Betriebe erkunden – Forschendes Lernen fördern

Materialien zur Diskussion in Fachkonferenzen,
schulischen Arbeitsgruppen und universitären
Fachseminaren

Autor:
Jun.-Prof. Dr. Michael Weyland,
Pädagogische Hochschule Ludwigsburg

1 Hintergrundwissen

Im RKW-Grundlagenheft wurde die Konzeption des Schülerbetriebspraktikums als „Entrepreneurship Projekt“ vorgestellt (vgl. Weyland 2018). Es wurde gezeigt, dass sich die didaktische Ausgestaltung des Schülerbetriebspraktikums – als verpflichtender und zeitintensiver Bestandteil jeder Schülerbiographie – bis heute immer noch stark an den berufskundlich orientierten Konzepten der späten 1960er Jahre („Arbeitslehre“) orientiert. Die institutionell abgesicherte Möglichkeit, ausgewählte Aspekte der Praktikumsbetriebe zu analysieren, ökonomische Zusammenhänge zu erkunden und so unverzichtbare Schlüsselqualifikationen wie z. B. Eigeninitiative und Verantwortungsbewusstsein zu trainieren, wird hingegen viel zu selten genutzt.

Im Rahmen des vorliegenden Beitrags soll das Konzept des Betriebspraktikums und der Betriebserkundung als Entrepreneurship-Projekt, wie es im Grundlagenheft skizziert wurde, weiter konkretisiert werden. Die einzelnen Abschnitte können in Teilen oder als Ganzes genutzt werden, um eine Diskussion in Fachkonferenzen und schulischen Arbeitsgruppen anzuregen. Dazu werden im ersten Abschnitt die Kerngedanken des GrundlagenAufsatzes in Thesenform zusammengefasst. Darauf aufbauend, wird ein Leitfaden zur kompetenzorientierten Gestaltung von Betriebspraktika vorgelegt, der ebenfalls als Kopiervorlage zur Vorbereitung der Diskussion genutzt werden kann (Abschnitt 2). Im abschließenden dritten Teil folgt eine Zusammenstellung wesentlicher Aspekte, die bei der Durchführung von Betriebserkundungen im Sinne der Ziele der Entrepreneurship Education berücksichtigt werden sollten.
Die Begrenzungen der nachfolgend dargestellten Innovation liegen im gewachsenen Anspruchsniveau an Schülerinnen und Schüler und in der erschwerten Auswahl passender Praktikumsbetriebe. Der Autor selbst hat für diesen Weg dennoch viele Jahre lang geworben und das Betriebspraktikum am Städtischen Siebengebirgsgymnasium in Bad Honnef Schritt für Schritt, und in enger Abstimmung mit den beteiligten Fachkollegen und den schulischen Gremien im „unternehmerischen“ Sinne umgestaltet. Auf dem Bad-Honnef-Modell basierende, praktisch erprobte und evaluierte Modulelemente zur Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung von Betriebserkundungen und Betriebspraktika an allen Schulformen liefern Jacobs et al. (2011a, 2011b), Schuhen et al. (2017a, 2017b, 2017c) sowie Weyland et al. (2019a, 2019b).

2 Materialien und Aufgaben

A: Vier Thesen zur Neugestaltung des Betriebspraktikums
Kopiervorlage zur Diskussion in Fachkonferenzen und schulischen Arbeitsgruppen

Inwiefern Betriebspraktika und -erkundungen „unternehmerisch“ gestaltet werden können, wurde im RKW-Grundlagenheft (vgl. Weyland 2018) ausführlich dargestellt. Es wurde die fachdidaktisch gebotene Notwendigkeit erläutert, Betriebspraktika und Betriebserkundungen ganz im Sinne der Entrepreneurship Education fortzuentwickeln. Die vier Kerngedanken dieses Ansatzes sollen nachfolgend in Thesenform zusammengefasst werden.

