Entwicklungszyklen von Gründerökosystemen

Die Entwicklung von Gründerökosystemen ist durch einen charakteristischen Lebenszyklus gekennzeichnet. Dieser umfasst vier Phasen, wie auch Abbildung 2 zeigt:
1. Aufstieg, 2. Aktivierung, 3. Integration, 4. Reife (vgl. COMPASS 2015). Es handelt sich hierbei um einen idealtypischen Verlauf, der bei einer Vielzahl von Gründerökosystemen beobachtet werden konnte.

Aufstieg

Die Aufstiegsphase ist die erste Phase im Lebenszyklus. In dieser Etappe entwickelt sich ein regionales Bewusstsein für die Akteure, Elemente und Ressourcen eines Gründerökosystems. Zu diesem Zeitpunkt geht es um folgende Fragestellungen: Welche Potenziale sind vorhanden? Welche Programme gibt es für Gründer? Und wie ist das Zusammenspiel der Akteure bisher organisiert?

Das Startup-Ecosystem oder Gründerökosystem ist zu Beginn durch ein langsames Wachstum charakterisiert. Kennzeichnend ist außerdem ein organisches Wachstum. Das heißt, die Ressourcen für die Entwicklung stammen aus der Region selbst. Hieraus begründen sich auch die limitierenden Faktoren. Durch die frühe Phase der Entwicklung stehen eine Reihe kritischer Ressourcen wie Kapital, Räumlichkeiten und Know-how nur in begrenztem Umfang zur Verfügung. Als wesentlicher Entwicklungsfaktor gilt eine beharrliche und visionäre Community an Gründerpersonen, die trotz der beschränkten Verfügbarkeit von Ressourcen und wenig Unterstützung das Ziel haben, erfolgreiche technologieorientierte Startups am Markt zu etablieren. Das regelmäßige Durchführen von regionalen Events – wie Konferenzen, Meetups und Startup-Weekends – stellt einen vielversprechenden Ansatz dar, um eine dynamische Gründerszene zu entwickeln. Die Möglichkeit von Face-to-Face-Kontakten, die Entwicklung von Geschäfts- und persönlichen Beziehungen und die Entstehung von Vertrauensmomenten sind wichtige Voraussetzungen für die Entfaltung einer starken Gründerszene. Gegenseitige Unterstützung der Startups gilt als prägendes Element.

Aktivierung

Die Aktivierungsphase ist durch die Etablierung und Institutionalisierung der Kernkomponenten eines Gründerökosystems gekennzeichnet. Die zunehmende Vernetzung der regionalen Stakeholder ist hierbei von besonderer Bedeutung. Aber auch der Aufbau von Verbindungen zu anderen führenden Ökosystemen ist wichtig, um den internationalen Austausch zu stärken. Das Wachstum in dieser Phase basiert auf dem Einsatz regionaler Ressourcen. Wesentliche Kennzeichen der Entwicklung sind größere Finanzierungsrunden oder auch erfolgreiche Exits von Startups. Im Zuge der Aktivierungsphase wachsen Gründerökosysteme nicht so schnell wie in der darauffolgenden Phase des Lebenszyklus – der Integrationsphase. Aber aufgrund der zunehmenden Dynamik durch den Einsatz endogener Ressourcen in Kombination mit einer stärkeren Entrepreneurship-Orientierung ist das Wachstum in der Regel schneller als in der vierten Phase des Lebenszyklus – der Reifephase.

Integration

Die Integrationsphase eines Gründerökosystems ist durch Erfolgsgeschichten und großvolumige Exits gekennzeichnet. Es entsteht eine Art „Gravitationsmoment“, also eine Anziehungskraft auf regionale, nationale und internationale Akteure und Ressourcen. Die Integrationsphase kann je nach Stärke oder räumlicher Reichweite der Anziehungskraft in zwei unterschiedliche Subphasen unterteilt werden: eine „regionale und nationale Integrationsphase“ sowie in eine „internationale Integrationsphase“.

Regionale und nationale Integration: Der Übergang eines Gründerökosystems von der Aktivierungsphase in die Integrationsphase wird durch mehrere kleinere oder mittelgroße Exits (100 bis 500 Millionen Euro) definiert. Diese sind auf nationaler Ebene einzigartig und schaffen so öffentliche Aufmerksamkeit. Die Integrationsphase ist durch ein Wachstum gekennzeichnet, das nicht nur auf regionalen Potenzialen beruht. Talente, Kapital und weitere Ressourcen werden aus anderen Regionen angezogen. Das Ausmaß, in dem dieser Prozess der Anziehung von Talenten und Kapitalströmen erfolgt, wird in erster Linie durch die Standortverlagerung von Startups und der Etablierung von Zweigstellen von Venture-Capital-Gesellschaften bestimmt. Je mehr entwickelte Gründerökosysteme in einer Region oder einem Land vorhanden sind, umso höher ist die Hürde für den Übergang von der Aktivierungsphase in die Integrationsphase, denn es entsteht eine Konkurrenzsituation um Ressourcen für das weitere Wachstum.

Internationale Integration: Der wesentliche Treiber für die Entwicklung eines Gründerökosystems von der regionalen und nationalen Integrationsphase hin zur einer internationalen Integrationsphase sind eine Reihe von sehr großen Exits, beispielsweise vier bis sechs Unternehmen mit einer Bewertung von über eine Milliarde US-Dollar. Sobald diese Evaluierungsschwelle überschritten wird, spricht man bei Startups auch von einem „unicorn“. Auf der Stufe der internationalen Integration wird eine neue Wachstumsqualität erreicht. Startups stellen den wichtigsten Motor für eine dynamische regionalwirtschaftliche Entwicklung dar, und das global orientierte Gründerökosystem bewegt sich auf einem dynamischen Expansionskurs.

Reifephase

Im Laufe der Zeit erreicht ein Gründerökosystem eine Größe, die durch ein organisches Wachstum allein nicht möglich gewesen wäre. Der Eintritt in die Reifephase deutet sich durch die (zwangsläufige) Abnahme der relativen Wachstumsraten an. Der Zufluss an Ressourcen hat hinsichtlich der wichtigsten Faktoren, Institutionen und Akteure zu einem ausbalancierten Gründerökosystem geführt. Gründerökosysteme entwickeln sich aus einer der beiden Integrationsphasen hin zur Reifephase. Dementsprechend kann auch auf dieser höchsten Entwicklungsstufe zwischen einer regionalen und nationalen Reifephase sowie einer internationalen Reifephase unterschieden werden. Es besteht eine eindeutige Beziehung zwischen dem Alter und der Wachstumsgeschwindigkeit eines Ökosystems. Gründerökosysteme, die den Übergang von der internationalen Integrationsphase in die Reifephase vollzogen haben, weisen relativ niedrige Wachstumsraten auf.