Führung ist in der Krise und das gleich dreifach, so die Hypothese im Editorial des RKW-Managementbriefs 1/2019. Das klingt zunächst einmal bedrohlich. Tatsächlich ist das Wort Krise deutlich negativ besetzt. Doch Krisen – und dies ist entscheidend – setzen auch Energien frei, die produktiv genutzt werden können. So etwa zur Selbsterneuerung: Denn eine Krise macht bekanntermaßen offensichtlich, dass es so wie bisher nicht gut weitergehen kann. Dafür braucht es keine tiefe Analyse.

Voraussetzung für eine Selbsterneuerung von Führung ist, dass man sich über die aktuelle spezifische Führungsherausforderung im Klaren ist. Was wir Ihnen anbieten möchten, ist unsere Perspektive auf die Ausgangssituation, welche Kompetenzen für Führungskräfte als Antwort darauf dienlich sein können sowie einige ganz praktische nächste Schritte.

Ausgangssituation

Viele Führungsinitiativen (getrieben durch Managementmoden – und trotz der Tatsache, dass agile Methoden in aller Munde sind) antworten auf Komplexität weiterhin mit noch mehr Komplexität und erweisen damit der eigenen Organisation einen Bärendienst. Führungskräfte sehen sich dadurch ihrer Wirksamkeit beraubt. Sie müssen mit hohem operativen Druck umgehen und fokussieren dadurch häufig auf das Kerngeschäft. Für Exploration (March 1991) und den Blick über den Tellerrand bleibt in der Regel wenig Zeit. Zu ambitioniert sind die Ziele, zu mühsam das Erreichen der KPIs, zu fordernd die vielen parallelen Projekte. Da hilft nur „wirklich ranklotzen“, vom selben immer mehr und mehr machen, damit man alles schaffen kann. Strukturelle Erschöpfung ist der Preis dafür, verbunden mit einem deutlichen (nicht zuletzt gesundheitlichen) Selbstgefährdungspotenzial der Führung (Wimmer 1995, S. 92).

Doch damit nicht genug, denn irgendwo hinten links lauert noch die Gefahr der Disruption des Heimatmarktes und des eigenen Geschäftsmodells. Da schleicht sich der Gedanke ein, dass es vielleicht gar nicht so gut ist, wenn man das Gleiche einfach immer etwas besser macht (March 1991). Man hat es ja gesehen, in anderen Branchen. Von heute auf morgen kam jemand, der hat es ganz anderes gemacht als die tradierten Unternehmen und doch die gleichen Bedürfnisse der Kunden schneller, besser und billiger getroffen - siehe die vielzitierten Beispiele von UBER, Airbnb oder auf der Negativseite Kodak und viele weitere. Häufig hat das mit der Digitalisierung zu tun, die derzeit überall mitschwingt und zusätzlich verunsichert. Natürlich freut man sich über all die kleinen digitalen Erleichterungen im Alltag. Aber einmal wirklich ausführlich darüber nachzudenken, was das mit dem eigenen Business zu tun hat und womöglich kreative Ideen zu gebären, dazu fehlt die Zeit, man muss ja Ziele erreichen. Außerdem würde eine Beschäftigung mit den digitalen Trends bedeuten, dass man ganz neu denken müsste. Womit man sich auskennt, ist die Businessplanung, jährlich, wie man sie schon immer gemacht hat. Blöderweise merkt man mehr und mehr, dass die Parameter nicht mehr passen  oder als stabil angenommen werden können. Die alten Landkarten haben scheinbar die Grenzen ihrer Wirksamkeit erreicht. Sie überholen sich so schnell, dass sich der Planungsaufwand nicht mehr lohnt. Aber woran soll man sich dann halten? Woran orientieren und was den Mitarbeitenden sagen, die genau das fordern: Orientierung und einen Sinn hinter dem Ganzen? All das ist mehr als nur Business, das geht tiefer, bewegt. Wenn Gefühle im Spiel sind, wird es gefährlich, weil analytische Mechanismen nicht mehr greifen. Was also tun?