These 1:
Berufsfindung steht zu häufig im Vordergrund der unterrichtlichen Bemühungen

Schülerbetriebspraktika sollten in ihrer ursprünglichen Konzeption primär die Berufsfindung der Schüler erleichtern (Groth et al. 1971; Platte 1986). So orientierten sich die Konzepte der späten 1960er Jahre an den Gegebenheiten damaliger Hauptund Realschulen. Bis heute dominieren in der Regel berufskundliche Themen die Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung des Betriebspraktikums in allen Schulformen. Dies gilt in der Regel auch für die Gymnasien, an denen das Praktikum in den 1980er Jahren eingeführt wurde. Für zwei bis vier Wochen verlassen die Schülerinnen und Schüler die Schule, um die Bewältigung von verschiedenen beruflichen Tätigkeiten und Aufgaben kennenzulernen, sich mit Problemen der Berufswelt auseinanderzusetzen und die eigenen Berufswahlvorstellungen kritisch zu hinterfragen. Betrachtet man aktuelle ministerielle Vorgaben – wie etwa die im Rahmen des KAoA-Programms entwickelten NRW-Richtlinien zur Berufsorientierung (vgl. KAoA NRW) – sowie daraus resultierende Unterrichtsmaterialien rund um das Thema „Betriebspraktikum“ und „Betriebserkundung“, so wird deutlich, dass die traditionell berufskundliche Orientierung nach wie vor dominiert. Die Förderung von Berufs wahlkompetenz bildet bis heute die entscheidende Legitimation für Schülerbetriebspraktika, auch wenn mittlerweile bekannt ist, dass die Auswirkungen dieser frühzeitigen Praxisphasen auf die tatsächliche Berufswahl systematisch überschätzt werden. Das Praktikum fungiert somit an den meisten allgemeinbildenden Schulen gerade nicht als Erkenntnishilfe auf dem Weg zur selbstständigen Erschließung ökonomischer Zusammenhänge und schon gar nicht als Instrument zur Förderung des Unternehmergeistes. Diese Tatsache erscheint insbesondere im Hinblick auf die mittlerweile am meisten nachgefragte Schulform – das Gymnasium – bedenklich, denn Gymnasiasten müssen ihre Berufswahlentscheidung in der Regel erst deutlich später treffen, weshalb eine einseitige Fixierung auf berufskundliche Aspekte am Kern dessen vorbeigeht, was man als „fachdidaktisches Potenzial“ des Betriebspraktikums und der Betriebserkundung bezeichnen könnte.

These 2:
Betriebsbesichtigungen werden zu häufig, Erkundungen zu selten praktiziert

Schülerbetriebspraktika werden häufig ergänzt durch voroder nachbereitende Betriebsbesichtigungen lokaler Unternehmen („Betriebstourismus“). Allgemeinbildende ökonomische Fragestellungen werden dabei in der Regel nur am Rande thematisiert, und Aspekte einer Entrepreneurship Education sucht man in den meisten Konzeptionen und Unterrichtsmaterialien vergeblich. Betrachtet man das Betriebspraktikum und die Erkundungen hingegen vorrangig aus dem Blickwinkel einer vertieften ökonomischen Allgemeinbildung (vgl. Schudy 2002), so erscheint eine abweichende didaktische Ausgestaltung sinnvoll: Die Gestaltung des Schülerbetriebspraktikums und der Erkundungen als innovatives Entrepreneurship-Projekt, bei dem Selbstständigkeit und Eigeninitiative entwickelt werden und das Verantwortungsbewusstsein der Schülerinnen und Schüler systematisch gestärkt wird. Im Zentrum dieser Konzeption stehen mehrere, systematisch geplante, vorund nachbereitete Betriebserkundungen, die sich deutlich von den weit verbreiteten Betriebsbesichtigungen unterscheiden (vgl. Weyland/Rehm 2013; Zurstrassen 2011).

These 3:
Kompetenzorientierte Betriebserkundungen sind für alle Beteiligten äußerst aufwändig, aber lohnenswert

Während die Schülerinnen und Schüler bei traditionellen Betriebsbesichtigungen nach einem einführenden Vortrag in der Regel passiv bleiben und ohne fachdidaktische Schwerpunktsetzung oder Arbeitsaufträge durch den gesamten Betrieb geführt werden, geht es bei den hier präferierten Erkundungen ganz im Sinne Klafkis darum, „…unter bestimmten Fragestellungen in methodisch durchdachter Form in einem bestimmten Wirklichkeitsbereich Informationen einzuholen, um anschließend mithilfe der so gewonnenen Informationen jene Ausgangsfragen beantworten und in Teilantworten zu einem Erkenntniszusammenhang weiterentwickeln zu können“ (Klafki 1970, 86). Um differenzierte Einblicke in die reale Arbeitsund Wirtschaftswelt zu gewinnen, werden von den beteiligten Schülerinnen und Schülern selbst entwickelte Fragestellungen durch intensives Beobachten oder Befragen der Mitarbeiter selbstständig – zumeist in Kleingruppen – bearbeitet. In einem fächerübergreifend-sozialwissenschaftlichen und zugleich „lebensvorbereitenden“ Sinne ergibt sich so die Möglichkeit, fundamentale Methoden der empirischen Sozialforschung im Unterricht zu trainieren. Dazu zählen insbesondere folgende Methoden: die Formulierung einer Forschungsfrage und die möglichst präzise Formulierung von Forschungshypothesen; die Festlegung der Forschungsmethodik; die Vorbereitung, Durchführung und Auswertung von Interviews sowie schriftlichen Befragungen und Beobachtungen; die Anwendung elementarer Messverfahren (inklusive Operationalisierung, Indikatorenauswahl); die Interpretation von Korrelationen, Trends und Kausalitäten auf Grundlage der Datenerhebungen; die Diskussion der Grenzen sozialwissenschaftlicher Theoriebildung und Hypothesenüberprüfung.

