Anders am 28. Januar in der Berliner IHK: Die vierte Fachtagung des Innovationsbüros Fachkräfte für die Region "vielfältig, kreativ, nachhaltig – Ideenreich in Netzwerken arbeiten" drehte sich rund um dieses Thema, wenn auch nicht mit dem Blickpunkt auf persönliche Netzwerke. Ein Bericht über diesen Tag erwartet Sie.

Das Ankommen

Es ist 10 Uhr. Weit über 100 Teilnehmer stehen entweder in einer der Schlangen vor der Registrierung, vor der Garderobe oder aber glücklicherweise bereits an einem der zahlreichen Stehtische mit einem frischen Croissant oder einer Tasse Kaffee in der Hand. Sie alle sind aus einem Grund hier: Das Thema Fachkräftesicherung treibt sie um. Und das Thema Netzwerke. Denn, so lerne ich, genau um diese Verknüpfung geht es an diesem Tag. Der Veranstalter kümmert sich im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) um regionale Netzwerke und Initiativen zur Fachkräftesicherung. Mit Austauschkreisen, Workshops und bundesweiten Veranstaltungen werden diese Akteure unterstützt. Auch die heutige Fachtagung dient diesem Zweck.

Gegen 10:30 Uhr finden sich die Teilnehmer in einem der Veranstaltungsräume ein. An der Universität hätte man diesen Raum einen Hörsaal genannt, nur bei weitem nicht so bequem von den Sitzgelegenheiten und edel vom Ambiente her. Nach den Begrüßungsworten des stellvertretenden Hauptgeschäftsführers des Deutschen Industrie- und Handelskammertages e. V. (DIHK) Dr. Achim Dercks sowie des Staatssekretärs im BMAS Thorben Albrecht beginnen die beiden Impulsvorträge. Ich bin sehr gespannt auf den ersten der beiden. Wenn in der Ankündigung zu lesen steht, der Redner sei Unternehmensberater, Musiker, Spieleautor und Unternehmer in Personalunion, so darf ich zurecht neugierig auf Wolfgang A. Erharter sein.

Auf dem Stehtisch liegt eine Stradivari (- wenn man es ihm glauben konnte). Diejenigen, die näher an ihr dransitzen, staunen über die fünfte Saite. Im Laufe des unterhaltsamen Vortrags über Kreativität und Innovation fliegt ein Ziegelstein aus Schaumstoff ins Publikum, hören wir gekonnt vorgetragene Auszüge klassischer Werke von Bach über Beethoven hin zu Jazz-Improvisationen und folgen der Argumentation, warum es so etwas wie Kreativität im bekannten Sinne nicht gibt. Wenn ich ehrlich bin: Am meisten in Erinnerung geblieben ist mir trotz des guten Vortrags der Schaumstoffziegel. Den zweiten Impulsvortrag hält Peter Helbig. Der Unternehmensberater, Moderator und Coach berichtet über seine Erfahrungen aus dem Netzwerk "Bündnis für Fachkräfte Bonn/Rhein-Sieg".

Bevor die Mittagspause beginnt, resümiert Jan Kuper als Projektleiter des Innovationsbüros Fachkräfte für die Region die Anregungen und Impulse der vorherigen Vorträge. Darüber hinaus werden die drei Foren des Nachmittags vorgestellt:

  1. Mit den richtigen Partnern zum Netzwerk- bzw. Projekterfolg
  2. Ideenreich im Netzwerk arbeiten
  3. Regeln für den Umgang mit Misserfolgen und Konflikten – den langfristigen Erfolg von Netzwerken sichern

Nach der Mittagspause

Das Büffet wie die Gespräche in der Mittagspause sind gut und ergiebig. Meine Kollegin, mit der ich unterwegs bin, entpuppt sich als rührige Netzwerkerin und routiniert im Mittags-Small-Talk. Neue Kontakte wird sie ebenfalls wie konkrete Pläne für neue Veranstaltungen mit nach Eschborn nehmen. Für diejenigen, die das Essen schon hinter sich gebracht haben, gibt es unter anderem die Möglichkeit, sich an Stellwänden einzelne Netzwerkprojekte und deren Maßnahmen anzuschauen und zu bewerten. Jeder Teilnehmer hat drei Chips zur Verfügung, die er als "Punkte" vergeben kann. Schade nur, dass mein Favorit außer Konkurrenz läuft …

