3. Schritt: Organisieren Sie die Arbeit lernförderlich

Damit die gewünschten Lerneffekte eintreten, sollten Sie klären, wer wen anlernt, wer wen unterstützt etc. Die Mitarbeiter sollten räumlich nah beieinander arbeiten. Der Anleitende sollte dafür Zeit haben. Fragen Sie nach einiger Zeit nach, ob Fortschritte erzielt wurden, und passen Sie die Maßnahmen eventuell an.

In Organisationen, in denen Mitarbeiter einfache und monotone Tätigkeiten mit wenig Abwechslung durchführen müssen und wo gegebenenfalls auch enge Taktvorgaben vorherrschen, ist es sinnvoll, auf die bewährten Konzepte Job Enrichment, Job Rotation und Job Enlargement zurückzugreifen.

Anreicherung der Arbeitsaufgaben (Job Enrichment)

Bei solchen Maßnahmen ergänzen Sie durchführende Tätigkeiten um Aufgaben mit höherem Anforderungsniveau. Einfache Produktionstätigkeiten können Sie zum Beispiel um planende Funktionen, Qualitätssicherungstätigkeiten sowie auch Aufgaben der Prozesssteuerung erweitern. Auch die Sachbearbeitung in kaufmännisch-verwaltenden Bereichen lässt sich durch Aufgaben der Kommunikation mit Kunden oder der Kostenrechnung anreichern. Mitanspruchsvolleren Arbeiten sind für die Mitarbeiter mehr Zuständigkeiten verbunden. Damit erhöhen Sie die Entscheidungsspielräume für die Mitarbeiter vor Ort. Wenn Sie mit der Anreicherung der Arbeitsaufgaben das Prozessverständnis Ihrer Mitarbeiter verbessern, können diese die Abläufe besser steuern und flexibel auf Anforderungen reagieren.

Dieses Instrument eignet sich sehr gut für ältere Mitarbeiter: Geistig anregende und lernhaltige Arbeitsaufgaben verhindern Lernentwöhnung und bieten die Voraussetzung dafür, dass sich Ihre Mitarbeiter in ihrem gesamten Erwerbsverlauf beruflich weiterentwickeln und neue Anforderungen kreativ bewältigen. Beachten Sie dabei: Arbeitsaufgaben sollen herausfordern aber nicht überfordern! Einer fachlichen Überforderung können Sie am besten durch praxisnahe und passgenaue Qualifizierungsangebote entgegentreten (siehe auch arbeitsprozessnahe Weiterbildung). Vermeiden Sie auch eine Überforderung durch die Menge an Aufgaben und enge Vorgabezeiten. Es kommt zu Stress durch Zeitdruck und Multitasking, wenn mehrere Aufgaben gleichzeitig zu erfüllen sind. Die gewonnenen Handlungsspielräume werden dadurch regelrecht unterhöhlt. Schaffen Sie am besten im Gespräch mit den betroffenen Mitarbeitern angemessene Spielräume für eine selbstbestimmte Zeiteinteilung, einschließlich der Möglichkeit, Pausen selbst wählen zu können.

Nehmen Sie auf die Belange älterer und leistungsgewandelter Mitarbeiter Rücksicht. Ältere Menschen können in der Regel Informationen weniger schnell verarbeiten. Im Gegenzug gewinnen sie hinsichtlich Erfahrung und Urteilsfähigkeit. Zeitund Handlungsspielräume sind vor diesem Hintergrund für Ältere besonders wichtig. Sie wirken dem Stress entgegen und ermöglichen es, Belastungen auszugleichen und mit Hilfe ihrer Arbeitserfahrungen das Vorgehen bei der Arbeit zu optimieren.

Beispiel: Handlungsspielräume bei genau definierten Prozessstandards bei der Optikron GmbH

Die Firma Optikron beschäftigt 16 Mitarbeiter und produziert mikrooptische Komponenten, die zum Beispiel in Sonden für medizinische Untersuchungen eingesetzt werden. Die Ingenieure und qualifizierten Facharbeiter müssen in der Produktion hohe Präzisionsanforderungen erfüllen. Dies erfordert eine gute Balance zwischen der Einhaltung von Verfahrensstandards zum einen sowie Handlungsspielräumen zum anderen.

Der Geschäftsführer schildert, welche Lösungen die Firma in diesem Spannungsverhältnis gefunden hat: „Es gibt Prozesse, wo über viele Jahre Erfahrungen gesammelt wurden, die zu extrem gut etablierten Prozessvarianten geführt haben, und wo man sicher ist, dass bereits kleine Abweichungenzu Schäden führen (die man nicht gleich sieht). Da wäre eine im Einzelschritt vielleicht berechtige Kreativität für das Gesamtergebnis falsch.“

Allerdings können die Beschäftigten einen gewissen Einfluss darauf nehmen, welche Tätigkeiten sie wann machen. Dies gilt am Beispiel der mechanischen Fertigung von Linsen bei den Operationen Kitten, Anschleifen, Messen. Diese Gestaltungsmöglichkeiten erlauben dem einzelnen Beschäftigten eine Selbstorganisation zum Ausgleich körperlicher Belastungen und um eigenen Vorstellungen, was sinnvoll ist, nachzukommen. Die Selbsteinteilung ist prinzipiell dann möglich, wenn die Reihenfolge nicht kritisch ist. Die Orientierungsmarke bildet das Tagesziel bzw. das Arbeitspaket.