These 4:
Die Schülerrolle wandelt sich vom passiv-konsumorientierten Berufswähler zum unternehmerisch-aufgeklärten Wirtschaftsbürger

Insbesondere das Zusammenstellen erhobener Daten zu einem visualisierten Ergebnis gehört zu den wissenschaftspropädeutisch relevanten und zugleich „lebensvorbereitenden“ sozialwissenschaftlichen Methoden, denn dabei entsteht ein Sinn dafür, entsprechend präparierten Daten aus fremden Quellen, das Rezept von Aufmachung und Informationsauswahl anzusehen. Statistiken und Schaubilder werden im Unterricht daraufhin überprüft, was sie über die Intentionen des Autors aussagen. Nichtgenanntes kann dabei ebenso eine Rolle spielen wie graphische Hervorhebungen oder mathematische Gewichtungen. Eine „produktionsorientierte“ und nicht nur rezeptive Beschäftigung mit selbstständig erhobenen Daten eröffnet dar- über hinaus die Chance, einzelne statistische Verfahren der Datenauswertung kennenzulernen und zu simulieren. Mithilfe der auf diese Weise einge- übten Fachmethoden sind dann während des Praktikums selbst berufliche Tätigkeiten, Arbeitsmittel, Fertigungsabläufe sowie technische, ökonomische oder organisatorische Prinzipien beobachtbar. Der Schwerpunkt der Praxisphase besteht darin, diese Prinzipien systematisch und zugleich exemplarisch zu erschließen. Das Betriebspraktikum und die vorauslaufenden Betriebserkundungen werden somit als Chance begriffen, verzerrte Wahrnehmungen der sozioökonomischen Umwelt auf Schülerseite zu korrigieren und die Lernenden zur selbstständigen Erschließung wirtschaftlicher Zusammenhänge anzuleiten.

B: Anregungen zur kompetenzorientierten Gestaltung des Betriebspraktikums
Kopiervorlage zur Diskussion in Fachkonferenzen und schulischen Arbeitsgruppen

Alle Schülerinnen und Schüler unserer Schule sollen die Gelegenheit erhalten, möglichst realistische Einblicke in die Wirtschaftspraxis zu gewinnen und dabei unverzichtbare Schlüsselqualifikationen – Selbstständigkeit, Eigeninitiative und Verantwortungsbewusstsein – zu entwickeln. Unser Betriebspraktikum möchten wir daher als Entrepreneurship-Projekt gestalten. Es zielt darauf, erworbenes Wissen in konkreten Handlungssituationen zur Anwendung zu bringen. Dazu sollen unsere Schü- lerinnen und Schüler eine Forscherrolle einnehmen und aus dieser Rolle heraus agieren.

Unsere Schülerinnen und Schüler sollen…

  • ihre Stärken, Schwächen und Potenziale analysieren;
  • diese mit den veränderten Anforderungen an qualifizierte Arbeitskräfte in exemplarisch ausgewählten Betrieben vergleichen;
  • Arbeitsprozesse mithilfe kriterienorientierter Beobachtungsbögen zunächst videogestützt und dann real beobachten, analysieren und reflektieren;
  • betriebliche Abläufe beobachten, analysieren und reflektieren;
  • Arbeitsprozesse selbst durchführen und reflektieren;
  • ihr Wissen über wirtschaftliche Realitäten mit den im Unterricht vermittelten wirtschaftsund sozialwissenschaftlichen Modellen vergleichen und kritisch reflektieren;
  • ihre Ergebnisse verschriftlichen und in einer Projektmappe möglichst sorgfältig und präzise dokumentieren.