Führungskräfte müssen aus dem Hamsterrad heraus. Sie müssen verstehen, dass die Krisen von früher einem Gefühl der Dauerkrise auf niedrigerem Level gewichen sind. Sie sind es, die die Weitsicht haben und einsehen müssen, dass weitermachen wie bisher nirgendwo hinführt –  zumindest nicht in eine erstrebenswerte Zukunft. Auf gewohnte Dinge verzichten, dafür Neues ausprobieren, experimentieren, das eigene Geschäft und die Sache der Führung neu denken. Sich selbst in Frage stellen und neue Antworten finden. Das ist die Führungsaufgabe Nummer eins dieser Tage. Was bleibt, ist die Vorbildrolle der Führung. Vorbild allerdings nicht im Sinne des klassischen Role-Models, vielmehr im Sinne von Vorreiter und Gestalter. Damit allein wäre schon genug zu tun, aber da sind ja noch die Mitarbeitenden, die sich nach Sicherheit sehnen. Die gilt es mitzunehmen auf die Reise. Da richtig und falsch nicht mehr eindeutig zu unterscheiden sind, müssen Mitarbeitende ermächtigt werden, selbst zu definieren, was im Moment ein guter nächster Schritt ist. Das geht nicht ohne Einbußen an tradierter Macht. Also weniger mächtig sein, weniger wissen, was richtig und falsch ist, und doch die überall gegenwärtige Verunsicherung inhaltlich, sozial und emotional abpuffern.

Notwendige Kompetenzen, um auf die Ausgangssituation zu antworten

Führung benötigt ein Gleichgewicht zwischen Explore und Exploit (zu deutsch etwa erkunden und verwerten): „Maintaining an appropriate balance between exploration and exploitation is a primary factor in system survival and prosperity” (March 1991, S. 71). Damit diese Balance wirksam etabliert werden kann, muss sich Führung in einem dreifachen Sinn selbst erneuern: auf der Ebene der Selbstentwicklung, der Führungsmannschaft als Team und der Führung als organisationale Leistung. Letztere muss sich anders präsentieren als in den überholten Formen der hierarchischen Kaskadenkommunikation oder rein monetär gesteuerten Ziel-, Bonifikations- und Karrierelogiken (Heitger & Schubert 2013).

Diese neue Zeit bedeutet auch, dass man sich selbst hinterfragen muss, auch wenn dieser Gedanke unbequem ist und deshalb ungern gedacht wird, denn man wird etwas finden, dass es zu verändern gilt, um Schritt zu halten – und das ist bekanntlich mit einigen Mühen verbunden. Doch in vielen Branchen heißt es gerade jetzt, grundlegend neu zu lernen, um erfolgreich zu bleiben. Betrachten wir Führung zunächst als individuelle Leistung, geht es um drei Schwerpunkte: Qualifikation, Engagement aufbauen und das eigene Selbstverständnis als Führungskraft überdenken.

Zu 1: Qualifikation heißt hier nicht nur neue Expertise aufzubauen, sondern beinhaltet auch den „halbwegs angstfreien Umgang mit Nichtwissen“ (Wimmer 2009, S. 26). Dabei über den Tellerrand schauen, Neues wagen, nicht wissen, was dabei rauskommt und trotzdem aktiv bleiben, mit Prototypen arbeiten und so lange probieren, bis es gut ist. Das ist der Spagat, der zu leisten ist. Führung hat dabei die Aufgabe, für Räume mit psychologischer Sicherheit zu sorgen, in denen Ausprobieren und Imperfektion nicht sanktioniert, sondern belohnt werden und dies immer im Rahmen einer kraftvollen Vision, die trägt: „The future will reward clarity – but punish certainty“ (Johansen 2017, S. viii).

Zu 2: Commitment war gestern – der psychologisch-materielle Kontrakt zwischen Mitarbeitenden und Führungskräften ist derzeit sensibler und auch instabiler denn je. Nicht nur in Bezug auf Kunden braucht es Fokussierung, es geht auch um eine neue Art von Mitarbeiter-Centricity: “Catering to the changing expectations and demands of today’s and tomorrow’s skilled employees is not dramatically different from what organizations everywhere are already doing today to meet the expectations and demands of their customers.” (KPMG 2018). Die Workforce von morgen – und damit sind nicht nur junge Mitarbeiter gemeint – stellt Sinn- und Wertefragen konsequenter in den Mittelpunkt eigener Entscheidungen. Hier gilt es, glaubwürdige Antworten zu liefern, die zur eigenen Identität als Führungskraft und zur Geschichte des Unternehmens passen. Die Organisation von morgen wird noch radikaler als heute den „ganzen Menschen“ integrieren – Stichwort: „bring the whole person to work“ – und muss daher auch Antworten und Angebote für den „ganzen Menschen“ transportieren. Dass insbesondere die Führungskräfte hier gefragt sind, liegt auf der Hand.