Ein Gong läutet die Foren ein. Ich entscheide mich für das zweite Forum: Ideenreich im Netzwerk arbeiten. Klingt gut! Moderiert wird das Forum von Lutz Leichsenring. Der Geschäftsführer der Agentur Young Targets erklärt zunächst, wer und was die Generation Y ist. Im Mittelpunkt seiner Ausführungen steht das sogenannte "Recrutainment". Recrutainment dient der Personalbeschaffung mit Unterstützung spielerischer Elemente und Methoden. Kurios und auffällig zugleich: Alle gebrachten Beispiele sind aus dem IT-Bereich. Einen Überblick findet sich hier. Ein Beispiel: ITalents – der Job-Shuttle zu den IT-Unternehmen in Saarbrücken.

Im praktischen Teil des Forums gilt es, Rekrutierungsmaßnahmen für drei Zielgruppen in der Gruppe zu sammeln und zu diskutieren: potentielle Azubis, Studenten und Young Professionals. Ich entscheide mich für die potentiellen Auszubildenden, denn deren Ansprache ist genau das Thema, mit dem ich mich aktuell fachlich auseinandersetze (Azubimarketing). Dementsprechend neugierig folge ich den Vorschlägen. Erst wird gesammelt, dann bewertet. Es gibt allerdings dabei einen gewaltigen Pferdefuß: Wenn diejenigen, die ihre Maßnahmen vorstellen, diese auch bewerten, verwundert es nicht, dass ausnahmslos alle Maßnahmen als gut und erfolgreich bewertet werden. Und so kommt es auch. Schade. Ein wenig kritischer und authentischer hätte ich mir diese Diskussion, die aus zeitlichen Gründen noch nicht einmal abgeschlossen werden konnte, schon gewünscht. Gerade mit dem Wissen, dass immer mehr Unternehmen immer weniger passende oder gar keine Auszubildenden finden, wäre ein wenig Problembewusstsein angebracht gewesen – suggerieren doch die Erfahrungen, es gäbe diese Probleme nicht. Wussten Sie, dass beispielsweise im Jahr 2013 jeder siebte Kleinbetrieb mit weniger als 20 Mitarbeitern seine Ausbildungsstellen nicht voll besetzen konnte? Oder dass im selben Jahr bei den IHK-Betrieben insgesamt 80.000 Ausbildungsplätze nicht besetzt werden konnten? Aber das ist ein anderes Thema.

Das Get-together

Ich war vermutlich nicht der einzige, der mit gemischten Gefühlen aus den Foren herauskam. Der Ausklang der Veranstaltung in Form eines Get-together entsprach jedenfalls nicht den Vorstellungen der Veranstalter: Viele der Teilnehmer verließen zügig den Veranstaltungsort. Unter ihnen befanden auch wir uns, denn es galt, den Zug für die Rückfahrt zu erwischen.

Was bleibt in Erinnerung von dieser Veranstaltung? Es ist positiv, zu sehen, dass so viel rund um das Thema Fachkräftesicherung passiert. Netzwerke werden gebildet, Austausch findet statt, und mit guten Ideen kommt man voran und ist Vorbild für andere. Wer zu dieser Veranstaltung gekommen ist, um sich Anregungen und Impulse zu holen oder sich bestätigen zu lassen, dass Netzwerkarbeit im Umfeld von Fachkräftemangel und demografischem Wandel hilfreich sei, der wird zufrieden nach Hause gefahren sein – mit der einen oder anderen Idee im Gepäck.

Aber (noch) zu wenige sind bereit, offen und ehrlich darüber zu sprechen, dass sie die Veränderungen genauso treffen wie viele andere auch. Erst wenn das geschieht, kann man noch besser über mögliche hilfreiche Maßnahmen sprechen. Wir Menschen lernen nicht so sehr durch gute Beispiele und Vorbilder als vielmehr durch vermeintliche Fehler und aufrichtige Erfahrungen. Es lohnt sich, darüber nachzudenken.

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