Die theoretischen Inhalte des Fachunterrichts sollen so mit „Leben“ gefüllt werden. Darüber hinaus können ungeklärte Fragen aus der Praxis Anlass für eine vertiefte unterrichtliche Auseinandersetzung nach Ende der Praxisphase sein (Theorie-Praxis-Transfer). In inhaltlicher Hinsicht werden auf diese Weise an unserer Schule insbesondere folgende Aspekte beleuchtet:

Individuelle Ebene (Mikro-Perspektive)

  • Potenzialanalyse: Meine persönlichen Stärken und Schwächen
  • Entscheidungstraining: Für welchen Bewerber entscheidest Du Dich?
  • Arbeitsanalyse: Beobachtung und Bewertung von Arbeitsplätzen
  • Wandel der Arbeitswelt: Konsequenzen für die persönliche Lebensplanung

Organisationsebene (Meso-Perspektive)

  • Organisation von Betrieben: Aufgabenbereiche, Abteilungen, Rechtsformen
  • Die prägende Kraft der Unternehmerpersönlichkeit bzw. der Mitarbeiter
  • Analyse von Betrieben I: Geschichte, Geschäftsfelder, Wertschöpfungsprozess
  • Analyse von Betrieben II: Kunden, Markt, Wettbewerber
  • Analyse von Betrieben III: Technologische, ökologische, soziale Aspekte
  • Unfallverhütung und weitere Regeln im Betrieb

Systemebene (Makro-Perspektive)

  • Rechtliche Einbindung I: Fallstudien zum Jugendarbeitsschutzgesetz
  • Rechtliche Einbindung II: Fallstudien zum Betriebsverfassungsgesetz
  • Rechtliche Einbindung III: Fallstudien zum Kündigungsschutz
  • Lohn- und Gehaltsabrechnung I: Was bleibt netto vom Brutto?
  • Lohn- und Gehaltsabrechnung II: Steuern und Lohnnebenkosten
  • Prinzipien der sozialen Sicherung und Herausforderungen für den Sozialstaat
  • „Soziale Marktwirtschaft“ – Merkmale und Herausforderungen unserer Wirtschaftsordnung

C: Leitfaden zur kompetenzorientierten Gestaltung von Betriebserkundungen
Kopiervorlage zur Diskussion in Fachkonferenzen und schulischen Arbeitsgruppen

Bei der Betriebserkundung erhalten die Schülerinnen und Schüler einen Erkundungsauftrag oder eine Fragestellung, die sie während des Aufenthalts im Betrieb durch genaues Beobachten oder Befragen der Mitarbeiter selbstständig bearbeiten. Sie konstruieren ihr Wissen also aktiv. Die Bearbeitung des Erkundungsauftrages findet nicht im Klassenverband, sondern in Kleingruppen statt. Jede Kleingruppe kann dabei einen eigenen Erkundungsauftrag erhalten. Folgende Qualitätsmerkmale von Betriebserkundungen erscheinen uns unverzichtbar (vgl. Zurstrassen 2011):

  • Betriebserkundungen folgen den Prinzipien der Problemorientierung und des entdeckenden Lernens.
  • Betriebserkundungen fördern die Eigenaktivität der Schülerinnen und Schüler.
  • Betriebserkundungen werden inhaltlich und methodisch in eine Unterrichtsreihe eingebettet und im Unterricht gründlich vorund nachbereitet.
  • Betriebserkundungen sind Aspekterkundungen, d. h. die ausgewählten Betriebe werden unter einer in der Planungsphase definierten Frageoder Problemstellung und mithilfe strukturierender empirischer Methoden (z.B. eines Beobachtungsoder Fragebogens) erkundet.

Zur Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung unserer Betriebserkundungen dient folgende Checkliste mit den wichtigsten Leitfragen. Nicht alle hier aufgeführten Fragen sind für jede Erkundung relevant; dennoch kann die Checkliste dazu dienen, das Wesentliche in den Blick zu nehmen und die anstehenden Erkundungen professionell zu planen.

