Jungunternehmerinnen mit 60plus
Die Eine ist Tangolehrerin, die Andere Geschäftsführerin einer Textilfirma. Zwei unterschiedliche Hintergründe, zwei bewegende Lebensgeschichten. Aber eines haben diese zwei Frauen gemeinsam: Sie sind Seniorpreneurinnen. Mit der neuen Wortschöpfung sind Gründerinnen gemeint, die im fortgeschrittenen Alter - und zwar aus dem Ruhestand heraus - bewusst den Schritt in die Selbständigkeit tun. Was bewegt diese Frauen dazu, im Alter, in dem andere in den Urlaub fahren oder entspannt das Leben in vollen Zügen genießen, noch einmal beruflich durchzustarten? Was zeichnet sie aus?
Meistens sind es gut ausgebildete und qualifizierte Frauen. Aus Leidenschaft zu einer Tätigkeit/einem Beruf oder aus der Entdeckung einer neuen Geschäftschance heraus werden sie im Alter unerwartet auf einmal Unternehmerinnen.
Früher "Zupacken", heute Gründen
Einst geprägt vom Krieg und Vertreibung in ihrer Kindheit, waren die heutigen Rentner/innen danach am Wiederaufbau der Bundesrepublik Deutschland beteiligt. Laut Gisela-Elisabeth Winkler waren die Herausforderungen ihrer Zeit das, was in den Frauen dieser Generation „eine Mentalität des Zupackens“ erzeugt hat. Sie sind gewohnt, nach vorne zu gucken, ihr Leben aktiv zu gestalten sowie pragmatische Lösungen für Probleme zu finden.
Die Mischung aus Erfahrung und Know-how sind die Hauptvorteile, die die Gründung im Alter ausmachen. Unternehmensgründungen in der zweiten Lebenshälfte nehmen kontinuierlich zu: Laut dem deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat sich die Zahl der Erwerbstätigen im Rentenalter zwischen 2011 und 2014 verdoppelt, 40% sind mittlerweile selbstständig.
Goldwertes Kapital für Unternehmensgründungen
Die Veränderung des Gründungsalters hat nicht nur mit dem demografischen Wandel zu tun, sondern auch in erster Linie mit dem heutigen veränderten Selbstverständnis älterer Menschen. Aktives Altern oder produktives Altern heißt die wissenschaftliche Debatte, in die das Gefühl der „Neuen Alten“ und deren Forderung nach mehr soziowirtschaftlicher Teilhabe, eingebettet werden. Die Folge davon: Lebenserfahrung wird neben der Berufserfahrung zunehmend von der Politik und der Wirtschaft ins Auge gefasst und als goldwertes Kapital für Unternehmensgründungen betrachtet.
Ältere Frauen gründen anders? Ja!
Insbesondere weibliche Gründungen stehen vermehrt im Fokus, denn vor allem Frauen neigen aufgrund von Familienphasen und zum Teil gebrochener Berufsbiographien dazu, erst in der zweiten Lebenshälfte zu gründen. In jüngster Zeit zeigen unterschiedliche Publikationen und Programme (darunter der Aktionsplan Unternehmertum 2020 der Europäischen Kommission) das steigende Interesse von der Bundesregierung und der EU an der Förderung von „alten“ jungen Unternehmen.
Gründung im Rentenalter ist ein Gender-Prozess: Frauen sind häufiger als ihre männlichen Partner darauf angewiesen, ihre Rente aufzustocken. Männer hingegen sind meist in der Lage, im Laufe ihres Berufslebens Kapital einzusparen, das später in eine neue Geschäftsidee investiert werden kann. Hinzu kommt: Während Männer vorwiegend im bis dato ausgeübten Beruf gründen, fangen Frauen neu an und suchen in der neuen Tätigkeit ihre Selbstverwirklichung.
Zum rbb-Sendebeitrag
Der rbb-Sendebeitrag „Jungunternehmerinnen mit 60. Wie wird man Seniorpreneurin?“ präsentiert das junge Phänomen der Seniorpreneurinnen in Deutschland. Sowohl Expertinnen als auch Unternehmerinnen kommen hier zu Wort und beleuchten von allen Seiten die Hintergründe, aber auch die Vorteile und die Hürden von weiblichen Gründungen im Alter.
Dr. Noemí Fernández Sánchez (RKW Kompetenzzentrum) beschäftigt sich seit Jahren mit diesem Thema im Rahmen des Projekts „Gründen mit Erfahrung“, das vom Expertenkreis Senior Entrepreneurship begleitet wird. IHKs und RKW-Länderverbände, Banken, Jobcenter, selbstständige Berater und weitere Akteure beraten im oben genannten Expertenkreis über die Gründung im Alter und erarbeiten Vorschläge gerichtet an Wirtschaft und Politik unter anderen zur verbesserten Finanzierung für Spätgründer. Maria Kicza-Halit (LOK.a.motion) erläutert das Projekt“ gut+, Gründerinnen + Unternehmerinnen – erfolgreich im Team“, gefördert von der EU und dem Berliner Senat. Gisela-Elisabeth Winkler und Heidi Schumacher, beide erfolgreiche Seniorpreneurinnen, geben Einblicke in ihre Gründungsgeschichte.
Falls Sie die Sendung verpasst haben, können Sie den rbb-Beitrag hier nachhören: [https://www.kulturradio.de/programm/schema/sendungen/kulturtermin/archiv/20170606_1904.html]
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