Homeoffice ohne Vorlauf: Es ist überraschend gut gelaufen

Arbeit im Homeoffice hatte viele Jahre eine Randstellung in den Unternehmen. Arbeiten in Präsenz war die Norm.Wenn  es für Beschäftigte überhaupt Möglichkeiten zum Homeoffice gab, dann waren diese meist knapp dosiert: zum Beispiel auf einen Arbeitstag in der Woche oder als Reaktion auf familiäre Erfordernisse.

Dies änderte sich unter dem Druck der Corona-Pandemie und der von der Politik verordneten Kontaktbeschränkungen. Es gab es einen kräftigen Schub für diese Arbeitsform. In den Hochphasen der Pandemie waren es rund ein Drittel aller Beschäftigten in Deutschland, die in größerem Ausmaß, d.h. zwei Tage und mehr im Homeoffice arbeiteten. Mobiles Arbeiten wurde nicht für alle Erwerbstätigen aber für viele Bürobeschäftigte zu einem „New Normal“. Viele Führungskräfte, waren überrascht, wie erfolgreich sich mobile Arbeit in den Unternehmen etablieren konnte. Auch Verfechterinnen und Verfechter von Präsenzarbeit konnten sich davon überzeugen, dass Produktivität und Leistung der Beschäftigten weiterhin stimmten. Mit großem Engagement und guten Ideen wurde in den Unternehmen die für das mobile Arbeiten erforderliche technische Infrastruktur aufgebaut.

Aus dem Blickwinkel vieler Beschäftigter punktet mobile Arbeit durch die Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben und mehr Handlungsautonomie. Diese positiven Erfahrungen mit mobiler Arbeit haben bei Beschäftigten Erwartungen an die Unternehmen geweckt, Angebote auf diesem Gebiet auszubauen.

Die Bilanz der letzte Jahre hinsichtlich mobiler Arbeit fällt im Großen und Ganzen positiv aus. Gleichwohl bleiben für die Zukunft noch offene Fragen zu den Zukunftsperspektiven der Arbeitsform. Es besteht Gestaltungsbedarf, um die positiven Potenziale zu erschließen und um Fehlentwicklungen entgegenzuwirken.

Mobile Arbeit und Homeoffice: unpassend für den Mittelstand?

Im Blick auf den Auftrag des RKW, den Mittelstand konzeptionell zu unterstützen, kann man zunächst einmal ganz grundsätzlich fragen: Wird bei dem ganzen Hype um mobile Arbeit der Mittelstand mit seinen spezifischen Bedingungen ausreichend beachtet?  Bei einer Diskussion im RKW äußerte ein Unternehmenspartner diesbezüglich Vorbehalte. Homeoffice sei etwas für große Unternehmen mit ihren großen Verwaltungsbereichen aber für kleine Unternehmen etwa aus dem Handwerk wenig geeignet. Der Unternehmer monierte anschließend einen regelrechten öffentlichen Erwartungsdruck in Richtung auf mobiles Arbeiten. Eine solche Skepsis bildet die eine Seite der Medaille.

Die andere Seite ist aber: Es gibt auch im Mittelstand Homeoffice-Konzepte und Lösungen, und zwar dort, wo man sie nicht unbedingt vermuten würde. Eine Einrichtung, die Menschen mit Behinderung betreut und diese persönlich aufsucht, hat Zeiten für das Arbeiten im Homeoffice gleichsam „freigeschaufelt“. Dokumentationsaufgaben werden in dieser Firma zeitlich gebündelt und können zumindest einige Stunden am Stück zu Hause erledigt werden.

Dies bedeutet, an den organisatorischen Voraussetzungen für Arbeiten im Homeoffice kann oftmals gearbeitet werden, und es können Spielräume dafür geschaffen werden. Vor diesem Hintergrund ist durchaus offen, welche Zukunftspotenziale mobile Arbeit auch in kleineren Unternehmen hat.

Regeln für mobile Arbeit: Verlässlichkeit und Flexibilität ausbalancieren

Unternehmen mit Betriebsrat regeln mobile Arbeit durch eine Betriebsvereinbarung. Die kleinen und mittelgroßen Unternehmen, die in ihrer großen Mehrheit keinen Betriebsrat haben, können mobile Arbeit einzelvertraglich regeln. In der Praxis gibt es nicht selten Homeoffice auf informellem Wege nach Absprache, gleichsam auf Zuruf und von Fall zu Fall. In sehr kleinen, „übersichtlichen“ Unternehmen, in denen die Beschäftigten und Vorgesetzten  alltäglich eng zusammenarbeiten und  miteinander vertraut sind, können formale Regelungen verzichtbar sein. Gleichwohl  lautet unsere grundsätzliche Empfehlung, unternehmensbezogene Regeln und  Standards für mobiles Arbeiten unter Einbeziehung der Mitarbeitenden zu etablieren. Dafür sprechen folgende Gründe:

  • Das Fehlen nachvollziehbarer und akzeptierter Regelungen kann Ungerechtigkeiten verursachen und zu Unmut innerhalb der Belegschaft führen.
  • Klare Regeln schaffen Erwartungssicherheit und Verlässlichkeit, eine wichtige Voraussetzung für die Kooperation und reibungsarme Prozesse im Unternehmen. Regelungen zu Erreichbarkeit im Homeoffice haben dabei eine große Bedeutung.
  • Nicht zuletzt geht es um rechtliche Fragen. Die Arbeitsschutzgesetze, personenbezogener Datenschutz und betriebliche Datensicherheit müssen auch bei mobiler Arbeit beachtet und gewährleistet werden.