 

Teil 1:
Vorbereitung – Organisatorisches

Der zu erkundende Betrieb soll mit in die Vorbereitungen einbezogen werden. Dazu gehört insbesondere, dass sich die verantwortliche Lehrkraft und der betriebliche Ansprechpartner darauf verständigen, welche Aspekte die Schüler erkunden und in welchem Umfang sie dabei aktiv werden dürfen. Die Lehrkraft verschafft sich einen Überblick über die betrieblichen Strukturen und Abläufe, so dass sie passende Erkundungsaufträge erteilen oder mit den Schülern erarbeiten kann. Weitere Aspekte, die berücksichtigt werden sollten:

  • Kommunikation: Das Vorhaben wurde mit dem Koordinator, mit der Schulleitung, mit den betroffenen KollegInnen und mit dem Betrieb abgesprochen. Die Anfahrt zum Betrieb wurde in Kooperation mit dem Koordinator organisiert.
  • Techniken: Notwendige Techniken für die Beschaffung und Verarbeitung von Informationen sind geübt (z. B. Interviewtechnik, Protokollführung)
  • Informationen: Sachinformationen zum Betrieb wurden den Schülern zur Verfügung gestellt bzw. von diesen recherchiert. Vorsichtsmaßnahmen und Verhaltensregeln im Betrieb wurden vermittelt.
  • Aufträge: Der Hauptaspekt der Erkundung wurde festgelegt und mit dem Betrieb abgestimmt. Konkrete Erkundungsaufträge wurden im Unterricht erarbeitet oder den Schülern erteilt. Erkundungsmaterialien (z. B. Fragebögen, Beobachtungsleitfäden) wurden entwickelt.
  • Dokumentation: Technische Hilfsmittel zur Dokumentation wurden beschafft (Fotobzw. Videokamera, Tonbandgerät etc.). Die Schüler wurden darüber informiert, was zur Erkundung mitzubringen ist (z. B. Schreibzeug, Block, Verpflegung).

In einem Koordinationsgespräch mit dem betrieblichen Ansprechpartner wurden darüber hinaus folgende organisatorische und konzeptionelle Rahmenbedingungen geklärt:

  • Der betriebliche Ansprechpartner wurde über den Wissensstand und die weiteren Voraussetzungen der Schüler informiert.
  • Ein gemeinsames Ziel für die Erkundung wurde festgelegt.
  • Ein Erkundungsbereich wurde ausgewählt (z. B. Berufsorientierung, Personalentwicklung, Marketing, Sozialwesen).
  • Geeignete Räumlichkeiten für Begrüßung, Einführung und Abschlussgespräch wurden festgelegt.
  • Es wurde geklärt, welche Mitarbeiter von den Schülern interviewt werden dürfen.
  • Es wurde geklärt, in welchem Bereich des Betriebes die Schüler unter Beachtung der Sicherheitsvorschriften selbstständig Informationen einholen dürfen.
  • Ein Ablauf mit Zeitangaben für die Erkundung wurde erstellt.
  • Die Verantwortlichkeiten für die einzelnen Programmpunkte wurden zwischen Lehrkraft und betrieblichem Ansprechpartner aufgeteilt.
  • Informationen über die Sicherheit wurden eingeholt (z. B. erforderliche Kleidung, Gruppengröße, erwünschtes Verhalten der Schüler im Betrieb etc.).

 

Teil 2:
Vorbereitung – Interviewtechnik

Um an Informationen heranzukommen, musst Du zielgerichtet vorgehen – und das heißt vor allem: gut vorbereitet und strukturiert! Die folgende Checkliste soll Dir dabei helfen.

Vorbereitung des Interviews

  • Was weiß ich schon? Sammle alle Informationen zum Thema.
  • Was möchte ich herausfinden? Formuliere Arbeitshypothesen, z. B. „Das Unternehmen X hat keine bedeutenden Wettbewerber in der Stadt Y.“
  • Welche Lücken möchte ich schließen? Lokalisiere die Lücken im bereits recherchierten Material.
    Suche Ansatzpunkte, um Deine Hypothesen überprüfen zu können.
  • Wie genau lauten meine Fragen? Formuliere und gliedere Deine Leitfragen („roter Faden“).
  • Wie möchte ich die Antworten festhalten? Bereite ggf. Interviewbögen vor, d. h. Bögen, auf denen Antworten zu Leitfragen in Kurzform festgehalten werden können.

