgen uns in Zukunft auch andere Unternehmen.

Wie ist Ihre Beziehung zu den anderen Stakeholdern?
Unsere Stakeholder sind vor allem die Landwirte, Müller und unsere Mitarbeitenden– sowie natürlich die Natur und Kultur. Letztere sind die sogenannten Stakeholder der Herzen. Das heißt, wir fühlen uns für die Natur, für ihren Erhalt verantwortlich. Wir begrenzen den Gewinn. Das heißt: Wenn unsere Umsatzrendite über fünf Prozent liegt, wird der Gewinn wie folgt aufgeteilt:
35 Prozent des Gesamtgewinns wird zur Bildung des Eigenkapitals verwendet und 30% fließt zu den Stakeholdern. Hauptstakeholder sind unsere Mitarbeitenden. Dort fließt auch der Hauptteil dieses Anteils hin. Die dritte Gruppe sind die sogenannte Stakeholder der Herzen wie Natur und Kultur. So bauen wir seit 15 Jahren Häuser in Indien und schaffen dort Wohnraum. 60 Prozent der Shareholder sind gemeinnützige Stiftungen.
Wieso erhalten die Bauern noch zusätzlich Geld?
Wir verabreden mit unseren Landwirten in den Erntegesprächen immer obere Marktpreise für das Getreide. Zusätzlich erhalten Sie dann noch eine festgelegte Prämie bei einer Gewinnausschüttung. Diese wird in der Erzeugergemeinschaft auf die einzelnen Bauern verteilt. Dazu folgendes Beispiel von vor zwei Jahren: Bei der Dinkelernte hatten einige Bauern sehr guten Dinkel, und andere – nicht weit entfernt – einen mit schlechter Qualität. Da spielen natürlich Starkregen und Trockenheit eine Rolle. Und was bedeutet das normalerweise? Den guten Dinkel verkauft der Bauer für die menschliche Ernährung – da erhält er einen guten Preis. Den schlechten verkauft er als Tierfutter – das heißt, dieser Bauer hat weniger Ertrag. In dieser Ernte haben wir beide Dinkelqualitäten genutzt. Die gute Qualität für unsere Produkte, die schlechtere als Streumehl in unserer Backstube. Für beide haben wir aber denselben guten Preis bezahlt.
Für mich persönlich gilt: Natürlich bin ich froh, dass ich jetzt wohlhabend geworden bin, aber das größte Glück ist für mich zu teilen. Ich will dieses Jahr wieder fünf Prozent Umsatzrendite – aber nicht, damit ich ein paar Euro mehr habe, sondern um es zu teilen. Um beispielsweise mehr Projekte in Indien zu unterstützen.
Sie kümmern sich also darum, dass es allen Stakeholdern gut geht. Aber was bedeutet das ökonomisch? Können Sie so eigentlich erfolgreich sein?
Wer das Herz in die Ökonomie mitnimmt, der hat den Wettbewerbsvorteil. Und die Leute spüren, wenn Sie herzlich zu ihnen sind. Dann kommen die Leute zu Ihnen, weil sie sich ernst genommen fühlen. Verstehen Sie? Wir gewinnen gerade Rewe und Edeka. Überhaupt haben wir in letzter Zeit unheimlich viele neue Kunden gewonnen. Im Januar, Februar und März war unser Wachstum zweistellig. In den letzten Monaten hatten wir die höchsten monatlichen Gewinne jemals. Das ist gerade in unserer Branche sehr ungewöhnlich.
Wichtig ist auch: Wir arbeiten professionell. Ich stelle die These auf, dass in Deutschland kein Bäcker ein professionelleres Controlling hat als wir. Aber wir nutzen das nicht in dem Sinne, dass ich noch 100.000 Euro mehr im Jahr verdiene. Mich interessiert dann, dass ich 100.000 Euro mehr habe, die ich teilen kann.
Das Wachstum finde ich erstaunlich, gerade weil Sie ja keine Discounter-Preise haben.
Richtig. Aber wir sind auch nicht teuer – wir haben Preise wie normale Handwerks-Bäcker und alles in Bio. Manche Biobäcker verkaufen heute ein Brot für 8 Euro. Das finde ich nicht gut, denn Partnerschaft heißt auch, dass der Kunde nicht unbegrenzt zahlen muss. Ich möchte, dass alle Menschen unser Biobrot kaufen können.
Vielen Dank, Herr Volker Schmidt -Sköries, für das inspirierende Gespräch!
Zusätzliche Infos:
- © JackF / iStock.com – 486663652 (2373_486663652.jpg)
- © Volker Schmidt-Sköries / BioKaiser / Privat/Non-kommerziell – BioKaiser_GF_SchmidtSkoeries.jpg