Das Effectuation-Prinzip Entscheiden in unsicheren Zeiten

Das Effectuation-Prinzip Entscheiden in unsicheren Zeiten

Rabena Ahluwalia ist Referentin im Fachbereich Gründung im RKW Kompetenzzentrum und beschäftigt sich seit einigen Jahren mit Konzepten zum unternehmerischen Denken und Handeln sowie der Entrepreneurship Education. Kontakt: ahluwalia(at)rkw.de

Dr. Matthias Wallisch ist ebenfalls Referent im Fachbereich Gründung im RKW Kompetenzzentrum. Der promovierte Wirtschaftsgeograf koordiniert seit mehreren Jahren verschiedene Projektaktivitäten zum Gründungsökosystem-Ansatz und zur Zusammenarbeit von Startups und mittelständischen Unternehmen. Er ist außerdem Autor des gerade erschienenen Kooperationstagebuchs „Mittelstand meets Startup“. Kontakt: wallisch(at)rkw.de

In unsicheren Zeiten sind Entscheidungen nicht immer leicht zu treffen, das wissen wir alle. Hohe Erwartungen an das eigene Handeln, nicht planbare Rahmenbedingungen, das Abwägen von Risiken oder sogar die Angst vor den Folgen einer Fehlentscheidung bilden unter anderem das Gerüst, in dem Entscheidungen in Krisenzeiten gefällt werden müssen. Vor allem Unternehmerinnen und Unternehmer stellt das vor große Herausforderungen. Wir möchten deshalb ein Prinzip des unternehmerischen Denkens und Handelns vorstellen, das mit diesen ungewissen Rahmenbedingungen arbeitet und sich diese sogar zu Nutze macht: die Effectuation-Methode.

Worum geht es dabei?
Um das Prinzip verständlich zu machen, wird häufig auf das Beispiel des Kochens zurückgegriffen: Wenn Sie sich ein Essen zubereiten möchten, können Sie entweder ein bestimmtes Gericht auswählen, Zutaten einkaufen und es nach Rezept zubereiten. Oder aber Sie schauen nach, was Sie noch an Vorräten zu Hause haben und bereiten mit den vorhandenen Lebensmitteln ein Gericht zu. Hierbei greifen Sie (meist kreativ) auf vorhandene Ressourcen zurück.

Warum gerade Effectuation?
Was bedeutet diese Metapher nun für Unternehmen? Experimente zeigen, dass erfolgreiche Managerinnen und Manager ihre Entscheidungen keiner strengen Kausallogik unterwerfen: Sie versuchen nicht, ein vorab gesetztes Ziel unter Aufwendung der genau dafür erforderlichen Mittel und Ressourcen zu erreichen. Sie folgen demnach keinem vorgegebenen Rezept - insbesondere dann nicht, wenn sie sich in einer unsicheren Situation befinden. Vielmehr bedienen sie sich unmittelbar zur Verfügung stehender Mittel und schauen, was sich daraus machen lässt. Wichtig ist dabei das Prinzip des „leistbaren Verlusts“. Man stellt sich also nicht die Frage „Was bringt mir das?“, sondern „Was ist mir der Versuch wert?“. Eingesetzt werden dann nur Mittel und Ressourcen, deren Verlust verkraftet werden kann. Das Scheitern – sollte es eintreten – wird somit kalkulierund damit vertretbar.

Ebenso sind unvorhergesehene Ereignisse und Zufälle, die in Krisenzeiten zum Alltag gehören und sonst üblicherweise als Störung empfunden werden, bei Effectuation Teil des Prozesses und werden als selbstverständlich, meist sogar als Bereicherung angenommen. Und schließlich sind es insbesondere persönliche Vereinbarungen und Partnerschaften innerhalb des eigenen Netzwerkes, die den Prozess maßgeblich mitgestalten.

Die Entrepreneurship-Forscherin Saras Sarasvathy hat diese „Effectuation-Bewegung“ in den späten 90ern ins Rollen gebracht. Man könnte die Methode auf folgenden Nenner bringen: Arbeiten mit dem, was man hat und mit Menschen, die man kennt, um etwas Neues entstehen zu lassen. Somit kann das Effectuation-Prinzip in vielfältigen, auch unsicheren Kontexten – nicht nur in der Küche – angewendet werden: für die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle ebenso wie für Prozesse in bestehenden Unternehmen – von der Organisationsentwicklung über die Implementierung von Innovationen bis zu Maßnahmen zur Digitalisierung. Probieren Sie es aus!

Gut zu kochen ist ein schöpferischer Akt. Wer die Küche liebt, der liebt es auch, zu erfinden. (Maria Callas)

Effectuation praktisch angewendet
Wir möchten nun anhand eines Beispiels aus unserem neuen Kooperationshandbuch „Mittelstand meets Startups“ (www.rkw.link/kooptagebuch) Effectuation praktisch werden lassen:

Mit dem Prinzip des leistbaren Verlusts können Sie festlegen, welche Angebote Sie als Unternehmerin oder Unternehmer beispielsweise Startups im Rahmen einer Kooperation machen wollen.

Der folgende Leitfaden hilft Ihnen bei der Entscheidungsfindung:

  1.  Überlegen Sie, welchen Mitteleinsatz Sie sich im Rahmen einer Kooperation leisten könnten, auch wenn Sie am Ende keinen Nutzen daraus ziehen.
    Beispielsweise Geld auf der hohen Kante, Produktionskapazitäten, Büroflächen, Personalressourcen und Knowhow, Ihre eigene Zeit und Erfahrung, Kundenkontakte, Ihr Netzwerk oder andere Mittel, die Sie frei zur Verfügung haben.
  2. Überlegen Sie, welche dieser Mittel Sie tatsächlich einbringen wollen.
    Möglicherweise nur die Hälfte des Geldes, damit im Falle des Scheiterns noch Mittel für weitere Projekte zur Verfügung stehen.
  3. Überlegen Sie, wie Sie diese Mittel im Rahmen von Startup-Aktivitäten einsetzen können.
    Eventuell ist eine Beteiligung an Gründungsnetzwerken, Wettbewerben oder Mentoring-Programmen für Startups möglich. Auch ein konkretes Engagement in Kollaborationsprojekten wäre denkbar.
  4. Wägen Sie ab, wie sehr Sie von dieser Startup-Aktivität auf Basis Ihrer Mittel überzeugt sind. Ein wichtiges Kriterium ist das Ausmaß Ihres Interesses: Können Sie auch im Falle eines Scheiterns mit dem vergeblichen Einsatz Ihrer Mittel konstruktiv umgehen? Beziehen Sie immaterielle Größen in Ihre Überlegungen ein.