Durchführung des Interviews

  • angemessen kleiden
  • sensibel und flexibel auf den Gesprächspartner reagieren
  • auch unter Zeitdruck freundlich bleiben
  • Zeitrahmen klären („Sie haben, wie vereinbart, bis 15.00 Uhr Zeit?“)
  • eine gute Einleitung wählen
  • einen Kurzüberblick über die Fragen geben, z. B.: „Es geht mir darum, Ihren Betrieb näher kennenzulernen.
  • Fragen präzise formulieren
  • keine Antworten vorgeben (also bitte nicht: „Denken Sie nicht auch, dass …?")
  • freundlich, aber bestimmt auftreten
  • weicht der Gesprächspartner aus, nachhaken, ohne ihn allerdings zu verärgern („Um noch einmal auf den Punkt … zurückzukommen …")
  • während des Gesprächs immer den roten Faden im Auge behalten
  • gleichzeitig flexibel reagieren: Schneidet der Gesprächspartner interessante Themen an, an die man vorher nicht gedacht hat, darauf eingehen, nachfragen, anschließend aber zum roten Faden zurückkehren.
  • das Interview freundlich beenden, bevor der Gesprächspartner aus Zeitgründen unruhig wird
  • nicht nur für Interview bedanken, sondern wichtige Ergebnisse zusammenfassen
  • Kontaktmöglichkeiten aufrechterhalten: „Kann ich Sie anrufen, falls ich noch Rückfragen habe?"

 

Teil 3:
Durchführung – Hilfreiche Leitfragen

Beispiel 1:
Erkundungsschwerpunkt „Berufsorientierung“

  • Welche Qualifikationsanforderungen stellt der Betrieb an seine Mitarbeiter?
  • Für welche Berufe im Betrieb ist ein Hochschulstudium Voraussetzung bzw. von Vorteil?
  • Welche Studienfächer passen zu welchem Beruf?
  • Auf welche Schulfächer wird besonderer Wert gelegt?
  • Welche anderen berufsspezifischen Anforderungen gibt es?
  • Für welche Berufe bietet der Betrieb Ausbildungsplätze an?
  • Wie werden Bewerber/innen für einen Ausbildungsplatz ausgewählt?
  • Welche Art von Eignungsprüfungen führt der Betrieb mit Bewerbern durch?
  • Wie viele Auszubildende werden durchschnittlich pro Jahr aufgenommen?
  • Wie viele davon werden im Anschluss an die Ausbildung übernommen?
  • Welche Schulabschlüsse haben die Auszubildenden?
  • Wie lange dauert die Ausbildungszeit?
  • Wie viele Auszubildende werden für welche Berufe ausgebildet?
  • Gibt es Ausbildungsmöglichkeiten für Abiturienten (evtl. sogar spezielle Ausbildungsgänge/Lehrzeitverkürzung etc.)?

 

Beispiel 2:
Erkundungsschwerpunkt „Geschichte, Geschäftsfelder und Steckbrief“

  • Wann, wo und durch wen wurde der Betrieb gegründet?
  • Wie hat sich der Betrieb entwickelt?
  • Was stellt der Betrieb her bzw. welche Dienstleistungen bietet er an?
  • Welche Abteilungen haben welche Aufgaben? Wie wirken sie zusammen?
  • Falls vorhanden: Organisationsmatrix einfügen!
  • Welche Rechtsform hat der Betrieb?
  • Wie viele Mitarbeiter arbeiten in dem Betrieb?
  • Sind weitere wichtige Kennzahlen verfügbar und wenn ja: Wie haben sie sich entwickelt?
    Vorsicht: Sensibler Bereich!

Beispiel 3:
Erkundungsschwerpunkt „Kunden, Marketing und Wettbewerber“

  • Wie werden die Preise für die Produkte ermittelt, die der Betrieb anbietet?
  • Wie können die Kunden sinnvoll eingeteilt werden? (Altersgruppen, Nationalitäten, Einkommensklassen, Stammkundschaft/Laufkundschaft)
    Vorsicht: Sensibler Bereich!
  • Haben die einzelnen Kundengruppen spezifische Produktpräferenzen?
  • Besteht eine starke Abhängigkeit von einer bestimmten Kundengruppe?
  • Welche Werbestrategien werden eingesetzt, um auf die Produkte aufmerksam zu machen?
  • Welche Garantieleistungen werden dem Kunden geboten?
  • Wie geht man mit Reklamationen und Beschwerden um? Unter welchen Umständen können Artikel umgetauscht werden?
  • Wie gelingt es dem Betrieb, sich auf die aktuellen Markttrends bzw. Bedürfnisse der Kunden einzustellen?
  • Wie versucht der Betrieb eine möglichst hohe Kundenzufriedenheit zu erreichen?
  • Wie groß ist der Markt, in dem das Unternehmen aktiv ist (Umsatz, Anzahl Wettbewerber)?
  • Wie entwickelt sich die Branche insgesamt? Gibt es Daten zur Marktentwicklung bzw. können diese recherchiert werden?
  • Welche Betriebe bieten identische oder ähnliche Produkte an?
  • In welchen Bereichen hat die Konkurrenz Wettbewerbsvorteile (-nachteile) gegenüber dem Betrieb?
  • Gibt es ein neues Geschäftsmodell, das den Markt revolutionieren könnte?

