Ausgangssituation

Viele Führungsinitiativen (getrieben durch Managementmoden – und trotz der Tatsache, dass agile Methoden in aller Munde sind) antworten auf Komplexität weiterhin mit noch mehr Komplexität und erweisen damit der eigenen Organisation einen Bärendienst. Führungskräfte sehen sich dadurch ihrer Wirksamkeit beraubt. Sie müssen mit hohem operativen Druck umgehen und fokussieren dadurch häufig auf das Kerngeschäft. Für Exploration (March 1991) und den Blick über den Tellerrand bleibt in der Regel wenig Zeit. Zu ambitioniert sind die Ziele, zu mühsam das Erreichen der KPIs, zu fordernd die vielen parallelen Projekte. Da hilft nur „wirklich ranklotzen“, vom Selben immer mehr und mehr machen, damit man alles schaffen kann. Strukturelle Erschöpfung ist der Preis dafür, verbunden mit einem deutlichen (nicht zuletzt gesundheitlichen) Selbstgefährdungspotenzial der Führung (Wimmer 1995, S. 92).

Doch damit nicht genug, denn irgendwo hinten links lauert noch die Gefahr der Disruption des Heimatmarktes und des eigenen Geschäftsmodells. Da schleicht sich der Gedanke ein, dass es vielleicht gar nicht so gut ist, wenn man das Gleiche einfach immer etwas besser macht (March 1991). Man hat es ja gesehen in anderen Branchen. Von heute auf morgen kam jemand, der hat es ganz anderes gemacht als die tradierten Unternehmen und doch die gleichen Bedürfnisse der Kunden schneller, besser und billiger getroffen - siehe die vielzitierten Beispiele von UBER, Airbnb oder auf der Negativseite Kodak und viele weitere. Häufig hat das mit der Digitalisierung zu tun, die derzeit überall mitschwingt und zusätzlich verunsichert. Natürlich freut man sich über all die kleinen digitalen Erleichterungen im Alltag. Aber einmal wirklich ausführlich darüber nachzudenken, was das mit dem eigenen Business zu tun hat und womöglich kreative Ideen zu gebären, dazu fehlt die Zeit, man muss ja Ziele erreichen. Außerdem würde eine Beschäftigung mit den digitalen Trends bedeuten, dass man ganz neu denken müsste. Womit man sich auskennt, ist die Businessplanung, jährlich, wie man sie schon immer gemacht hat. Blöderweise merkt man mehr und mehr, dass die Parameter nicht mehr passen oder als stabil angenommen werden können. Die alten Landkarten haben scheinbar die Grenzen ihrer Wirksamkeit erreicht. Sie überholen sich so schnell, dass sich der Planungsaufwand nicht mehr lohnt. Aber woran soll man sich dann halten? Woran orientieren und was den Mitarbeitenden sagen, die genau das fordern: Orientierung und einen Sinn hinter dem Ganzen? All das ist mehr als nur Business, das geht tiefer, bewegt. Wenn Gefühle im Spiel sind, wird es gefährlich, weil analytische Mechanismen nicht mehr greifen. Was also tun?