Asbest beim Arbeiten im Bestand: Was Bau- und Handwerksbetriebe jetzt wissen müssen – Praxiswissen im Podcast
Asbest ist längst verboten, aber noch lange nicht verschwunden. In vielen Altbauten, insbesondere in Gebäuden, die vor 1993 errichtet wurden, steckt potenziell Asbest, oft unsichtbar in Putz, Platten, Spachtelmasse, Fliesenklebern, Rohrisolierungen oder Fußbodenbelägen. Besonders bei Sanierungen oder Renovierungen im Bestand treten diese Belastungen zutage, oft auch bei kleineren Arbeiten.
Doch das Wissen darüber ist, selbst unter erfahrenen Fachkräften, häufig lückenhaft.
In unserer aktuellen Podcast-Folge sprechen wir mit Frau Katja Lilu Melder, Geschäftsführerin der BMG Santec GmbH und Expertin im Bereich Gefahrstoffe, über den fachgerechten Umgang mit Asbest in der Praxis. Sie gibt konkrete Hinweise, ordnet gesetzliche Pflichten ein und spricht offen über Versäumnisse im Berufsalltag. Die Folge richtet sich an alle, die in Bestandsgebäuden arbeiten: von Handwerksbetrieben über Planungsbüros bis zu Eigentümerinnen und Eigentümern.
Ein unsichtbares Risiko – und eine unterschätzte Verantwortung
Was viele nicht wissen: Schon eine einzige Asbestfaser kann unter Umständen ausreichen, um schwere Erkrankungen wie Asbestose oder Lungenkrebs auszulösen. Die Latenzzeit liegt bei 25 bis 30 Jahren, das macht die Gefahr besonders tückisch. Oft wird der Zusammenhang erst Jahrzehnte später erkannt.
In der Praxis zeigen sich vor allem folgende Problembereiche:
- Asbest wird bei kleineren Arbeiten häufig unterschätzt, etwa bei Bohrungen, Putzarbeiten oder dem Verlegen von Kabeln.
- Die Pflicht zur Beprobung wird vielfach ignoriert, obwohl sie laut Gefahrstoffverordnung zwingend vorgeschrieben ist.
- Unsachgemäßer Rückbau birgt Gesundheitsrisiken und kann strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.
Was Handwerksbetriebe jetzt beachten sollten
- Beprobungspflicht: Vor dem Beginn von Arbeiten muss geprüft werden, ob Asbest vorhanden ist.
- Gefährdungsbeurteilung: Altbaumaßnahmen dürfen nicht ohne vorherige Einschätzung der Stoffbelastung durchgeführt werden.
- „Kleiner Asbestschein“ (TRGS 519, Modul 2): Für viele Arbeiten reicht dieser Nachweis – und sollte als Mindeststandard gelten.
- Online-Grundschulung: Laut Gefahrstoffverordnung muss mindestens eine Schulung bis 2027 durchgeführt sein – auch für Mitarbeitende ohne Sachkunde.
- Festgebundene Materialien (beispielsweise Asbestzement): Geringeres Risiko, aber dennoch reglementiert.
- Schwachgebundene Materialien (beispielsweise in Putz oder Spachtel): Nur von zertifizierten Firmen mit Schleuse, Unterdruck und Persönlicher Schutzausrüstung zu bearbeiten.
- Prüfverfahren von Oberflächen (PT-Verfahren) und Anzeigepflichten: Rückbauarbeiten müssen bei der zuständigen Bezirksregierung angezeigt werden.
„Jede Person, die auf einer Baustelle im Altbestand arbeitet, sollte den kleinen Asbestschein haben“, betont Frau Melder im Podcast. „Es ist nicht nur Pflicht – es ist Schutz für sich selbst, für die Kolleginnen und Kollegen und für alle drum herum.“
Ausbildung und Aufklärung – mehr als eine Pflicht
Wer heute am Bau tätig ist – ob als Malerin oder Maler, Elektrikerin oder Elektriker, Installateurin oder Installateur, Bauleiterin oder Bauleiter – braucht fundiertes Wissen zum Thema Bauschadstoffe. Gute Schulungsangebote gibt es bereits: etwa über die BG BAU, online und praxisnah. Der Zugang ist niedrigschwellig, die Wirkung dafür umso größer.
Fördermöglichkeiten und Finanzierung
Die Sorge vor hohen Sanierungskosten ist berechtigt – doch mit klarer Planung lassen sich Risiken minimieren und Fördermittel gezielt nutzen:
- Vor-Ort-Termin mit einem Fachbetrieb: Gibt Planungssicherheit und belastbare Kosten.
- Kombinierbare Fördermittel (beispielsweise von der KfW): Für Rückbau, energetische Sanierung oder Baubegleitung.
- Energieberatung: Für geförderte Projekte verpflichtend – aber selbst förderfähig.
- Steuerbonus: Auch ohne Förderung können Lohnkosten anteilig abgesetzt werden.
Aktuelle Herausforderung: Neue Asbestgefahren
Ein unterschätztes Risiko: Über internationale Handelswege und Online-Plattformen gelangen trotz Asbestverbot erneut belastete Materialien auf deutsche Baustellen. Die betroffenen Produkte stammen häufig aus Ländern ohne umfassendes Asbestverbot. Da Kontrollmechanismen oft fehlen, besteht das Risiko, dass asbesthaltige Materialien unbemerkt verarbeitet werden.
Fazit: Verantwortung beginnt mit Wissen
Asbest ist kein Problem von gestern. Es betrifft die Gegenwart – und vor allem die Zukunft. Wer sich schützt, schützt auch alle anderen.
Deshalb fordern Fachleute wie Frau Melder:
- Mehr Aufklärung bereits in Ausbildung und Meisterschule
- Konsequente Umsetzung der Gefahrstoffverordnung auf Baustellen
- Ein stärkeres Bewusstsein in der Branche – besonders bei kleinen und mittleren Betrieben
Tipp zum Weiterlesen
Ein kompakter Leitfaden für Betriebe – inklusive rechtlicher Hinweise, Schulungsangeboten und Praxishilfen – steht bei der BG BAU kostenlos zur Verfügung.
Noch mehr Praxiswissen gibt’s in unserem Podcast "20 Minuten für den Bau".
Katja Lilu Melder ist Geschäftsführende Gesellschafterin der BMG Santec GmbH in Hamm, die sich auf fachgerechte Schadstoffsanierung und -entsorgung spezialisiert hat. Sie ist mehrfache Handwerksmeisterin und Bundesvorsitzende des Verbandes der UnternehmerFrauen im Handwerk e.V. (UFH).
- © Christian Vogel - CvArt / Getty Images – Asbest (3482_asbest.jpg)