Ambiguität leitet sich vom lateinischen Wort ambiguitas ab. Er bedeutet so viel wie Doppeldeutigkeit. Ambiguität beschreibt eine Situation, in der sich Entscheidungen und deren Ausgang kaum vorhersagen oder berechnen lassen.
Ambiguität bezeichnet also mehrdeutige, schwer vorhersehbare Situationen – ein Zustand, der besonders in Unternehmen häufig vorkommt. Führungskräfte und Mitarbeitende begegnen ihr z. B. bei Veränderungen im Markt, im Team oder bei unsicheren Projektplänen. Der kompetente Umgang mit Ambiguität wird so zur entscheidenden Fähigkeit.
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Ambiguität in Unternehmen
Im Unternehmen sind wir vielen Widersprüchlichkeiten und unklaren Entscheidungssituationen ausgesetzt. Einige typische Beispiele aus dem Unternehmensalltag, in denen Führungskräfte und Mitarbeitende Ambiguität begegnen:
- Branchenwandel: Verändert sich der Markt oder die Branche plötzlich und schnell, etwa durch neue Technologien oder unerwartete Konkurrenz, müssen Führungskräfte und Mitarbeitende handeln, auch wenn noch nicht klar ist, wie sich die Entwicklungen genau auswirken werden. Von Kodak bis Nokia – viele namhafte Unternehmen zeigen, wie schwierig es ist, sich neuen Technologien und Lösungen zuzuwenden, die das eigene Kerngeschäft in Frage stellen.
- Ressourcenkonflikte: Um Veränderungen und Innovationen in kleinen und mittleren Unternehmen voranzutreiben, braucht es die besten Köpfe. Oft ergibt sich hieraus ein nur schwer aufzulösender Spagat, weil es genau diese Kompetenztragenden sind, die auch am dringendsten im Tagesgeschäft benötigt werden, um nicht nur am Erfolg von morgen, sondern auch am Überleben von heute zu arbeiten.
- Schwierige Schlüsselkräfte:Manchmal sind Mitarbeitende gleichzeitig fast unersetzbar und Auslöser für Konflikte und schwelende Probleme. Beispielsweise kann es die Geschäftsführung vor eine nahezu unlösbare Entscheidung stellen, ob sie sich von einem kaum ersetzbaren, aber unbeliebtem Meister trennt oder riskiert aufgrund dessen Führungsstil nach und nach andere Mitarbeitende zu verlieren. Mehr dazu hier.
- Veränderungen im Team: Wächst ein Unternehmen, hat dies in der Regel Auswirkungen auf Teams oder Abteilungsstrukturen. Solche Zeiten des Übergangs sind häufig verbunden mit unklaren Zuständigkeiten und sich ändernden Rollen. Mehr dazu hier.
- Kundenanforderungen: Mitunter bleiben Kundenanforderungen vage oder schlimmer noch verändern sich laufend. Mitarbeitende wie Führungskräfte sind hier gezwungen, dennoch kreativ und produktiv mit dieser fragilen Situation umzugehen.
- Änderungen im Projektplan: Prioritäten ändern sich in einem Projekt und nötigen die Mitarbeitenden neue Wege zu gehen, auch wenn die neuen Ziele und Wege dorthin noch nicht ausgearbeitet sind oder Erfahrungswerte dafür fehlen.
- Fehlende Informationen: Manchmal fehlen wichtige Informationen oder Ressourcen, die man normalerweise zur Erledigung einer Aufgabe benötigen würde. Mitarbeitende müssen sich dennoch mit solchen Aufgaben arrangieren und kreative Lösungen finden.
Wie zeigt sich Ambiguität?
Als Menschen erleben wir solche Situationen häufig als Zwickmühlen, verbunden mit einem Gefühl der Ambivalenz. In zwei- oder mehrdeutigen Situationen fehlt die Gewissheit vom richtigen oder falschen Handeln. Egal wie wir es angehen, die Lösungen scheinen alle unbefriedigend. Manchmal bringen sie uns ins Grübeln und manchmal können sie uns regelrecht lähmen oder zu überstürztem Handlungen verführen. Wenn keinerlei Wahrscheinlichkeit oder Orientierung bestehen, bedeutet Ambiguität im Extremfall, in weitgehender Unsicherheit agieren zu müssen.
In Teams zeigt sich Ambiguität nicht selten in Form von Konflikten. Diese mögen manchmal persönlicher Natur sein. Nicht selten aber zeigen sich als eigentliche Ursache solcher Konflikte uneindeutige und schwer entscheidbare Konstellationen. Mit diesen konfrontiert sieht positionieren sich verschiedene Teammitglieder durchaus begründet unterschiedlich, was sich unbearbeitet zu Konflikten aufschaukeln kann. Konfliktmanagement im Team bedeutet dann, diese Spannungen nicht als Störung zu sehen, sondern als Schlüssel zu besseren Lösungen.
Wen betrifft Ambiguität in Unternehmen?
Ambiguität lauert im Unternehmen also überall da, wo Entscheidungen getroffen werden müssen. Damit sind hiervon insbesondere Entscheiderinnen und Entscheider konfrontiert, die oft auf subjektive Einschätzungen über Umweltzustände, Anforderungen, Einflussfaktoren, Veränderungen oder Konsequenzen angewiesen sind. Aber auch viele Teams oder Mitarbeitende sind damit konfrontiert. Je eigenständiger und komplexer ihre Aufgabenfelder sind und je stärker sich deren Rahmenbedingungen ändern, desto eher müssen sie Ambiguität meistern.
