Was wird gegründet?

5.1 Erwartete Beschäftigungseffekte der Gründungen in den innovationsbasierten Ländern 2017

Unternehmensgründungen sind wirtschaftspolitisch auch deshalb interessant, weil sie nach weit verbreiteter Ansicht ökonomisches Wachstum generieren, zumindest aber den sektoralen Strukturwandel beeinflussen. Zwar gilt mittlerweile in der Gründungsforschung als gesichert, dass Gründungen nicht per se volkswirtschaftliches Wachstum generieren. Für die – nur einen Teil der Gründungen umfassenden – tatsächlich ökonomisch wachsenden und hinreichend lange überlebenden Gründungen gilt dies allerdings sehr wohl. Gründungswachstum ist ein durchaus multidimensionales Phänomen, das sich nicht vollständig mit nur einem Wachstumskriterium empirisch abdecken lässt. Das zumindest beliebteste Kriterium ist das Beschäftigtenwachstum einer Gründung – was erstens voraussetzt, dass die Gründung überhaupt Beschäftigte hat und zweitens ein gewisses Alter erreicht. Die GEM-Daten belegen, dass in Deutschland knapp 70% aller Gründungen mindestens einen Arbeitsplatz schaffen (ohne die Gründer selbst). Die TEA-Quote dieser Gründungen liegt 2017 bei 3,67%, was nur Rang 20 unter 24 innovationsbasierten Ländern bedeutet. Die entsprechenden Werte für die USA, Kanada und Estland sind etwa dreimal so hoch. Diese Länder weisen aber allesamt auch eine höhere TEAQuote insgesamt auf. Die Abbildung 14 korrigiert diese Leveleffekte und zeigt den prozentualen Anteil der TEA-Gründungen mit mindestens einem Arbeitsplatz (aktuell oder erwartet in den nächsten fünf Jahren). Gut zwei Drittel aller Gründungen in Deutschland erfüllen derzeit dieses Kriterium. Der Wert liegt im internationalen Vergleich im unteren Mittelfeld und ist deutlich höher als etwa in Schweden, Spanien oder Japan, aber signifikant niedriger als zum Beispiel in einigen anderen eher gründungsschwachen Ländern wie Griechenland, Zypern oder Frankreich.

Arbeitsmarktbezogen noch wichtiger als die Frage, ob zumindest ein Arbeitsplatz durch eine Gründung geschaffen wird, ist die Gesamtzahl der generierten Arbeitsplätze. Immerhin knapp ein Fünftel der TEAGründer in Deutschland ist der Ansicht, dass ihre Gründung in fünf Jahren mindestens zehn Beschäftigte haben und die Beschäftigtenzahl in diesem Zeitraum um mindestens 50% wachsen wird. Nur zehn innovationsbasierte Länder hatten 2017 einen höheren Wert. Noch ein anderer Vergleich zeigt, dass dieses Ergebnis durchaus für die beschäftigungspolitische Relevanz von Gründungen in Deutschland spricht: Der Referenzwert für „etablierte Gründungen“ (im GEM definiert als Unternehmen, die mindestens 3,5 Jahre alt sind), liegt bei nur 2,3%. Dies bedeutet, dass aktuell die Gründer älterer Unternehmen in Deutschland weniger optimistisch sind als die Gründer junger Unternehmen hierzulande, was die Anzahl zukünftig von ihnen geschaffener Arbeitsplätze betrifft. Auch in anderen innovationsbasierten Ländern sind die Arbeitsplatzerwartungen der etablierten Unternehmen stets geringer als jene der in Gründung befindlichen Unternehmen.

Die Bilanz bzgl. der Beschäftigungseffekte von Gründungen in Deutschland ist also ambivalent (aber nicht widersprüchlich): Knapp 70% der Gründer erwarten zumindest einen Beschäftigten in den ersten fünf Jahren (bzw. haben diesen bereits eingestellt), was im Mittelfeld der vergleichbaren Länder liegt. Gründer, die ein besonders starkes Beschäftigungswachstum erwarten, sind in Deutschland aber relativ häufig. Ob dies Ausdruck von allzu großem Optimismus oder einer realistischen Einschätzung der zukünftigen Entwicklung seitens der Gründerpersonen ist, vermögen die Daten nicht zu zeigen.

Abb. 14: Gründungen (TEA) mit mindestens einem Arbeitsplatz jetzt oder in fünf Jahren (ohne die Gründerperson selbst) in Prozent aller Gründungen in den 24 innovationsbasierten GEM-Ländern 2017 (%)

5.2 Exportstarke Gründungen in den innovationsbasierten Ländern 2017

Die auf der vorherigen Seite behandelten Beschäftigungseffekte basieren auf den Einschätzungen der befragten tatsächlichen oder möglichen Gründer. Andere GEM-Variablen im Datensatz erlauben – über spezifische Merkmale der Gründung – Schlussfolgerungen zur Bewertung der genannten Beschäftigungseffekte.

Abbildung 15 betrifft einen Aspekt der Wachstumsorientierung von Gründungen: die Internationalisierung der Produkte und Dienstleistungen, die das neue Unternehmen anbietet. Genauer: den erwarteten Anteil der Kunden im Ausland. Misst man deren Anteil als TEA-Quote (Bezug also: 18-64-Jährige) für jene Gründer, die aktuell oder in fünf Jahren mindestens 50% ihrer Kunden im Ausland erwarten, liegt diese Quote in Deutschland bei 0,61%. Dieser Wert ist 50% über dem Vergleichswert der etablierten Unternehmen (älter als 3,5 Jahre) in Deutschland. Anders als in den beiden Vorjahren hat die Hälfte der Referenzländer einen statistisch signifikant höheren Wert.

Betrachtet man nur die Young Entrepreneurs (die also schon gegründet haben), erwarten 63%, dass sie auch Umsätze im Ausland haben werden. Bei lediglich 3% dieser Young Entrepreneurs sind dies erwartet sogar mehr als drei Viertel des Gesamtumsatzes. Bezieht man diesen Indikator statt auf Young Entrepreneurs auf alle TEA-Gründungen, sinkt er auf 2%. Beide letztgenannten Werte sind 2017 für nahezu alle innovationsbasierten Länder höher, nicht nur für ökonomisch starke, relativ kleine und daher sehr häufig auf den Export angewiesene Volkswirtschaften wie Luxemburg oder die Schweiz. Dieser enttäuschend niedrige Wert sollte jedoch nicht überbewertet werden, denn noch in den Vorjahren lag er in Deutschland wesentlich höher.

Betrachtet man statt des TEA-Wertes (der natürlich auch von der zwischen den Ländern stark differierenden TEA-Quote insgesamt geprägt wird) den Anteil dieser (erwartet) exportstarken Gründungen an allen TEA-Gründungen, dann erfüllen 2017 lediglich 2% der TEA-Gründungen in Deutschland das genannte Kriterium von mehr als 75% Auslandsumsatz. Dies ist der geringste Wert unter den innovationsbasierten Volkswirtschaften.

Die Werte der meistgenannten Variablen zum Exportanteil am Umsatz korrelieren stark und positiv mit anderen Merkmalen wachstumsorientierter Gründungen und Gründer, wie z. B. der Erwartung, viele Arbeitsplätze in den kommenden fünf Jahren zu schaffen oder besonders wissensintensive Produkte herzustellen.

Abb. 15: Gründungen (TEA) mit mindestens 50% Auslandsumsatz jetzt oder in fünf Jahren in Prozent aller 18-64-Jährigen in den 24 innovationsbasierten GEM-Ländern 2017

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