Einführung

Einführung

Das Fachkräftethema ist in aller Munde. Es bedeutet für viele Unternehmen, dass sich ein wichtiger Einkaufsmarkt – der Arbeitsmarkt – verändert. Das ist eigentlich nichts Neues: Beschaffungsmärkte ändern sich immer wieder. Damit sind Unternehmen gewohnt umzugehen – ganz normale Marktwirtschaft eben.

Dennoch werfen veränderte Arbeitsmärkte einige besondere Probleme auf und erfordern Kompetenzen, die im Personalmanagement kleiner und mittlerer Unternehmen oft fehlen. In vielen Unternehmen ist Personalarbeit bislang kaum mehr als Personalverwaltung, die damit überfordert ist, sich professionell als Einkäufer auf den für das Unternehmen relevanten Arbeitsmärkten zu positionieren oder gar neue Arbeitsmarktsegmente zu erschließen.

Auch wenn weder heute noch in Zukunft von einem absoluten Mangel an erwerbsfähigen Personen gesprochen werden kann, bewirken die Veränderungen des Arbeitsmarktes zumindest vor allem eines – und das voraussichtlich auf Dauer: Es wird für immer mehr Unternehmen immer schwieriger, die für sie passenden Mitarbeiter (auch Auszubildenden) zu finden. Und das erschwert sich umso mehr, je spezieller der Wettbewerbsvorteil bzw. das Alleinstellungsmerkmal und damit das Kompetenzprofil eines Unternehmens ist.

Es bleibt häufig nichts anderes übrig, als die zweitbeste oder gar drittbeste "Lösung" einzukaufen. Mit der Folge, dass der Aufbau der Personalpotenziale nicht nur mehr Geld kostet, sondern vor allem auch immer mehr Zeit benötigt und dabei riskanter wird, weil ein Teil der "guten Leute" womöglich abspringt. Und wenn ein Unternehmen dann, oft nach einigen Jahren, die passenden Leute gefunden, aufgebaut hat und sie im Unternehmen bleiben – werden sie dann überhaupt noch gebraucht?

Personalaufbau benötigt heute also mehr und riskantere Investitionen als früher:

  • Ein mittelständisches Unternehmen sieht sich auf einmal veranlasst, einen Personalreferenten für Personalmarketing oder Personalentwicklung einzustellen;
  • Ein mittelständisches Unternehmen richtet eine Fachlaufbahn ein, um seine Fachkräfte besser zu binden;
  • ...

Woher nimmt man die Sicherheit, dass diese Investitionen sich jemals amortisieren werden? Schließlich verschieben sich die Zeithorizonte des Aufbaus der benötigten Personalressourcen immer weiter in die Zukunft:

  • Bis ein Auszubildender als Fachkraft mehr Geld erwirtschaftet, als er kostet, können Jahre vergehen – mit dem heutzutage größeren Risiko, dass er das Unternehmen wieder verlässt.
  • Bis ein Quereinsteiger die notwendigen Anforderungen beherrscht, vergeht heutzutage ebenfalls mehr Zeit, als man das von früher kennt.
  • Bis ein Fachhochschulabsolvent (wenn man ihn denn endlich gefunden hat) seinen Job mit oft sehr speziellen Anforderungen, für die er ggf. gar nicht ausgebildet wurde, beherrscht, können ebenfalls Jahre vergehen.
  • ...

Gleichzeitig wird die Zeit, die Unternehmen zur Verfügung haben, um ihre Absatzmärkte zu bedienen, immer kürzer. "time to market" ist ein zunehmend wichtiger Wettbewerbsfaktor. Oder, wie es so treffend heißt: Nicht die Besten gewinnen, sondern die Schnellsten.

Mit diesem Dilemma kann man nur strategisch angemessen umgehen, zum Beispiel mit Hilfe einer strategischen Personalplanung (siehe auch Abschnitt 3.1 und RKW Baden-Württemberg: Strategische Personalplanung in mittelständischen Unternehmen, 2013).

Es geht also nicht nur um mehr Einkäuferprofessionalität der Personalverantwortlichen, sondern vor allem auch um den Aufbau von Strukturen, (Planungs-)Systematiken, Attraktivitätsmodellen, Kommunikationskulturen ..., die es Unternehmen ermöglichen, die sehr unterschiedlichen Zeithorizonte beim Aufbau ihrer gegenwärtigen und zukünftigen Erfolgspotenziale (Schlüsselkräfte, wettbewerbsrelevante Jobfamilien, Marktpositionen etc.) und die damit verbundenen Risiken besser zu koordinieren.

Die Zeitdimension, also eine Unternehmensstrategie, spielt die entscheidende Rolle: Was müssen wir heute entscheiden, damit wir auch in Zukunft noch am Markt erfolgreich sind? Oder aus der Zukunftsperspektive betrachtet: Personalengpässe von morgen haben fast immer heute versäumte personalwirtschaftliche Vorsteuerungen bzw. entsprechende Entscheidungen als Ursache.

Die vorliegenden Praxismaterialien 4 beschreiben meist sehr einfache Beispiele aus kleinen und mittleren Unternehmen: Notfallpläne, Frühwarnsysteme, Personalplanungsbeispiele, Kennzahlen oder Flexibilitätsmodelle, an denen sichtbar wird, dass eine strategische Aufstellung für ein kleines Unternehmen keine besondere Kunst ist.