Aufgabenvielfalt durch Tätigkeitswechsel in Teams (Job Rotation und Job Enlargement)

Lernförderliche Arbeit sowie ein vielseitig einsetzbares und flexibles Personal können Sie auch durch einen systematischen Tätigkeitswechsel erreichen. Was bei Handwerkern Standard ist, lässt sich in der industriellen Fertigung über Gruppenarbeitslösungen realisieren. Sie bringen für die Mitarbeiter vielfältigere Tätigkeiten und sorgen für Abwechslung. Damit der Effekt der Lernförderlichkeit und geistigen Anregung tatsächlich eintritt, sollten Sie dafür sorgen, dass Ihre Mitarbeiter auch geistige Anforderungen erfüllen. Dies bedeutet, dass nicht nur wechselnde Handgriffe nach strikten Vorgaben in kurzen Zyklen durchzuführen sind, sondern zum Beispiel Aufgaben in der Qualitätssicherung mit übernommen werden.

Wie Sie Job Rotation einführen und gestalten können, erfahren Sie im Leitfaden 2 „Gesund arbeiten“.

Mitarbeiter beteiligen

Der Kontakt und der Austausch mit Arbeitskollegen spielen für das Lernen bei der Arbeit und für die Förderung sozialer Kompetenzen eine große Rolle. Schaffen Sie im Umfeld der alltäglichen operativen Tätigkeiten zeitliche und organisatorische Spielräume zur Kommunikation in den Arbeitsbereichen und in den Teams. Ihre Mitarbeiter können diese zur Auseinandersetzung mit fachlichen und organisatorischen Anforderungen der Arbeit nutzen und Möglichkeiten zur Optimierung von Abläufen diskutieren.

  • Die Beschäftigten entwickeln dabei zum einen ihre Kompetenzen und bringen zum anderen ihre intimen Kenntnisse und Erfahrungen mit den Prozessen ein. Damit handeln sie nicht nur als Empfänger von Weisungen, sondern nehmen an der Fortentwicklung des Unternehmens teil.
  • Möglichkeiten für Kommunikation und Beteiligung bilden beispielsweise Gespräche zum Schichtbeginn sowie regelmäßige von Teamsprechern moderierte Teamsitzungen mit planenden und problemlösenden Inhalten (siehe auch Leitfaden 3 „Miteinander reden“).
  • Besonders zu empfehlen ist es, die Mitarbeiter bei der Planung und Durchführung weitreichender Reorganisationsund Modernisierungsprojekte zu beteiligen. Damit ist nicht nur sichergestellt, dass sie die Neuerungen akzeptieren. Die Mitarbeiter können sich dabei neue Kenntnisse aneignen und die Lösungen auf eigene Bedürfnisse und betriebliche Effizienzziele zuschneiden. Dies gilt, wie das folgende Beispiel zeigt, gerade für die Einführung und Nutzung von Industrie 4.0Technologien.

Beispiel: Einführung von Industrie 4.0 mit Mitarbeiterbeteiligung

Die Firma Bender in Grünberg ist ein Hersteller von Sicherheitstechnik. Das Unternehmen führte Industrie 4.0 schrittweise ein. Mitte 2012 nahm das Unternehmen eine neue Produktionshalle in Betrieb. Zunächst waren die Fertigungsprozesse noch nach herkömmlichen Prinzipien gestaltet. Damit sollte ein reibungsloser Übergang zur neuen Fabrikationsstätte gewährleistet werden. Parallel dazu wurden Voraussetzungen für eine Vernetzung von Maschinen und Werkstücken geschaffen.

Neben dem Erfahrungsaustausch mit anderen Firmen beteiligte das Unternehmen die Mitarbeiter bei der Lösungssuche und nutzte deren Ideen zur Verbesserung und Automatisierung der Abläufe. Resultat war die Abschaffung einfacher, repetitiver Tätigkeiten, wie das Suchen, Rausholen, Zurückbringen, Einlagern von Werkstücken und die Anreicherung der Tätigkeiten. Verbunden war dies mit der Einführung dezentraler, sich selbst regulierender Prozesse in den Werkstätten. Das serielle Abarbeiten gro- ßer Lose gehört der Vergangenheit an. Zugleich wurden die Umlaufbestände durch den verbesserten Werkstückfluss stark reduziert. - Quelle: eBusiness-Lotse Mittelhessen (2014)