Ein schnellerer Wandel von Branchen, Technologien, Märkten und geostrategische Umwälzung, wie wir ihn seit einiger Zeit erleben, macht alte Gewissheiten zunichte und steigert das Maß an Unsicherheit in Entscheidungssituationen beträchtlich.
Studien zur Ambiguität
Laut einer Deloitte-Studie von 2019 stimmen 80 % der Befragten zu, dass das 21. Jahrhundert neue Anforderungen an Führungskräfte stellt. An erster Stelle nannten 81 % der Teilnehmenden die Fähigkeit, durch steigende Komplexität und Ambiguität zu führen.
Dies hat nicht unerhebliche Folgen auf die Herausforderungen, denen sich Führungskräfte gegenübersehen: So kommt auch der Führungskräfte-Radar der Bertelsmann Stiftung aus dem Jahr 2019 zu dem Ergebnis, dass ein Drittel der befragten deutschen Führungskräfte sich der eigenen Rolle nicht mehr sicher fühlt und in der Organisation tragfähige Strukturen vermisst, um effektiv führen zu können.
Weiterhin legt eine Studie von Opinium im Auftrag von Treasure Data aus dem Jahr 2022 unter 500 deutschen Entscheiderinnen und Entscheidern nahe, dass sich diese Entwicklung eher verschärft als abschwächt. Demnach gaben knapp über die Hälfte der befragten Führungskräfte an, die Entscheidungsfindung als komplizierter denn je zu empfinden.
Wie geht man mit Ambiguität um?
Angesichts dessen wird der Umgang mit Ambiguität immer mehr zu einer wichtigen Kernkompetenz. Dabei gibt es grundsätzlich verschiedene Möglichkeiten mit unklaren Entscheidungssituationen umzugehen:
- Ein Weg besteht etwa darin, in Szenarien zu denken und zu planen, um sich so auf unterschiedliche Situationen einzustellen.
- Eine gesunde Fehlerkultur kann dazu beitragen, Ambiguität besser zu bewältigen, indem Entscheidungen bewusst getroffen und Preise und Risiken bis zu einem gewissen Maß notgedrungen in Kauf genommen werden.
- Bis zu einem gewissen Maß kann man trainieren, schwierige und paradoxe Entscheidungssituationen durch kluge Lösungen abzuschwächen oder sie als Chance nutzen zu lernen.
- Effectuation oder Design Thinking stehen für eine Palette an Ansätzen, agil vorzugehen und so in unsicheren Umgebungen sich dem Ziel beweglich anzunähern.
Gefahren im Umgang mit Ambiguität
Diese Möglichkeiten lassen einen professionellen Umgang mit Ambiguität auf den ersten Blick einfach erscheinen. Allerdings können schwierige Entscheidungssituationen und Ambiguität Stress, im schlimmsten Fall sogar Ohnmachtsgefühle auslösen. Dies kann zu Denken in Schwarz-Weiß-Mustern, Widerstand, impulsiven Reaktionen oder dem Versuch führen, möglichst alles in gewohnten Bahnen zu belassen. Nicht selten folgen daraus dysfunktionale Verhaltensweisen:
- Übermäßige Analyse, in dem Versuch, Risiken immer weiter zu minimieren, wo eine bewusste Entscheidung notwendig ist
- zu schnelle und impulsive Entscheidungen
- Delegation von Entscheidungen und Verantwortung
- Versuche sich möglichst abzusichern
- blindes Reagieren auf neue Trends oder ständige Richtungswechsel, in der Sorge eine falsche Entscheidung getroffen zu haben
Ambiguitätstoleranz als Grundlage
Um mit Ambiguität professionell und nicht dysfunktional umgehen zu können, ist als wesentliche Grundlage also Ambiguitätstoleranz gefragt – also die Fähigkeit, Mehrdeutigkeit und Unsicherheit auszuhalten, ohne vorschnell zu urteilen, impulsiv zu handeln oder inaktiv zu werden.
Denn eine geringe Ambiguitätstoleranz führt kann wie beschrieben zu gereiztem Verhalten, einseitigem Schwarz-Weiß-Denken und unterschiedlichen Formen von Widerstand führen. Manche neigen dazu, die gewohnte Ordnung wiederherstellen zu wollen oder sind wie gelähmt, während andere eher unreflektiert und manchmal übereilt agieren.
Eine hohe Ambiguitätstoleranz dagegen eröffnet einen größeren Raum für Kompromissfindung und kreativen Problemlösungen. Sie schafft eine Grundlage für einen gelasseneren, stressfreieren und konstruktiveren Umgang mit schwierigen Entscheidungssituationen.
Das Thema Ambiguität ist Teil unseres Angebots "Kompetenzen der Zukunft". Hier finden Sie alle Zukunftskompetenzen als PDF zum Download im Überblick:
- Basiskompetenz Achtsamkeit - Entwicklung der Wahrnehmungs-, Handlungs- und Leistungsfähigkeit
- Komplexitätskompetenz - Planen, Probleme lösen und Organisieren
- Beziehungskompetenz - Erfolgreiche Kooperation, starke Kulturen und Leistungsfähigkeit entwickeln
- Paradoxiekompetenz - Gut entscheiden und Konflikte lösen
- Generative Kompetenz - Das Neue finden und Veränderungen gestalten
- Emotionskompetenz - Selbstführung und Krisenresilienz stärken
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