Digitalisierung ist in aller Munde, Ängste vor Arbeitsplatzverlust, weil "digitale" Kompetenzen fehlen. Wo, wenn nicht in der Ausbildung sollen Nachwuchskräfte diese Kompetenzen erwerben? Genau darum reden viele von "Ausbildung 4.0" (Sorry, aber das Buzzword muss hier mal sein). Und die Realität?

Acht Ausbildungsordnungen sind zum Beginn des neuen Ausbildungsjahres modernisiert worden. Der Pressemitteilung des BMWi kann man entnehmen, worum es jeweils ging. Digitalisierung taucht dreimal auf: Bei den Anlagenmechanikern Sanität Heizung Klimatechnik wird das "Smart Home" Bestandteil der Ausbildung, die bisher getrennten Ausbildungen für Mediengestalter print und online werden zusammengefasst und bei den Hörakustikern werden elektronische Abrechnungen in die Ausbildung eingebunden.  

Nun sind die Ausbildungsordnungen bewusst technologieneutral formuliert, den Betrieben eröffnet das mehr Freiheiten. Aber nutzen die alle? Man hört noch von Handyverbot im Betrieb - es ließe sich aber auch für die Ausbildung einsetzen: Für die interne Kommunikation zwischen Azubi auf einer Baustelle und Ausbilder in der Werkstatt, für den Austausch zwischen den Azubis, für den Nachweis von fertiggestellter Arbeit, für das Berichtsheft...

Was machen die gut 30.000 Jugendlichen, die 2016 den erneut beliebtesten Ausbildungsberuf ergriffen haben: Kaufmann/-frau im Einzelhandel, wenn noch mehr online gehandelt wird? Dann müssten sie viel von IT und von Logistik verstehen, von Online-Marketing und sicheren Online-Abrechnungssystemen. Wie viel davon lernen sie heute schon?

Das BIBB hat in einem Forschungsprojekt mit VW untersucht, ob die aktuellen Ausbildungsprofile das abbilden, was künftig bei der Wartung und Instandhaltung von Produktionsanlagen gebraucht wird. Ihr Zwischenergebnis: kein aktuelles Profil bildet das ab. IT-Kompetenzen bekommen einen weit höheren Stellenwert, neue Kompetenzen kommen hinzu. In ihrem Zwischenbericht schlagen BIBB und VW drei alternative Vorgehensweisen vor: Neuordnung eines Beruf "operativer Instandhalter", Überarbeitung des Berufs Mechatroniker mit verschiedenen fachlichen Spezialisierungen oder innerbetriebliche Fortbildung. Zeit braucht jeder Weg. 

Läuft der Ausbildung die Zeit davon?

Das deutsche duale Ausbildungssystem genießt einen sehr guten Ruf, ganz zu Recht. Aber ich befürchte, es ist in diesen dynamischen Zeiten etwas träge. Wenn es bis zu zehn Jahren dauert, bis sich die vielen Beteiligten auf eine neue, eine modernisierte Ausbildungsordnung geeinigt haben, sind 30 oder 40 Internet-Generationen vergangen ... Es wäre wirklich fatal, wenn die Unternehmen heute Zeit und Geld in eine gute Ausbildung ihres Nachwuchses investieren, um dann am Ende festzustellen, dass sie die gerade ausgelernten Fachkräfte nachqualifizieren müssen...

Und noch eine Baustelle gebt es: Die Berufsschulen und überbetrieblichen Ausbildungszentren. Sind sie alle gerüstet für die Digitalisierung? Können die Lehrer digitale Medien für den Unterricht einsetzen? Gibt es die überhaupt an der Schule oder überwiegen noch Tafel und Overheadprojektor?

Wer die duale Berufsausbildung wirklich stärken will, wer sie attraktiv halten will gegenüber einem Studium, muss sich auch darum kümmern.