Beispiel 4:
Erkundungsschwerpunkt „Soziale Aspekte“

  • Wie lässt sich die Führungsstruktur sinnvoll charakterisieren (familiär, hierarchisch, kollegial)? Vorsicht: Sensibler Bereich!
  • Herrscht eine angenehme Arbeitsatmosphäre? Sind die Arbeitsplätze angenehm gestaltet?
  • Gibt es einen Betriebsrat? Welche Aufgaben hat dieser?
  • Welche sozialen Leistungen bietet der Betrieb? Vorsicht: Sensibler Bereich!
  • Wie ist die Arbeitszeit im Betrieb geregelt? Wie hoch ist die wöchentliche Arbeitszeit?
  • Gibt es Schichtarbeit? Gibt es Urlaubsregelungen?
  • Welche arbeitsrechtlichen Vorschriften sind im Betrieb von Bedeutung?
  • Welche Form der Entlohnung gibt es in deinem Betrieb (Gehalt, Stundenlohn, Akkord)?
  • Welche Tarifsysteme gibt es in deinem Betrieb und für welchen Personenkreis werden sie angewendet?
  • Welche außertariflichen Regelungen gibt es? Vorsicht: Sensibler Bereich!

Teil 4:
Nachbereitung – Reflexion

Mögliche Leitfragen für die Nachbereitung:

  • Was hat Dir während der Erkundung besonders gut gefallen?
  • Was hat Dir während der Erkundung gar nicht gefallen?
  • Welche Probleme sind während der Erkundung aufgetreten?
  • Wie hast Du die Befragung der Betriebsangehörigen erlebt?
  • Wurden Deine Fragen beantwortet?
  • Wie war die Arbeitsatmosphäre im Betrieb für Dich?
  • Was ist Dir bezüglich Deines untersuchten Bereichs besonders aufgefallen?
  • Welche Teile der Betriebserkundung verliefen so, wie Du es Dir vorgestellt hast?
  • Welche Teile der Betriebserkundung verliefen anders, als Du es Dir vorgestellt hast?
  • Was ist Dir noch unklar geblieben?

 

Quellen:

