Wenn man über „Führung“ nachdenkt, geht man häufig von mehr oder weniger hierarchiegetriebener Führung innerhalb eines Angestelltenverhältnisses aus. Die Führenden sind dann in unterschiedlichen Ebenen zu finden: von der Teamleitung kleinerer Einheiten bis zu Vorstandsvorsitzenden großer Konzerne. In diesem Beitrag soll allerdings der Fokus auf komplexere Systeme gelegt werden: auf Gründungsökosysteme. Braucht es für das erfolgreiche Gedeihen von Gründungsökosystemen Leadership? Und wenn ja, wie muss gute Führung aussehen, damit die Zusammenarbeit verschiedener Akteurinnen und Akteure Früchte trägt? Und wer ist prädestiniert, um eine Führungsrolle einzunehmen und auszufüllen?
Gründungsökosysteme als komplexe soziale Systeme
Gründungsökosysteme bzw. Entrepreneurial Ecosystems sind komplexe (soziale) Systeme mit regionaler Verortung. Sie umfassen einerseits die Unterstützungslandschaft für Gründende und Start-ups, andererseits die Gründungsszene selbst. Wesentlicher Bestandteil erfolgreicher Gründungsökosysteme ist das effektive Zusammenwirken (angehender) Gründender, unterstützender Akteurinnen und Akteure sowie von Organisationen wie beispielsweise Bildungs- und Fördereinrichtungen, Unternehmen, Investorinnen und Investoren oder politischen Institutionen.
Wir haben einerseits verschiedene Gründungsökosysteme kennengelernt, deren Entwicklung eher „top-down“ von öffentlicher oder privater Seite getrieben war. Andererseits gibt es auch Beispiele, die natürlich von „unten“ – also aus dem Engagement der Agierenden heraus – gewachsen sind. Wir selbst sprechen davon, dass es für erfolgreiche Gründungsökosysteme kein einheitliches Rezept gibt: Sie müssen gelebt und gestaltet werden – und zwar von allen
mitwirkenden Akteurinnen und Akteuren. Ihre Entwicklung kann beeinflusst, aber nicht kontrolliert und gesteuert werden. Allerdings gibt es unter den Agierenden Gruppen, die für eine Führungsrolle berufen sind.
Prinzipien zur Gestaltung von Startup-Communitys: Leader und Feeder im Fokus
Startup-Communitys bilden den Kern von Gründungsökosystemen. Sie sind sozusagen der Nukleus der unternehmerischen Aktivitäten. Wir haben zehn Prinzipien in einem Poster gesammelt, die dabei helfen, Startup Communitys und Gründungsökosysteme zu stärken oder weiterzuentwickeln.
Zehn Prinzipien zur Gestaltung von Startup-Communitys:
- Einzigartigkeit
- Kooperation
- Leader
- Feeder
- Vertrauen
- Offenheit
- Messbarkeit
- Räumliche Nähe
- Identifikation
- Selbstverstärkung
>> Zum Fachartikel und zur Bestellung bzw. zum Download des Posters „Zehn Prinzipien für die Gestaltung von Startup-Communitys“
Zwei der genannten Prinzipien sind an dieser Stelle von besonderer Relevanz. Mit „Feeder“(engl.) sind öffentliche Agierende – meist Organisationen – gemeint, die beim Aufbau und der Entwicklung von Startup-Communitys vor allem eine unterstützende Funktion haben. Die Bedeutung engagierter Menschen, die für die unterstützenden Organisationen arbeiten und sich als impulsgebende und koordinierende Personen oder Auftraggebende einbringen, darf dabei nicht unterschätzt werden.
Als „Leader“ (engl.) verstehen wir im Zusammenhang mit der Gestaltung von Gründungsökosystemen insbesondere Personen, die selbst eigene Gründungs- oder unternehmerische Erfahrungen aufweisen. Sie sind für eine Führungsrolle in Startup-Communitys prädestiniert. Warum?
Führung durch Vorbild- und Mentorenrolle
Frauen und Männer, die selbst Unternehmerin oder Unternehmer sind oder zumindest unternehmerische Erfahrung haben, können in Gründungsökosystemen eine entscheidende Führungsfunktion übernehmen – und zwar als Vorbilder, Mentorinnen und Mentoren.
Vorbilder verkörpern ihre Überzeugung und schärfen dadurch auf authentische Art und Weise das Bewusstsein anderer. Was für den Sport oder die Musikbranche gilt, funktioniert auch hier: Charismatische Vorbilder inspirieren junge oder angehende Unternehmerinnen oder Unternehmer, bringen ihre positiven, aber auch negativen Erfahrungen ein und geben dadurch Orientierung bei der Entscheidung, Entrepreneurship als Karriereweg zu wählen.
Leader können daneben auch sehr gute Mentorinnen oder Mentoren sein, indem sie die Nähe von (angehenden) Gründenden suchen und damit die Bereitschaft ausstrahlen, als Ratgebende ihren großen unternehmerischen Erfahrungsschatz mit der nächsten Generation zu teilen. Durch vertrauensvolle und engagierte persönliche Beziehungen wird diese Rolle zu einem Schlüsselfaktor eines erfolgreichen Führungsverständnisses.
Schlüsselmerkmale guter Führung
Leadership in Gründungsökosystemen kann – wie das komplexe System selbst auch – individuell verschieden gelebt werden. Zusammenfassend können wir folgende Schlüsselmerkmale von Führung nennen, die sich auch aus den oben genannten zehn Prinzipien ableiten:
Leader in Gründungsökosystemen ...
- sind immer Menschen und keine Organisationen
- sind für Agierende und Gründende sichtbar und können angesprochen werden
- unterstützen andere ohne Erwartung, etwas dafür zu bekommen – ganz nach dem Grundsatz „Give before you get“
- entwickeln sich ganz natürlich durch persönliche Identifikation und echtes Interesse
- zeichnen sich durch ein langfristiges Engagement für die Region aus und sind somit selbst Teil der selbstverstärkenden Wirkung.
In diesem Sinne findet Führung außerhalb hierarchischer Strukturen statt und basiert vor allem auf einer intrinsischen Motivation engagierter Männer und Frauen. Letztendlich kann gutes Leadership aber nur im Zusammenspiel aller Beteiligten in einem Gründungsökosystem sein gesamtes Potenzial entfalten und einen enormen Mehrwert für Gründerinnen und Gründer sowie für die gesamte Region stiften.
*Dieser Artikel wurde zuerst in einem RKW Magazin "Eine(r) für alle, alle für eine(n)" mit dem Schwerpunkt: "Team und Führung" veröffentlicht. Dort haben Sie auch die Möglichkeit unser Magazin zu abonnieren. Alle Magazine finden Sie unter: www.rkw-magazin.de.
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