Zu 3: Das eigene Selbstverständnis als Führungskraft weiterzuentwickeln ist wohl die schwierigste Übung. Geht es doch darum, der Logik, in der man als Führungskraft sozialisiert wurde, (zumindest teilweise) ade zu sagen. Macht, Autorität und Führung sind neu zu definieren. Macht ist ein symbolischer Raum, der durch Interaktion ermöglicht wird und daher immer auch anders inszeniert werden kann. Im Sinne einer Wieder-Ermächtigung von Führung geht es darum, neue funktionale Asymmetrien zu etablieren. Das heißt schlichtweg, neue Unterschiede einzuführen, die wirksam sind. Eine Ressource zum Aufbau von Macht und Autorität ist zum Beispiel Aufmerksamkeit, die bewusst gelenkt und gestaltet wird.  So etwa, indem Meetings – eine oftmals als Zeitkiller erlebte Alltäglichkeit – lebendiger an den tatsächlichen Fragen oder Bedürfnissen der Beteiligten ausgerichtet werden. Der agile Werkzeugkoffer bietet hier eine Fülle von Möglichkeiten, von Kanban-Boards über Stand-Ups und Retrospektiven bis hin zu holokratischen Organisationsformen. Eine weitere Möglichkeit besteht in der Verzeitlichung von Macht durch das Etablieren alternativer Entscheidungsprozesse. Auch hier stellen die Methoden soziokratischer Entscheidungsmodelle eine Fülle von Alternativen bereit.

Im zweiten Schritt nun Führung als Mannschaftsleistung zu verstehen, setzt den Fokus darauf, sich auf Peer-Ebene mit anderen Führungskräften zu verbinden. Silo war gestern! Jetzt heißt es, auf ein gemeinsames Zukunftsbild zuzusteuern und dabei voneinander zu lernen. Dafür ist das Investment in die Führungscommunity notwendig und der tiefe Glaube daran, dass man gemeinsam stärker, klüger und wirksamer ist als alleine. Insbesondere dann, wenn die Krise der Führung eine systemische ist, scheint es ratsam, auf die Kraft eines Teams zu setzen.

Als organisationale Fähigkeit schlussendlich heißt Führung, Strukturen zu etablieren oder dahingehend zu verändern, dass sie alternative Entscheidungsprozesse zulassen. Hier kommt man um den Mode-Begriff der Agilität nicht herum. Dieser soll nicht als Allheil-Mittel, sondern vielmehr als ein verändertes Mindset betrachtet werden, das eine Antwort auf die sich immer schneller verändernden Umwelten darstellt. Dabei wird der Schwerpunkt von Hierarchie, Kontrolle und langfristiger Planung hin zu Aufbau und Nutzung von Netzwerken (Ökosystemen), kontinuierlicher Befähigung der Mitarbeitenden und dem (Aus-) Testen kurzfristiger Zielsetzungen verschoben (Novotny, 2016). Ziel ist dabei, die Organisation flexibel und antwortfähig zu gestalten, Innovationsfähigkeit zu etablieren und zu erhalten durch iterative, kurz-zyklische Prozesse und organisationales Lernen.

Geschwindigkeit ist tatsächlich wichtiger als Perfektion. „Fail early to succeed sooner“ (David Kelley, Stanford) – damit tun sich vor allem klassische deutsche Mittelständer schwer. (Dr. Antonius Greiner)

Basierend auf den oben beschriebenen Beobachtungen sehen wir folgende persönliche Kompetenzen, die Führungskräfte in der beschriebenen Krise in ihrer Wirksamkeit unterstützen können (Eberhardt & Majkovic 2015).

