Gründungswillige 45plus abholen, wo sie sind

Ausgangslage

Während in jüngster Zeit die florierenden Geschäfte blutjunger Start-up-Gründungen vermehrt durch die Presse gehen, haben Medien und Öffentlichkeit der Gruppe der Spätgründerinnen und -gründer bislang wenig Aufmerksamkeit geschenkt.

Stereotypes Gründerbild

Ein Grund dafür ist, dass das vorherrschende Bild der Gründerin bzw. des Gründers in Deutschland in der Gegenwart zu sehr den gängigen Stereotypen des Unternehmertums entspricht: jung, männlich, innovativ, wachstumsorientiert. Sowohl Frauen als auch Männer der mittleren und älteren Jahrgänge können sich damit meist nicht identifizieren. Die Diskussion über die Zielgruppe älterer Gründerinnen und Gründer in den Medien und der Fachöffentlichkeit ist – wenn sie überhaupt stattfindet – von Klischees rund um die nachlassende Altersproduktivität geprägt. Daher fühlen sich Babyboomer und Ältere nicht unbedingt zur beruflichen Selbstständigkeit motiviert. Die nötige gesellschaftliche Unterstützung fehlt.

Kleinunternehmen und Einzelkämpfer

Dazu kommt, dass die deutsche Gründerszene in großem Maße durch Soloselbstständige, viele davon im mittleren oder fortgeschrittenen Alter, und von Kleinunternehmen geprägt ist. Laut KfW-Gründungmonitor starteten 2014 ca. 68 Prozent der Gründerinnen und Gründer alleine.

In der Generation der Babyboomer befinden sich also viele „Einzelkämpfer“. Sie haben meist niedrige Erwartungen an die Beratung und sehen stattdessen sich selbst in der Verantwortung für ihr Gründungsvorhaben. Folglich nehmen Menschen dieser Altersgruppe – trotz steigenden Interesses an der beruflichen Selbstständigkeit – die Gründungsberatung (Gründungsseminare, Sprechstunden der Gründungsberatung etc.) viel zu selten in Anspruch.

Handlungsvorschläge

Es empfiehlt sich, die Zielgruppe 45plus frühzeitig für die Gründung zu interessieren. Selbstständigkeit soll dabei als wertvolle Tätigkeit und lohnenswerte Alternative zur abhängigen Beschäftigung präsentiert werden. Idealerweise zu einer Zeit, in der die berufliche Entwicklung noch in Ruhe überdacht werden kann (RKW-Studie, 2013).

Vorbilder nutzen

Um Interesse zu wecken, können Vorbilder genutzt werden. Diese sind in der hier angesprochenen Altersgruppe sehr rar und erfüllen aus diesem Grund einen wichtigen Zweck: Sie sind Wegbereiter und „Mutmacher“ zugleich.

Die gezielte Verbreitung realitätsnaher Vorbilder soll verhelfen, weitverbreitete Klischees und Vorurteile über diese Altersgruppe auszuräumen. Stattdessen sollen Senior Entrepreneure gesellschaftliche 16 Leitfaden für die Gründungsberatung 45plus Wertschätzung und Anerkennung für ihr Tun erlangen und mit ihrem Beispiel Gleichaltrige ermutigen, sich in die Selbstständigkeit zu begeben. Sensibilisierung ist eine wichtige Strategie, die in erster Linie von Beratungseinrichtungen, aber auch nach Möglichkeit von Kammern und von gestandenen Unternehmerinnen und Unternehmern selbst, initiiert bzw. betrieben werden soll.

Neue Wege zur Gründungsberatung finden

Babyboomer und ältere Gründerpersonen sind keine „Digital Natives“. Ihre Medienaffinität wächst zwar zunehmend, kann aber nicht mit der Medienvertrautheit jüngerer Gründerinnen und Gründer verglichen werden. Sie sind deshalb weniger in der digitalen Community unterwegs. Vielmehr orientieren sie sich maßgeblich an ihrem räumlichen sowie persönlichen Umfeld und leben in der analogen Umgebung ihrer Region oder Stadt. Der regionale Ansatz und die persönliche Ansprache sind vor diesem Hintergrund wichtige Maßnahmen, um ältere Interessierte für die Gründungsberatung zu gewinnen.

Gerade bei Gründerinnen und Gründern 45plus ist es deshalb nötig, die Gründungsberatung in der Region sichtbar zu machen bzw. dafür zu werben. Bewährte Maßnahmen sind bspw. Gründungsveranstaltungen und -events in Kooperation mit der lokalen Presse und weiteren Medien, darunter auch Radio oder Fernsehen. Im Onlinebereich sollten die lokalen Anbieter (beispielsweise die Internetseite der Stadt oder des Landkreises) – wenn möglich – vorrangig dafür genutzt werden.

