Und dabei ist er mein bester Mann.Wir müssen ihm unbedingt was bieten!" Das bedeutet für Frau Meier in der Summe nicht nur viel Aufwand, ihre Mittel sind begrenzt. Hier und da kann sie eine Gehaltsanpassung bieten oder eine attraktive Weiterbildung. In Gesprächen mit Mitarbeitern nimmt sie trotzdem immer wieder Frustration und Unmut wahr: aufgrund fehlender Entwicklungsperspektiven, nicht nachvollziehbarer Gehaltsunterschiede oder ungleich verteilter Incentives. Deshalb beschließt Frau Meier, ihren Geschäftsführer darauf anzusprechen und schlägt ihm die Einführung von Fachlaufbahnen in den Bereichen Konstruktion, Forschung und Entwicklung sowie im Vertrieb vor.
Sie erzählt von den Problemen und erklärt ihrem Geschäftsführer Herrn Konrad auch, dass transparente Entwicklungsperspektiven gerade für die Jüngeren ein Bindungsinstrument Nr. 1 sind. Sie verspricht sich von der Fachlaufbahn auch eine unmittelbare Wirkung auf die Innovationsfähigkeit und den Absatz, natürlich hält sie auch damit nicht hinter dem Berg. Ihr Chef ist zunächst ganz Ohr, muss dann aber aufgrund wichtiger Termine, bei denen es um viel Geld geht, weiter. Im Weggehen ruft er ihr zu: "Das ist eine gute Idee, Frau Meier. Kümmern Sie sich drum!"
Zusammen mit ihren Kolleginnen und Kollegen aus der Personalabteilung arbeitet sie – manchmal bis in die tiefen Abendstunden – ein Konzept aus. Sie beginnen mit der Identifikation wichtiger Schlüsselkräfte und führen auch gleich Gespräche mit Ihnen, in denen sie sich danach erkundigen, ob das Ganze etwas für sie wäre. Natürlich haben sie auch gleich ein paar Beispiele im Gepäck, was den Experten zugutekommen könnte, von Geld ist die Rede und von einem Status, der den Führungskräften entspricht. Schließlich hat Frau Meier gelesen, dass Fach- und Führungslaufbahn konsequent parallel konstruiert werden müssen, damit es etwas taugt. Die leuchtenden Augen ihrer Gesprächspartner bestätigen sie in ihrem im Vorgehen. Die Zweifel am Konzept oder seiner Durchsetzbarkeit, die sie hin und wieder auch hören, lösen bei ihnen nur Irritation aus. "Ist das Konzept erst mal eingeführt, werden sie schon sehen", sagt Herr Hertel, seines Zeichens Personalreferent, während des Vorbereitungsgesprächs der Personalabteilung für die Präsentation vorm Führungskreis. Mittlerweile ist die Personalabteilung auf einer Mission.
Am nächsten Tag stellt Frau Meier das Konzept vor. Viele Folien hat sie gemacht, sie erzählt von den Problemen und dem Nutzen, den Fachlaufbahnen versprechen. Sie hat sogar ein Entwicklungsprogramm für angehende Experten entworfen. "Das ist schön und gut, Frau Meier", unterbricht sie irgendwann ihr Chef. Frau Meier war in ihrem Eifer gar nicht aufgefallen, dass unter den Abteilungsleitern das eine oder andere Kopfschütteln oder Augenrollen zu sehen war. Herr Konrad fährt fort: "Unsere Geschäfte laufen im Moment recht gut, aber das Konzept, dass sie hier vorgelegt haben, ist trotz allem nicht finanzierbar. Es passt auch nicht zu uns. Wo kommen wir denn hin, wenn jeder etwas begabte Techniker mehr verdient als sein Chef. Das untergräbt die Moral." Frau Meier ist erschüttert. Sie spürt sofort, dass auf einmal viel mehr auf dem Spiel steht als nur das Konzept. Was soll sie bloß den Leuten sagen, denen sie vollmundig so viel versprochen hat? Wie soll sie sich erklären, was wird ihr Team später von ihr denken?
Die Wildwuchs GmbH ist zwar fiktiv, aber sehr realistisch, oder?! Fachlaufbahnen versprechen hohe Nutzenbeiträge, aber ihre Einführung kann mit hohem Aufwand verbunden sein. Das dürfte auch Herrn Konrad bereits nach dem ersten Gespräch klar gewesen sein, aber er hat sich gedrückt vor seiner Verantwortung und der damit verbundenen Auftragsklärung. Frau Meier ist ihm – typisch für viele Personalverantwortliche – in die Falle getappt. Sie hat Verantwortung für etwas übernommen, wofür sie gar keine Verantwortung übernehmen kann. Aus ihrer Bereichslogik heraus hat sie sich für die Maximallösung entschieden, was gerade nach einem Blick auf die aktuelle Literatur zum Thema nicht verwunderlich ist – schließlich wird die Gleichwertigkeit alternativer Laufbahnkonzepte dort wie ein Mantra vorgebetet. Frau Meier hat aber noch ein weiteres getan: sie hat die Einführung der Fachlaufbahn mit Personalentwicklung verwechselt und mit der Auswahl von Personen und Stellenausstattungen begonnen, anstatt zunächst einmal das Geschäft und die Organisation in den Blick zu nehmen.
Das RKW Kompetenzzentrum hat gemeinsam mit mittelständischen Unternehmen einen Ansatz für die Einführung von Fachlaufbahnen entwickelt, der dabei hilft, die richtigen Fragen in einer richtigen Reihenfolge zu stellen. Am 3. März werden wir diesen Ansatz im Rahmen unseres Netzwerktreffens "Laufbahnen, Entwicklungswege und Perspektiven für Fachkräfte im Mittelstand" vorstellen, praktische Fachlaufbahnansätze mit Ihnen diskutieren und konzeptionelle Fragen klären. Wenige Plätze sind noch frei, die Teilnahme ist kostenlos.
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