  • Groth, Georg / Lembke, Ilse / Werner, Peter 1971: Betriebspraktikum für Schüler. Entwurf eines Arbeitslehre-Vorhabens, Weinheim.
  • Jacobs, Heinz / Schalück, Andreas / Wolf, Beatrix 2011a: Das Betriebspraktikum, Schwalbach/Ts.
  • Jacobs, Heinz / Schalück, Andreas / Wolf, Beatrix 2011b: Lehrerheft zum Betriebspraktikum, Schwalbach/Ts.
  • Kaiser, Franz-Josef / Kaminski, Hans 1999: Methodik des Ökonomie-Unterrichts. Grundlagen eines handlungsorientierten Lernkonzepts mit Beispielen. 3. Aufl., Bad Heilbrunn.
  • KAoA NRW, o.A.: Kein Abschluss ohne Anschluss. Berufsund Studienorientierung an allen Schulen in NRW. Online veröffentlicht unter http://www.berufsorientierung-nrw.de/start/index.html (zuletzt abgerufen am 30.06.2019)
  • Kirchner, Vera / Loerwald, Dirk 2014: Entrepreneurship Education in der ökonomischen Bildung. Eine fachdidaktische Konzeption für den Wirtschaftsunterricht, Hamburg.
  • Klafki, Wolfgang (Hg.) 1970: Unterrichtsbeispiele der Hinführung zur Wirtschaftsund Arbeitswelt, Düsseldorf.
  • Loerwald, Dirk 2011: Das Schülerbetriebspraktikum – Betriebe als außerschulische Lernorte. In: Retzmann, Thomas (Hg.): Methodentraining für den Ökonomieunterricht, Bd. II, Schwalbach/Ts., 12540.
  • Platte, Hans Kaspar (Hg.) 1986: Lernen vor Ort. Anleitungen, Informationen und Fakten zum Betriebspraktikum, Bad Godesberg.
  • Schudy, Jörg (Hg.) 2002: Berufsorientierung in der Schule. Grundlagen und Praxisbeispiele, Bad Heilbrunn.
  • Schuhen, Michael / Weyland, Michael / Schürkmann, Susanne / Schlösser, Hans Jürgen 2017a: Das Betriebspraktikum am Gymnasium. Deutscher Sparkassen Verlag. 6., veränderte und erweiterte Auflage, Stuttgart.
  • Schuhen, Michael / Weyland, Michael / Schürkmann, Susanne / Schlösser, Hans Jürgen 2017b: Das Betriebspraktikum. Deutscher Sparkassen Verlag. 7., veränderte und erweiterte Auflage, Stuttgart.
  • Schuhen, Michael / Weyland, Michael / Schürkmann, Susanne / Schlösser, Hans Jürgen 2017c: Berufsorientierung praxisnah. Deutscher Sparkassen Verlag. 5., veränderte und erweiterte Auflage, Stuttgart.
  • Schuhen, Michael / Weyland, Michael 2016: Lehrerinformationen zum Betriebspraktikum für alle Schularten (mit CD-ROM). Deutscher Sparkassen Verlag. 3., leicht veränderte Auflage, Stuttgart.
  • Weyland, Michael 2018: Das Betriebspraktikum als Entrepreneurship-Projekt. In: Grundlagenheft Entrepreneurship Education. RKW Kompetenzzentrum/ Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, Eschborn.
  • Weyland, Michael / Rehm, Marco 2013: How can economics education be implemented without a separate subject? A case study from Germany. In: Journal of Social Science Education (JSSE) 2/2013, 87-92. Online veröffentlicht unter http://www. jsse.org/index.php/jsse/article/view/118 (zuletzt abgerufen am 30.06.2019)
  • Weyland, Michael / Schuhen, Michael / Loff, Astrid 2019a: Das Betriebspraktikum kompetenzorientiert gestalten. Schülerheft. Deutscher Sparkassen Verlag, Stuttgart 2019 (erscheint voraussichtlich 10/2019).
  • Weyland, Michael / Schuhen, Michael / Loff, Astrid 2019b: Das Betriebspraktikum kompetenzorientiert gestalten. Serviceheft. Deutscher Sparkassen Verlag, Stuttgart 2019 (erscheint voraussichtlich 10/2019).
  • Zurstrassen, Bettina 2011: Die Betriebserkundung: Wirtschaft verstehen durch Realbegegnungen. In: Retzmann, Thomas (Hg.): Methodentraining für den Ökonomieunterricht, Bd. II, Schwalbach/Ts., 25-42.

 

Projekt „Unternehmergeist erleben!“
Diese Publikation ist im Rahmen des von der Karl Schlecht Stiftung geförderten Projekt „Unternehmergeist erleben!“ entstanden.

Entrepreneurship Education an Schulen und Hochschulen fördern
Entrepreneurship Education ist wichtig, um junge Menschen für ein selbstbestimmtes Denken und Handeln zu ermutigen. Ziel ist es, Jugendliche dabei zu unterstützen, unternehmerische Persönlichkeitskompetenzen zu entwickeln, sie in den Kontakt mit ihren Stärken und Interessen zu bringen sowie ein unternehmerisches Wertebewusstsein herauszubilden.

Das RKW Kompetenzzentrum richtet Veranstaltungen zum Thema „Entrepreneurship Education“ an Schulen und Hochschulen in Baden-Württemberg aus. Dabei liegt der Fokus auf dem „erlebbar machen“ von unternehmerischem Denken und Handeln. Unternehmerische Schlüsselkompetenzen wie Kreativität, Selbstwirksamkeit, Selbstvertrauen, Teamfähigkeit und der Umgang mit Unsicherheiten sollen hierbei bei jungen Menschen trainiert und gefördert werden. Gleichzeitig sollen Lehramtsstudierende dazu angeregt werden, das Thema „Gründungsdidaktik“ für sich als Lernund späteres Unterrichtsfeld zu entdecken. Dafür wurden Workshopund Unterrichtsmaterialien entwickelt, die in diesem Workbook veröffentlicht sind.

Weitere Informationen zum Projekt: www.rkw.link/unternehmergeisterleben

Bestellung von Print -Exemplaren & Download der Online-Version:

  • Grundlagenheft „Entrepreneurship Education: Ansätze aus Wissenschaft und Praxis“ (2018)
    www.rkw.link/grundlagenheft
  • Workbook „Entrepreneurship Education: Workshopund Unterrichtsmaterialien für Schulen und Hochschulen“ (2019) www.rkw.link/workbook