Einarbeitungs- und Vorlaufzeiten produktiv nutzen: Berufsausbildung im Kfz-Gewerbe

Einarbeitungs- und Vorlaufzeiten produktiv nutzen: Berufsausbildung im Kfz-Gewerbe

Der Fachkräftebedarf wird in vielen Unternehmen, gerade auch im Handwerk, traditionell weitestgehend durch eigene Ausbildung gedeckt. Daher ist es sinnvoll, die Beschäftigtengruppe der Auszubildenden in die Planung des Personalstamms aufzunehmen – und das nicht nur zum Zeitpunkt der unternehmerischen Entscheidung, ob und in welchem Umfang und Bereichen ausgebildet wird. Sondern auch wenn die Ausbildung in vollem Gang ist, lohnt sich ein Blick auf die Entwicklung der Auszubildenden: Wo liegen ihre Stärken? Wo könnten wir sie am Ende der Ausbildung am besten einsetzen? Wen wollen wir übernehmen? Denn ohne eine strategisch orientierte Ausbildung im Sinne des absehbaren Fachkräftebedarfs bleiben viele Ausbildungsinhalte blanke Theorie.

Eine weitere wichtige Frage ist:

Wie nutzen wir die Zeit möglichst produktiv, bis unsere Auszubildenden "vollumfänglich selbstständig arbeitende Beschäftigte" sind?

Schließlich ist die dafür notwendige "Vorlaufzeit" ein wesentlicher Unterschied zu "Anlern-Arbeitsplätzen" in der Industrie: Eine Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker im Kraftfahrzeuggewerbe dauert beispielsweise in der Regel dreieinhalb Jahre. Danach endet die Ausbildungszeit und die Gesellenprüfung wird abgelegt. Die Praxis allerdings zeigt: selbst ausgelernte Gesellen sind noch nicht in der Lage, wirklich eigenständig alle erforderlichen Arbeiten an Kraftfahrzeugen durchzuführen. Die Gefahrgeneigtheit des Kfz-Berufes und die zunehmend komplexer werdenden Sicherheitsanforderungen an die Wartung und Instandhaltung von modernen Kraftfahrzeugen spielen dabei eine wesentliche Rolle.

Vergleichbar ist das durchaus mit dem Erwerb des Führerscheins. Wer ihn gerade bekommen hat, ist nicht automatisch ein erfahrener Kraftfahrer. Dazu ist in der Regel weitere Fahrpraxis erforderlich. Im übertragenen Sinn heißt das für das Kraftfahrzeuggewerbe: Ein "ausgebildeter" Kfz-Mechatroniker benötigt nach erfolgreich abgelegter Gesellenprüfung noch gut ein bis zwei Jahre Berufspraxis, um wirklich fit in seinem erlernten Beruf zu sein.

Das stellt Ausbildungsbetriebe vor die Aufgabe, Vorlaufzeiten von etwa fünf Jahren für die Personalplanung zu berücksichtigen – gerade für kleine und mittlere Unternehmen im Handwerk eine enorme Herausforderung, da selten in diesen langen Zyklen gedacht und geplant wird. Die Ausbildung eines Kfz-Mechatronikers ist für den Betrieb eine große Investition. Sie soll sich möglichst früh, idealerweise schon während der Ausbildungszeit, lohnen.

Ein Beispiel aus einer Oldtimerwerkstatt:

Zur Vorbereitung von Karosseriearbeiten werden die komplett zerlegten Fahrzeuge in einer Sandstrahlanlage bis auf das blanke Metall abgestrahlt – nur so wird genügend Rost beseitigt und eine Schadensbeurteilung möglich. Diese Arbeit wird mit Schutzausrüstung ausgeführt, d. h. mit einem Ganzkörperschutzanzug, einem Helm mit Sichtschutz und einer Atemmaske mit Frischluftzufuhr. Es ist eine sehr staubige und schmutzige Arbeit, die bei den Festangestellten nicht unbedingt zu den Wunscharbeiten zählt. Andererseits ist diese Arbeit aber in hohem Maße produktiv, da die Arbeitsleistung klar erfasst und berechnet werden kann und darüber hinaus einen guten Ertrag bietet. Die Einarbeitungszeit, auch für Berufseinsteiger oder Ungelernte, liegt bei ungefähr einer Woche und ist damit nach einer ausführlichen Sicherheitsunterweisung auch für relativ neue Auszubildende als Tätigkeit geeignet.

Es ergeben sich dadurch mehrere Vorteile:

  • Die Auszubildenden sind von der zweiten Woche an produktiv.
  • Sie generieren damit einen Ertrag, der zusätzliche innerbetriebliche Ausbildungszeiten durch den Ausbildungsmeister möglich macht, da seine Ausfallzeiten ausgeglichen werden. Die Erfahrungsträger können die gewonnene Zeit darauf verwenden, ihr kostbares Wissen weiterzugeben – ohne Produktivitätsverlust. Der Auszubildende „erarbeitet“ sich quasi zusätzliche betriebliche Ausbildungszeit, die der Qualität der Ausbildung zugute kommt.
  • Die Auszubildenden lernen durch die Strahlarbeiten die Karosserie eines Fahrzeugs perfekt kennen. Das kommt der weiteren Ausbildung zu Gute, gerade im Karosseriebau. Außerdem erwerben sie wichtige Kenntnisse über Materialzusammensetzung und Aufbau von Fahrzeuglackierungen in früheren Zeiten, Unterbodenschutz und Altreparaturen.
  • Fast alle Abteilungen benötigen die innerbetriebliche „Dienstleistung“ des Sandstrahlens: Die Karosseriebauer benötigen gestrahlte Karosserien oder Anbauteile, der Motorenbauer will Motorverblechungen gestrahlt haben, der Sattler seine Verdeckgestänge, … Damit werden die Auszubildenden schnell zu gefragten Mitarbeitern im Betrieb. Das fördert ihre Integration und Motivation.