Der Gründungsstandort Deutschland im internationalen Vergleich

Durch das international abgestimmte und standardisierte Erhebungsdesign des GEM ist es möglich, länderübergreifende Vergleiche spezifischer Rahmenbedingungen vorzunehmen. Diese erlauben eine Bestätigung bzw. Relativierung der von den deutschen Experten identifizierten Stärken und Schwächen. Als Vergleichsländer werden 24 Länder herangezogen, deren Wirtschaftssystem ebenfalls als „innovationsbasiert“ eingestuft wurden und für die NES-Daten für 2017 vorliegen. Die Einschätzungen der Rahmenbedingungen in den Vergleichsländern basieren auf den Urteilen und Antworten der jeweils in dem entsprechenden Land befragten Experten (vgl. Abb. 34).

Insgesamt umfasst der internationale Vergleich 12 gründungsbezogene Rahmenbedingungen. In Deutschland werden insbesondere die Rahmenbedingungen „Öffentliche Förderprogramme“ sowie „Berater und Zulieferer“ im Vergleich zu den Referenzländern deutlich besser eingeschätzt. Beide Rahmenbedingungen sind Teil der Unterstützungslandschaft für Gründungen und neue Unternehmen, die sich durch ein effektives Zusammenspiel zwischen öffentlichen und privaten Initiativen kennzeichnet. Diese Unterstützungslandschaft ist ein wichtiges Element regionaler Gründerökosysteme (vgl. Zinke et al. 2018).

Bemerkenswert ist das Ergebnis für die „physische Infrastruktur“. Diese gründungsbezogene Rahmenbedingung wurde von Seiten der deutschen Experten mit Abstand am besten bewertet (vgl. Kapitel 6). Im internationalen Vergleich liegt Deutschland jedoch leicht unterhalb des Mittelwertes der innovationsbasierten Länder. Eine der vermeintlich größten Stärken des Gründungsstandortes Deutschland führt somit nicht zu einem komparativen Vorteil. Ein Grund könnte die im internationalen Vergleich relativ niedrige Übertragungsgeschwindigkeit bei der Internetkommunikation sein. Darüber hinaus ist eine Reihe von ländlichen Regionen nach wie vor nicht an das leistungsfähige Breitbandnetz angeschlossen.

Ein Grund zur Sorge bereitet die schlechte Einschätzung der Gründungskultur (gesellschaftliche Werte und Normen) sowie der Gründungsausbildung. Es ist besonders kritisch, dass der Gründungsstandort Deutschland bei seinen größten absoluten Schwächen auch im internationalen Vergleich deutlich zurückliegt. Der Handlungsbedarf im Bereich „Entrepreneurship Education“ wird durch diese Ergebnisse zusätzlich unterstrichen.

Abb. 34: Gründungsbezogene Rahmenbedingungen Deutschlands verglichen mit den 23 innovationsbasierten Ländern 2017

Insgesamt liegen acht von zwölf bewerteten Rahmenbedingungen in Deutschland unterhalb des Mittelwerts der innovationsbasierten Länder. Der Gründungsstandort Deutschland erscheint im internationalen Vergleich somit als nicht überdurchschnittlich attraktiv. Folgende Entwicklungen sind in diesem Zusammenhang zu beachten:

  1. Insbesondere junge, innovationsorientierte Unternehmen sind zunehmend bereit ihren Standort international zu verlagern, wenn die Umfeldund Rahmenbedingungen aus Sicht der Gründer günstig sind (vgl. Thannhuber et al. 2016).
  2. Weltweit entstehen immer mehr regionale Gründerökosysteme. Hieraus resultiert ein internationaler Wettbewerb um die besten Startups (vgl. Gauthier et al. 2018).

Zur erfolgreichen Positionierung des Gründungsstandortes Deutschland gilt es, konkrete Maßnahmen zur Verbesserung der Rahmenbedingungen zu entwickeln und umzusetzen. Die hierfür benötigten Zeithorizonte können je nach Rahmenbedingung stark variieren. Eine stärkere Gründungsorientierung im Rahmen der schulischen Ausbildung würde ihre Wirkung vermutlich erst in langfristiger Sicht zeigen. In anderen Bereichen wie der Finanzierung sind schnellere Erfolge wahrscheinlich. Anhand der Ergebnisse der Bevölkerungs- und Expertenbefragung wurden zentrale Handlungsempfehlungen abgeleitet. Diese werden im nachfolgenden Kapitel 8 erläutert.