Digitalkompetenz

Nie zuvor gab es so viele Informationen wie aktuell, die ausgewertet, verarbeitet und mit einem 360-Grad-Blick versehen werden wollen. Ihnen soll – statt nach dem bekanntem Rezept langer Analyse und langfristiger Planung – mit viel Kreativität, Geschwindigkeit und klarem Fokus auf digitale Möglichkeiten begegnet werden. Führungskräfte müssen ihre Aufmerksamkeit als bewusste Ressource wahrnehmen und viel gezielter einsetzen. Wie können Probleme digital bearbeitet, Prozesse digitalisiert und Bedürfnisse mit Hilfe von digitalen Prozessen befriedigt werden? Diese Frage lässt sich nur im Rückgriff auf die Führung selbst beantworten: Sind wir als Führungsmannschaft überhaupt antwortfähig? Sind wir vom Top-Management bis zur ersten Führungsebene überhaupt mit dem aktuellen Know-how zu den Implikationen der Digitalisierung ausgestattet? Diese Fragen mögen schon antiquiert anmuten, denn natürlich sind alle noch am Probieren und keiner hat wirkliche Gewissheit. Aber wie viel von dem, was wir wissen könnten, wissen wir tatsächlich? Das beginnt mit der Digitalisierungskompetenz ganz oben (Achtung: neue Asymmetrie!), geht über die Frage der strategischen Nutzung eigener und fremder Daten bis hin zu den innovativen Potenzialen des eigenen Geschäfts und der Weiterentwicklung des eigenen Marktes.

Die Verarbeitung von Information zu Produkten und Services muss iterativ erfolgen, unter Einbeziehung multidisziplinärer Teams und in kurzen, schnellen Zyklen. Lernen und Gelerntes gleich wieder verproben und die eigene „experience curve“ rasch nach oben entwickeln. Geschwindigkeit ist tatsächlich wichtiger als Perfektion. „Fail early to succeed sooner“ (David Kelley, Stanford) – damit tun sich vor allem klassische deutsche Mittelständer schwer.

Zukunftskompetenz

Allem voran braucht es ein attraktives Zukunftsbild, das motiviert, orientiert und die eigene Identität stimmig fortschreibt. Die klassische Vision hat ausgedient. Attraktive Entwürfe der eigenen Zukunft brauchen mehr Bodenhaftung, Menschennähe und tatsächlich gelebte Werte, um ihre Funktion zu erfüllen. Sie müssen auch offen bleiben, um Glaubwürdigkeit, Partizipation und Lust auf diese gemeinsame Geschichte zu machen. Nur so sind sie für die junge Workforce (und auch für die alte!) attraktiv. Führungskräfte müssen das Zukunftsbild verkörpern – und zwar im Alltag, nicht in Broschüren oder Bekenntnissen. Zukunftsbilder  bleiben fest und dienen als Entscheidungshilfe, wenn trotz großer Datenmenge keine faktenbasierte Entscheidung möglich ist. Und weiterhin bleiben Intuition und Erfahrung der Führungskräfte gefragt.

Ambiguitätstoleranz

Es braucht eine gewisse Demut vor dem, was möglich ist. Es ist zu akzeptieren, dass man nicht alles wissen, nicht alle Fakten kennen kann, um sicher zu entscheiden. Dafür gibt es die Intelligenz von vielen und die oben erwähnte Intuition. Dieser zu folgen, benötigt das Vertrauen und die Einsicht, dass es keine Schwäche ist, sich aufgrund neuer Erkenntnisse anders zu entscheiden, sondern dass Flexibilität und Responsivität auch den entscheidenden Vorsprung verschaffen können.

Kommunikations- und Kontext-Gestaltungs-Kompetenz

Führung muss sich selbst neu bemächtigen, indem sie tut, was nur Führung tun kann und das ist die kluge Vorgabe von Kommunikationswegen. Es geht also um Kontextgestaltung innerhalb und außerhalb der Organisation. Das heißt aber auch, die bestehenden Asymmetrien (Wissensverteilung, Zuständigkeiten, Netzwerke) neu zuzuschneiden und neue Rollen zu etablieren. Hier bestehen vor allem für traditionelle, gut strukturierte Unternehmen vielfältige Möglichkeiten. Anders als zum Beispiel Startups, die sich aufgrund zu vieler enger Bindungen und Freundschaften häufig in Beziehungsdilemmata verstricken (Wassermann 2012), können etablierte Unternehmen auf distanziertere Beziehungsstrukturen zurückgreifen, die potenziell eine flexiblere Kommunikationsgestaltung ermöglichen.

