Die Kontext-Landkarte Die Einflussfaktoren auf die eigene Organisation überblicken und einschätzen

Die Kontext-Landkarte

Die Einflussfaktoren auf die eigene Organisation überblicken und einschätzen

Christina Geiger ist Senior Organisationsentwicklerin bei der ZF Friedrichshafen AG und selbständige Coach mit langjähriger Praxis- und Theorieerfahrung in den Themen Strategie, Führung, Innovation, Change, Unternehmens- und Organisationsentwicklung. Sie beschäftigt sich besonders gern mit neuen Ansätzen und Fragestellungen rund um New Work. Kontakt: christina.geiger(at)zf.com

„Wie müssen wir unsere strategische Ausrichtung anpassen, um unsere Organisation wettbewerbsfähig zu halten?“ ist eine Kernfrage der Unternehmensentwicklung. Meine Erfahrung dabei ist: Um Schritt zu halten mit den sich rasant und oftmals unvorhersehbar ändernden Kontextbedingungen in unserer heutigen VUKA-Welt, ist es gut und wichtig, ein möglichst klares Bild dieses Kontexts zu haben und es regelmäßig zu aktualisieren.

In der (klassischen) Strategiearbeit besteht die erste Phase schon immer aus der Analyse. Hier wird sozusagen mit unterschiedlichen Scheinwerfern auf die äußere und innere Welt geblickt, um daraus möglichst stabile, langfristige Ziele abzuleiten. Dies geschieht mithilfe von Methoden wie Porter’s Five Forces, der Kernkompetenz- oder SWOT-Analyse. Da es bei Strategiearbeit in der heutigen Zeit aber immer weniger um (langfristige) Vorhersagbarkeit oder die „richtige“ Strategie geht, müssen Methoden und Tools nicht mehr darauf einzahlen noch mehr und besser zu analysieren. Vielmehr geht es darum, sich schnell im Dialog mit anderen zusammen ein Bild vom aktuellen Kontext machen zu können und die entsprechenden Handlungsmöglichkeiten zu reflektieren.

„Jede Entscheidung ist wertvoller, wenn sie sich auf den Kontext bezieht und am nächsten machbaren Schritt orientiert – in stürmischen wie in ruhigen Zeiten.“

Warum gerade die Kontext-Landkarte?

Das Tool ist sehr flexibel. Es dient als Einzelinstrument aber auch im Rahmen von Strategiearbeit bei der Innovationsentwicklung, im Projektmanagement oder beim Design von Organisationen zur Analyse und Reflexion – sowohl in Krisen- als auch Nicht-Krisen-Zeiten. Mit ihm lässt sich ein besseres Bewusstsein darüber schaffen, was sich im Umfeld tut und welche Faktoren Einfluss auf die eigene Organisation nehmen beziehungsweise nehmen könnten. In relativ kurzer Zeit erhält man ein umfassendes Bild. Die Kontext-Landkarte (häufig auch: „Context-Map“) ist virtuell und in Präsenz einfach anwendbar sowie für Einzelpersonen oder Gruppen geeignet. Der Fokus kann auf der Gesamtorganisation liegen, aber auch auf einem Teilbereich. Sogar die Kundschaft kann so in den Blick genommen werden, um besser zu verstehen, in welchem Umfeld sie sich bewegt.

Wie kann man vorgehen?

Perspektivenvielfalt ist umso wichtiger, je komplexer ein Umfeld ist. Deshalb bevorzuge ich für die Anwendung des Tools Gruppen mit interdisziplinären Teilnehmenden, die ihre unterschiedlichen Perspektiven austauschen und zu einem Gesamtbild vergemeinschaften können. Ich empfehle für eine Gruppe mit sechs bis acht Teilnehmenden einen Zeitrahmen von 30 bis 45 Minuten, um zu ersten Ergebnissen zu kommen. Abhängig vom jeweiligen Hintergrund und Bedarf für den Einsatz der Methode ist sowohl die Gruppengröße als auch die Dauer flexibel anpassbar.

Zunächst braucht man eine freie Fläche ((digitale) Pinnwand oder Whiteboard), Klebezettel oder Karten und Stifte. Die Kernfrage lautet: Was wirkt auf unsere Organisation? Etwas genauer lautet die Frage: Was sind wichtige gegenwärtige und zukünftige Einflussfaktoren, Anforderungen und Leitplanken für unsere Organisation?

Diese (bspw. politischen, technologischen, ökologischen oder wirtschaftlichen) Faktoren werden einzeln aufgeschrieben – je nach Gruppengröße entweder zunächst in Einzelarbeit für etwa drei Minuten (zu empfehlen bei einer Gruppengröße ab fünf Personen oder bei zu erwartenden großen Unterschieden) oder direkt gemeinsam im Plenum.


Die Faktoren werden alle dahingehend besprochen, wie sie auf die Organisation wirken, welche Chancen und Risiken entstehen, und wie relevant sie sind.

Die Diskussion kann grafisch festgehalten werden durch Elemente, wie Überschriften, Pfeile, unterschiedliche Farben oder Größen, Abstände ...

 

Und dann? Mögliche Anknüpfungspunkte
Hat man alle Perspektiven zu einem Bild zusammengelegt, in welchem Kontext die Organisation agiert, kann man im Folgenden den Fokus vom Außen zum Innen wechseln und darauf blicken, was all das jetzt konkret für die eigene Organisation bedeutet, z.B. „In diesem Kontext, ...“:

  • welche Art der Strategieentwicklung ist sinnvoll?
  • welche (strategischen) Handlungsansätze sind passend?
  • welche (robusten) Maßnahmen leiten wir ab?
  • was sind die nächsten machbaren Schritte?
  • welche unserer organisationalen (Kultur-)Muster (“Autopilot”) sind mittlerweile dysfunktional?
  • was müssen wir besonders im Blick behalten?

Alternativ kann es sich auch lohnen, zunächst noch weiter über das Ergebnisbild zu sprechen, um zu identifizieren, welche Art von Kontext vorherrscht. Wie würden wir diesen mit ein paar Worten beschreiben? Es ist wichtig sich klar zu machen, ob er eher stabil oder hoch dynamisch ist. Die oft gehörte Aussage „alles ändert sich ständig“ ist nicht zwangsläufig für alle Bereiche immer zutreffend. Auf einen zweiten Blick lassen sich auch häufig Aspekte erkennen, die (für eine gewisse Zeit) stabil bleiben. Somit können Entscheidungen kontextadäquater getroffen und Entwicklungen der Organisation erfolgreicher gesteuert werden.