Bei der Ausgestaltung der Regelungen gibt es eine große Bandbreite an Möglichkeiten. Zum einen geht es darum, die Interessen und Wünsche der Mitarbeitenden zu berücksichtigen. Zum anderen sind die Erfahrungen und das Prozesswissen der Mitarbeitenden wie auch der Führungskräfte eine Basis für wirtschaftlich und sozial tragfähige Lösungen mobiler Arbeit. Die Regelungen sollten auf die Bedingungen des Unternehmens  zugeschnitten werden. Die Strukturen des Unternehmens,  die Arbeitsbereiche und Prozesse sowie die Arbeitskultur sind Orientierungspunkte für eine passgenaue und bedarfsgerechte Gestaltung von mobiler Arbeit. So wichtig verlässliche und klare Regeln sind, es gilt dabei Maß zu halten. Ein Überborden detaillierter, kleinteiliger Regelungen sollte vermieden werden. Zu viel Bürokratie führt zu Unübersichtlichkeit und Unbeweglichkeit.

Entgrenzung und abnehmende Betriebsbindung?

Offen ist, welche längerfristigen Auswirkung vermehrtes orts- und zeitflexibles Arbeiten auf die arbeitenden Menschen und die Arbeitskulturen hat. Erwerbsarbeit dient ja nicht nur dem Gelderwerb. Die Sozialforscherin Marie Jahoda hat in den 1970er Jahre auf die große soziale und kulturelle Bedeutung von Erwerbsarbeit aufmerksam gemacht. Sie bringt Struktur in den Tagesablauf und sorgt für regelmäßige Tätigkeiten. Soziale Kontakte werden durch die Arbeit geschaffen.  Man arbeitet mit anderen Menschen an gemeinsamen Zielen und erwirbt sich eine Position in der Gesellschaft. 

Im Zuge der Verbreitung mobiler Arbeit könnte es zu einer Neujustierung dieser sozialen und kulturellen Funktionen von Erwerbsarbeit kommen.  Darauf deuten empirische Befunde zu Entwicklungen in der mobilen Arbeitswelt hin:

  • Es gibt Tendenzen zur Entgrenzung von Arbeit. Erwerbsarbeit greift im Privatleben Raum, indem zum Beispiel spät abends und am Wochenende noch gearbeitet wird. Arbeitszeitliche Strukturen und Regelmäßigkeiten geraten durcheinander. Dies kann die Gesundheit der Arbeitenden gefährden und auch zulasten der Arbeitseffizienz gehen.
  • Beschäftigte, die im Homeoffice arbeiten, berichten, dass sie weniger mitbekommen, was im Betrieb passiert. Sie sehen sich teilweise auch isoliert. Ein direkter Kontakt und Gespräche nebenbei mit Kolleginnen und Kollegen finden weniger statt als unter den Bedingungen von Präsenz.
  • Die Identifikation mit dem Betrieb kann durch das Arbeiten entfernt vom Standort beeinträchtigt werden. Die Arbeit mit den Kolleginnen und Kollegen am gemeinsamen Ziel wird weniger erlebbar.

Die richtige Mischung und gute Gestaltung

Die arbeitskulturellen Risiken im Blick und die Vorteile einer besserer Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben vor Augen, gilt es auch bei mobiler Arbeit eine gute Balance zu finden. Ein Lösungsansatz hat sich bereits herauskristallisiert – er lautet: die Mischung macht’s.

Viele Beschäftigte wollen, dort wo es die Tätigkeiten hergeben, mobil und im Homeoffice arbeiten, aber nicht im vollen Umfang während der gesamten Arbeitswoche. Die Wünsche der meisten Beschäftigten bewegen sich im Spektrum einer in etwa hälftigen Verteilung der Arbeitszeit  zwischen mobilem Arbeiten und Arbeiten in Präsenz. Hierfür steht der Begriff "hybride Arbeit". Auch in Betrieben mit weitreichenden Homeoffice-Angeboten bleibt der Betriebsstandort als Sozialzusammenhang ein Fixpunkt.  So werden in Vereinbarungen zu mobiler Arbeit Pflichtpräsenzen bei betrieblichen Erfordernissen und wichtigen gemeinschaftlichen Ereignissen festgelegt.

Recht vielschichtig sind Lösungsansätze, die sich mit der passgenauen Gestaltung von mobiler Arbeit im Unternehmen befassen. Sie sind Hauptthemen unserer Entscheidungshilfe für mobile Arbeit. Es gibt viele Themen bei der Regelung mobiler Arbeit. Zum einen geht es um eher „harte“ Themen wie Recht, technische Ausstattung und Arbeitsgestaltung. Zum anderen müssen die eben angesprochenen sogenannten „weichen“ Themen wie Zusammenarbeit und Betriebsklima beachtet werden. 

Mit unserer Arbeitshilfe "Homeoffice und mobile Arbeit bewusst gestalten" können Sie ausgehend von Hintergrundinformationen und Empfehlungen durch den Einsatz von Checklisten und Instrumenten eine für Ihren Betrieb passende Regelung finden.  

Wünschen Sie weitere Informationen zum Thema Mobile Arbeit? Wir freuen uns über Ihr Interesse und Ihre Kontaktaufnahme.

Dr. Andreas Hinz Fachkräftesicherung / Referent

06196 495-3213
Dr. Andreas Hinz

Maximilian Auth Fachkräftesicherung / Programmbereichsleiter

06196 495-3204
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