Was ist also zu tun? – Praktische nächste Schritte

Eine kraftvolles, geteiltes Zukunftsbild etablieren und emotional verankern

Starke Führung muss also einen nicht-hierarchischen, aber sehr wohl unternehmerischen Lösungsprozess auf Basis eines kraftvollen Zukunftsbildes organisieren. Natürlich ist eine Verortung in den aktuellen Trends und erfolgreichen Grassroot-Bewegungen sinnvoll. Anstatt sich aber nur an anderen zu orientieren, ist auch die Frage sinnvoll, welchen Trend man auf Basis der in der Unternehmensgeschichte entwickelten Stärken, der Analyse der eigenen Daten und des Wissens vom Markt selbst auslösen könnte. Mit einem Middle-Top-Down- Approach kann hier viel erreicht werden.

Entscheidungsprozesse gemeinsam reflektieren und neu organisieren

Will man die eigene Organisation wirklich verändern, so kommt man nicht umhin, die bisherigen Entscheidungsprozesse neu zu gestalten. Hilfreich ist zunächst, sich auf die „Mittelklasse“-Entscheidungen zu konzentrieren. Es geht dabei weniger um die großen strategischen Entscheidungen, als vielmehr um gelungene Rahmensetzung im kleineren Stil. Hier können vor allem Gruppen-, Abteilungs- und Bereichsleiter ihren Gestaltungsspielraum ausschöpfen. Dazu braucht es die oben erwähnte Verankerung der generellen Richtung, des Zukunftsbildes in den Herzen der Mitarbeiter. Dabei ist nicht die charismatische, personifizierte Führung anzustreben, vielmehr müssen attraktive Settings für effektive Selbstorganisation geschaffen werden.

Sichere Räume für Innovation und Exploration etablieren

Für Innovation und Exploration muss man nicht ins Sillicon Valley oder nach Agilistan fahren. Die bessere und tiefere Erkundung des eigenen Marktes und des eigenen Business-Eco-Systems kann innovative Antworten auf die konkreten Probleme des organisationalen Umfelds bieten (Heitger & Serfass 2015). Wir haben mit mehreren Kunden die Erfahrung gemacht, dass gut vorbereitete und tief in die eigene DNA eingreifende Learning- und Innovation-Journeys zu befreundeten oder auch rivalisierenden Partnerunternehmen den vielbeschworenen Blick über den Tellerrand ermöglichen. Sie können tatsächlich neue strategische Ausrichtungen oder auch nur entscheidende Akzente in der Produktentwicklung auf den Weg bringen. Innerhalb des eigenen Unternehmens ist es wichtig, die Performanz von Silos gezielt zu fördern und Mitarbeitenden Möglichkeiten zu geben, Erfahrungen in völlig anderen Bereichen zu sammeln.

Die Organisation flexibel gestalten, in kurzen Zyklen arbeiten, antwortfähig sein

Die Einführung von agilen Strukturen im Alltag – und das in einem angemessenen, zur Organisation passenden Maße – ist ein wichtiger Schritt für die Gewährleistung der Beweglichkeit des Unternehmens. Dabei geht es nicht darum, dem Lehrbuch zu folgen und alles auf agil umzustellen, vielmehr können Modelle und Methoden dort angewendet werden, wo sie sinnvoll sind und zu den Mitarbeitern passen. Das richtige Maß muss gut erforscht werden, dafür braucht es gegebenenfalls anfängliche Qualifizierung und Begleitung. Der Schritt in Richtung Agilität ist jedoch zentral dafür, auf den Markt reagieren zu können: Richtungen festlegen, Schritte offenhalten, reflexiv und in kurzen Iterationen arbeiten und damit flexibel auf Veränderungen in der Umwelt antworten können.

