Wenn öffentliche Institutionen, Kommunen oder Städte Leistungen oder die Beschaffung von Gütern beauftragen, sind sie an Vergabeprozesse gebunden. Das Vergaberecht umfasst alle Regeln und Vorschriften, die die öffentliche Hand beim Einkauf befolgen muss. In den vergangenen Jahren gab es eine Reihe von Aktualisierungen und Reformierungen des Vergaberechts mit dem Ziel, die Chancen für Gründungen, junge Unternehmen und mittelständische Betriebe bei der Auftragsvergabe zu erhöhen. Laut Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) werden jährlich Aufträge in Höhe eines dreistelligen Milliardenbetrages aus der öffentlichen Hand vergeben. Die öffentliche Auftragsvergabe ist damit ein bedeutender Wirtschaftsfaktor, der sich für die beteiligten Firmen lohnen kann.

Laut des Deutschen Startup Monitors 2020 sind nur etwa fünf Prozent der erzielten Gesamtumsätze auf Kommunen, Städte oder andere öffentliche Institutionen zurückzuführen. Mit der Frage, wie Startups und Gründende vermehrt von öffentlichen Ausschreibungen profitieren können, haben wir uns am 24. Juni im Online-Erfahrungsaustausch der Reihe „Gründungsökosysteme gestalten“ beschäftigt.

Neben unserem Netzwerk aus Unterstützerinnen und Unterstützern von regionalen Gründungsökosystemen aus ganz Deutschland waren auch ausgewählte Gäste eingeladen: Marc Kley, Geschäftsführer von „Gateway“ - dem Exzellenz Startup Center der Universität zu Köln, Melanie Franke, Referentin von der IHK Stuttgart, sowie Julius Weber, Referent Startups bei Bitkom (Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V.) und Mitglied im RKW Fachbeirat „Gründung“.

Marc Kley umriss zu Beginn die aktuelle Situation, wenn es um Aufträge aus der öffentlichen Hand geht. Für Gründende und Startups ist eine Angebotsabgabe sehr aufwendig und setzt eine lange Vorbereitungszeit voraus, um die erwartete Leistungsbeschreibung dezidiert aufzuschreiben. Auch die Erfüllung der von Seiten der Auftraggebenden identifizierten Bewertungskriterien, wie beispielsweise langjährige Erfahrungen oder Referenzen, sind für Startups oftmals nur schwer erfüllbar. Junge Unternehmen und Gründende haben deshalb beim Zuschlag häufig das Nachsehen. Die Erfahrung teilten andere im Austausch, auch aus der Perspektive der Auftraggebenden, die nur sehr schwer Startups oder Gründende mit ihren Ausschreibungen erreichen.

Services und Hilfestellung der IHKs

Melanie Franke von der IHK Stuttgart stellte anschließend konkrete Serviceangebote vor: Die Auftragsberatungsstellen der Industrie- und Handelskammern sowie der Handwerkskammern der jeweiligen Bundesländer zielen darauf ab, Unternehmen beim Zugang zum öffentlichen Markt zu unterstützen. Die jeweiligen Stellen führen eine sogenannte Präqualifizierung von Unternehmen, aber auch von Startups, Gründenden und Freiberuflern im Liefer- und Dienstleistungsbereich durch. Die Präqualifizierung dient der Eintragung in das Amtliche Verzeichnis präqualifizierter Unternehmen (AVPQ), das durch die jeweils zuständige IHK geführt wird (zum Erklärvideo der IHK Stuttgart). Hier können sich Unternehmen für einen kleineren Geldbetrag zertifizieren lassen und diese bei der Angebotsabgabe mit angeben. Gründende und Startups können ohne Referenzen zertifiziert werden, das vereinfacht und ermöglicht die Teilnahme an öffentlichen Ausschreibungen und spart Ressourcen. Der Eintrag gilt als Eignungsnachweis, zunächst für alle EU-Vergaben, aber auch für den nationalen Bereich ist eine verpflichtende Akzeptanz vorgesehen. Öffentliche Auftraggeber haben somit eine weitgehende Gewissheit, dass eingetragene Unternehmen geeignet sind und keine Ausschlussgründe vorliegen.

Für junge Unternehmen ist das ein Vorteil, da sie sich mit der Eignungsvermutung gezielt auf die Angebotserstellung konzentrieren, wertvolle Erfahrungen sammeln und unnötige Fehler (z.B. unvollständige oder fehlende Nachweise) verhindern können.

Des Weiteren bieten die IHKs gezielt Beratungen für Gründende und Startups an und helfen beim Aufbau eines Ausschreibungsmanagements weiter. Zudem bieten die IHKs Veranstaltungen an, um Barrieren und Fallstricke im Ausschreibungsmanagement frühzeitig abzubauen und zu verhindern.

Ansätze zum Umdenken

Julius Weber erläutert mit Bezug zum Bitkom-Papier „7 Punkte für mehr Startups in der öffentlichen Vergabe“ die wichtigsten Forderungen und Maßnahmen, wie mehr Startups in der öffentlichen Vergabe berücksichtigt werden können. Um die Zusammenarbeit von Startups und der öffentlichen Hand zu fördern, plädiert er dafür, bei der Eignungsanforderung und den Bewertungsstrukturen von öffentlichen Aufträgen weg von einer vollständigen Risikoeliminierung hin zu einem angemessenen Risikomanagement und einer Wertschätzung technologischer Innovationen zu kommen.

Um Bewegung in den Vergabeprozess an junge Unternehmen und Startups zu bringen, empfiehlt er, vor allem den Dialog und die Transparenz für alle Beteiligten zu verbessern. Die Vergabeverantwortlichen können durch Trainingsangebote besser über die vielfältigen Chancen bei der Berücksichtigung von Gründungen und Startups informiert werden. Auch die Startups gilt es über Schulungsangebote und Workshops zu sensibilisieren, um diese sowohl rechtlich als auch kulturell besser mit dem öffentlichen Sektor vertraut zu machen.

Weitere konkrete Ansätze aus der Runde sind Ausschreibungen lösungsoffen zu gestalten, das heißt die Beschaffenden beschreiben lediglich die Problemstellung und nicht die geforderten Leistungen. Diese Form bietet mehr Raum für innovative Herangehensweisen und kommt Gründungen und Startups hierdurch entgegen. Darüber hinaus bietet sich eine gezielte Markterkundung von Seiten der öffentlichen Auftraggebenden an sowie eine gezielte Bekanntmachung von Ausschreibungen in der Startup-Szene, zum Beispiel über beliebte Social-Media-Kanäle. Melanie Franke gab noch weitere  Tipps, wie zum Beispiel dass sich für junge Unternehmen der Zusammenschluss zu Bietergemeinschaften eignet und dafür Auftraggebende vermehrt Nebenangebote zulassen sollten.  

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