Die Gründerszene und ihre Netzwerke
Gründerpersonen und Startups sind die wichtigsten Akteure der Gründerszene. Sie helfen sich gegenseitig und erhalten zusätzliche Unterstützung durch weitere Beteiligte des Gründerökosystems. Das Engagement erfolgreicher und erfahrener Gründerinnen und Gründer innerhalb der Gründerszene ist dabei besonders wertvoll: Sie entwickeln die Netzwerke weiter, sorgen als Investoren für Kapital und promoten durch ihr Auftreten in der Öffentlichkeit die Szene. Hieraus entsteht eine Dynamik des „Gebens und Nehmens“ von der langfristig alle profitieren.
Die Gründerszene im Rhein-Main-Gebiet wird im Allgemeinen als sehr jung und überschaubar eingeschätzt. Nichtsdestotrotz haben die meisten Gründer den Eindruck, dass sich langsam etwas entwickelt. Man kenne, helfe und tausche sich untereinander aus. Es gibt diverse Veranstaltungen wie Meetups, Roundtables und Pitch-Veranstaltungen. Mittlerweile haben sich auch regelmäßig stattfindende private Stammtische etabliert, die von Gründerinnen und Gründern aus unterschiedlichen Branchen besucht werden. Obgleich der gesamte Rahmen, besonders im Vergleich zu Berlin, als „klein, aber fein“ betrachtet wird, erscheint die Szene generell als sehr offen, hilfsbereit und kollegial. Bei den drei betrachteten Branchen gibt es aber noch Ausbaupotenzial. Speziell im Webamp; Mobile-Segment besteht bei den Netzwerken und der Community, nach Aussagen der Startups, der größte Handlungsbedarf. Weiterhin ist die Zahl erfolgreicher Gründungen im Rhein-Main-Gebiet noch überschaubar. In der Region fehlen außerdem spannende ExitBeispiele oder Börsengänge. Die Zahl an Vorbildern sowie Mentoren, welche durch ihre Erfahrungen die Community vorantreiben könnten, ist noch relativ klein.
Diese gegenseitige Befruchtung, die man sich immer wünscht, gibt es in Amerika natürlich viel mehr, weil die Menschen dort Startups gegenüber deutlich offener sind als hier. (Beispielzitat aus den Interviews)
Wir haben uns ausgetauscht und beschlossen, dass wir langfristig kooperieren wollen. Bis jetzt ist aber noch nichts Konkretes herausgekommen, was aber auch daran liegen könnte, dass jeder zunächst für sich selbst kämpft. (Beispielzitat aus den Interviews)
Kooperationsverhalten und Kooperationsmöglichkeiten
- Der Großteil der befragten Gründerinnen und Gründer besucht maximal ein bis zwei Startup-Events pro Monat.
- Die Befragungen zeigen, dass sich die meisten Startups ein- bis zweimal die Woche untereinander austauschen. Der Austausch findet überwiegend mit Partnern des gleichen BusinessSegments statt.
- Startups tauschen sich vor allem über die „klassischen Problemthemen“ wie Personalbeschaffung und Finanzierung aus.
- Grundsätzlich sind Startups gegenüber Kooperationen aufgeschlossen, jedoch wolle man oftmals seine Ressourcen zu Beginn für die eigene Unternehmensentwicklung verwenden.
- Partiell wird das vorsichtige Kooperationsverhalten durch den hohen Wettbewerb begründet, insbesondere mit dem Druck, Kunden akquirieren zu müssen.
- Einzelne Startups agieren zurückhaltend in Bezug auf Networking und Kooperationen, was sich in der Absage von Pitch-Möglichkeiten widerspiegelt.
- Es fehlt an kreativen Elementen in Frankfurt und der Region. Es gibt bisher zu wenig Anlaufpunkte, wie Cafés oder Bars, an denen sich kreative, junge Leute begegnen können.
Netzwerkstrukturen
Abbildung 6 zeigt die Verbindungen und Netzwerke zwischen den betrachteten Gründungen und den dazugehörigen Organisationen in der Rhein-Main-Region. Mit den grünen Kreisen sind Personen (Gründerinnen und Gründer) gemeint, die Quadrate stellen Organisationen dar. Hierbei wird außerdem zwischen Universitäten/Fachhochschulen, Startups und Corporates unterschieden. Es handelt sich um Startups und Unternehmen, bei denen die Gründerpersonen tätig waren oder aktuell beschäftigt sind, oder um Universitäten und Hochschulen, an denen sie studiert haben. Die Größe der Kreise und Quadrate drückt die Anzahl der Verbindungen aus. Je mehr Verbindungen die Person oder Organisation zu anderen Akteuren des Netzwerks hat, desto größer ist das Symbol. In der Abbildung bestehen mindestens zwei Verbindungen zwischen den Akteuren.
Betrachtet man die abgebildete Struktur, erkennt man, wie die Akteure miteinander verbunden sind. Hieraus ergeben sich folgende Implikationen:
- Personen mit einer guten Vernetzung sind für eine regionale Gründerszene von besonderer Bedeutung. Die Darstellung zeigt aber, dass lediglich eine kleinere Zahl von Personen sehr gut vernetzt ist. Hier hat die Gründerszene in der Rhein-Main-Region noch Nachholbedarf. Die Interpretation wird durch die Aussagen der Gründerpersonen in den Interviews bestärkt.
- Des Weiteren lässt sich auf die Bedeutung von etablierten Unternehmen für die Gründung schließen. Zahlreiche Gründerinnen und Gründer sind über diese Unternehmen und ihr eigenes Startup vernetzt. Das könnte heißen, dass sie vor der gemeinsamen Gründung beim gleichen Unternehmen tätig waren und sich von dort bereits kennen. Dasselbe Phänomen lässt sich auch bei den besuchten Universitäten feststellen. Besteht eine Verbindung der Gründerpersonen eines Startups über die gleiche Universität, so kann das bedeuten, dass sie sich aus dem gemeinsamen Studium kennen. Bei der genaueren Analyse der Daten lässt sich exakt dieser Zusammenhang beobachten. Viele der Gründerinnen und Gründer haben gemeinsam studiert, zum Teil das gleiche Studienfach oder waren beim gleichen Unternehmen tätig, bevor sie begannen, gemeinsam eine Geschäftsidee umzusetzen.
- In der Darstellung spiegelt sich die große Dominanz der Goethe-Universität in Frankfurt wider. Die Goethe-Universität hat offensichtlich eine zentrale Rolle im Netzwerk. Sie ist ein entscheidender Verbindungsknoten der Gründerszene in der Rhein-Main-Region. In den Interviews mit Startup-Gründern wird außerdem die TU Darmstadt häufig als wichtige Institution des Gründerökosystems der Rhein-Main-Region genannt. Diese Bedeutung lässt sich aus dem für die Soziale Netzwerkanalyse verwendeten Sample jedoch nicht herauslesen. In diesem Zusammenhang spielt die Auswahl der untersuchten Gründerpersonen eine wesentliche Rolle (siehe 5.2 Soziale Netzwerkanalyse).
- Bisher hat es die Region nicht geschafft, in signifikanter Zahl Startup-Gründungen, Investoren oder weitere Ressourcen aus anderen Regionen oder aus dem Ausland anzuziehen. Im Hinblick auf das Lebenszyklusmodell ist die Rhein-MainRegion bisher vor allem durch ein organisches Wachstum geprägt und befindet sich demnach noch an der Schnittstelle zwischen Aktivierungsund Aufstiegsphase.
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