Identität wahren, ehren was war, sich auch mal von etwas verabschieden, aber dankbar

Es geht nicht darum, Explore zu verherrlichen und Exploit zu negieren. Beide Seiten sind essenzieller Bestandteil der Führung, beide haben ihre Berechtigung, beides ihre Notwendigkeit – auf die Dosis und eine gute Balance kommt es an. Es braucht Stabilität und Innovation, eine kraftvolle Basis und ein luftiges Ideenmanagement, klare Strukturen und Freiräume, in denen Neues entstehen kann. Beiden Richtungen entsprechende Relevanz zu verschaffen und damit sowohl die Wurzeln als auch die Flügel zu stärken – das ist das angestrebte Ziel.

Gute Orte für Mitarbeitende schaffen, in denen diese ganzheitlich wahrgenommen werden und wirksam sein können

Das Thema Mitarbeiter-Zufriedenheit muss Karriere machen: es gehört als Top-Thema auf die Agenda der „obersten Heeresleitung“ (KPMG 2018) – denn die Menschen und ihr Engagement sind die wichtigsten Ressourcen jeder Organisation. Dabei geht es darum, den Mitarbeitern Räume zu schaffen, in denen sie sich sicher, erwünscht und gebraucht fühlen. Es gilt, das Gefühl zu vermitteln, dass sie als ganzer Mensch erwünscht sind, sich einbringen können und ihre Arbeit so gestalten können, dass sie produktiv und wirksam sein können. Nicht nur der rationale, funktionierende Mensch ist gefragt, auch sein Persönlichkeit, seine Emotionen – je mehr davon, desto mehr Initiative und Engagement ist zu erwarten.

Sich selbst in Frage stellen und neue Antworten finden. Das ist die Führungsaufgabe Nummer eins dieser Tage. (Daniela Sommer)

Die Autoren:

Daniela Sommer unterstützt Organisationen und Führungskräfte wenn es um Unternehmensentwicklung geht. Ihre Schwerpunkte sind „the human side of digital transformation“ sowie Beratung für das richtige Maß an Agilität. Sie hat mehr als 10 Jahre Managementerfahrung in großen Industrieunternehmen, unter anderem als „Head of Corporate Learning“ mit Fokus auf globale Führungskräftequalifizierung sowie im Bereich Strategie & Business Development.

Sich selbst in Frage stellen und neue Antworten finden. Das ist die Führungsaufgabe Nummer eins dieser Tage.

Literatur:

Eberhardt, Daniela & Majkovic, Anna-Lena (2015):
Die Zukunft der Führung: Eine explorative Studie zu den  Führungsherausforderungen von morgen. Wiesbaden: Springer Fachmedien.

Heitger, Barbara & Schubert, David (2013):
Next  Generation Leadership. In: Schumacher, T.: Professionalisierung als Passion. Aktualität und Zukunftsperspektiven  der systemischen Organisationberatung. Heidelberg:  Carl Auer Verlag.

Heitger, Barbara & Serfass, Annika (2015):
Unternehmensentwicklung: Wissen, Wege, Werkzeuge  für morgen. Stuttgart: Schäffer-Poeschel-Verlag.

Johansen, Bob (2017):
The New Leadership Literacies: Thriving in a Future of Extreme Disruption and Distributed Everything. Oakland: Berrett-Koehler Publishers.

KPMG (2018): The future of HR 2019: In the Know or in  the No. The gulf between action and inertia. KPMG International. Zugriff über: https://home.kpmg/be/en/home/ insights/2018/11/the-future-of-human-resources.html

March, James G (1991):
Exploration and exploitation in organizational learning. In: Organizational Science, 2. Jg., 1991, Nr. 1, Special Issue: Organizational learning: Papers  in honor of (and by) James G. March (1991), S. 71-87

Novotny, Valentin (2016):
Agile Unternehmen: Nur was sich bewegt, kann sich verbessern. Göttingen: BusinessVillage.

Wassermann, Noam (2012):
The Founder’s Dilemmas:  Anticipating and Avoiding the Pitfalls That Can Sink a  Startup. Princeton University Press.

Wimmer, Rudolf (1995):
Die Funktion des General  Managements unter stark veränderten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. In: Heitger, Barbara (Hrsg.):  Managerie. 3. Jahrbuch für systemisches Denken und  Handeln im Management, S. 74 - 117, Carl Auer Verlag