Zuletzt bieten sich zielgruppenspezifische Veranstaltungen an, um den Zugang zur Gründerszene zu schaffen. Es sind unterschiedliche Formate denkbar: Zum einen Gründerstammtische 45plus, an denen sowohl angehende als auch etablierte Gründerinnen und Gründer ihre Fragen und Probleme offen diskutieren (können). Zum anderen Veranstaltungen in der Art gelebter Vorbilder, bei denen erfolgreiche Selbstständige oder Unternehmerinnen und Unternehmer „live“ ihre Geschichte erzählen.

Babyboomer sind oftmals sozial engagiert. Sie können deshalb ebenfalls mit Gruppenveranstaltungen zu bestimmten gesellschaftspolitischen Themen angesprochen werden. Solche Formate bieten Menschen zusätzlich die Möglichkeit, sich beruflich neu zu orientieren und Kontakte zu knüpfen, was letztendlich in eine Selbstständigkeit münden kann.

Weitere Informationen:

Beispiele für erfolgreiche Gründungen durch ältere Gründerinnen und Gründer finden Sie ebenfalls in dieser Publikation. Diese Gründerbeispiele sind bereits als Best-Practice-Reihe „Senior Entrepreneurship“ des RKW Kompetenzzentrums online erschienen: www. senior-entrepreneurship.de.

Gründerwoche Deutschland. Im Rahmen der bundesweiten Aktion „Gründerwoche Deutschland“ organisieren die Partner der Gründerwoche jährlich ein vielfältiges Spektrum von Veranstaltungen rund um die berufliche Selbstständigkeit und die Existenzgründung. Darunter befinden sich auch Veranstaltungen (Seminare usw.) adressiert an die Zielgruppe 45plus.

Gemeinsam mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie geben die Partner damit Impulse für das Gründungsgeschehen in Deutschland: www. gruenderwoche.de.

Tipp:
"Insofern ist es wichtig, die Altersgruppe 45plus als erfolgreiche Unternehmerinnen und Unternehmer zu präsentieren, um ein realistisches Bild dieser äußerst vielfältigen Gruppe ins Licht zu rücken."
Andre Scheifers, IHK Wuppertal-Solingen-Remscheid

Übersicht 1: Jede Gründerin bzw. jeder Gründer 45plus muss dort abgeholt werden, wo sie bzw. er sich befindet:

  • Örtlich/räumlich: Mittels Werbung im lokalen oder regionalen Umfeld kann auf die Gründungsberatung aufmerksam gemacht werden
  • Medial: Regionale Medien (Presse, Radio, TV) können bei der Vermittlung der Gründungsangebote helfen
  • Persönlich: Eine individuelle Ansprache ist bei diesem Personenkreis besonders wichtig; vor allem der Einfluss von Freunden, Bekannten, Familie, aber auch der vorhandenen Netzwerke und Kontakte, ist groß
  • Lebenswelt/Lebenslauf: Die Lebenserfahrung spielt eine bedeutende Rolle im Gründungsvorhaben. Es ist durchaus lohnenswert, Gruppen zu identifizieren, die auf gleiche Weise angesprochen werden können. Das ist gerade bei einigen sozial eher homogenen Gruppen machbar: Alleinerziehende, Menschen ohne abgeschlossene Berufsausbildung, Akademikerinnen und Akademiker, Empfängerinnen und Empfänger von ALGI/II, Langzeitarbeitslosen etc.
  • Berufs-, Branchen- und Fachkenntnisse: Diese zeigen sich in der Regel im Gründungsprojekt. Es bietet sich deshalb in einigen Fällen an, die Gründungsberatung über einen thematischen Zugang zu vermitteln, zum Beispiel in der Kultur- und Kreativwirtschaft, Coaching- und Beratungsbranche, Gesundheitswirtschaft oder Bildungsbranche (Ausbildung als Kindertagespflegepersonen etc.)
  • Hobbys und Talente: Interessen verbinden und können als Idee in ein Gründungsprojekt münden. Typisch sind Sport- und Wellnessangebote, EDV-Kenntnisse, aber auch Modeaffinität (Nähen, Stricken, Schneidern). Ebenfalls können kreative Aktivitäten im Kultur- und Kreativbereich (Fotografie, Theater, Malerei usw.) Grundlage für eine selbständige Tätigkeit bilden.