Beitrag 6 Die Zukunft der Pflege sichern: Mitarbeiteranwerbung im Ausland

 → Isabelle Metz

Einleitung
Der viel diskutierte Fachkräftemangel ist auch für die Krankenhauspflege eine der zentralen Herausforderungen der Zukunft. Studien zeigen, dass im Jahr 2030 ein enormer Fachkräftemangel in der Pflege herrschen wird. In den Jahren 2020 und 2030 kommt es zu einem dramatischen Anstieg des Personalmangels im Pflegesektor sowohl im stationären als auch im ambulanten Bereich – das zeigen die Ergebnisse deutlich.

Aktuell zeigt sich in den Statistiken der Bundesagentur für Arbeit (BA) kein flächendeckender Fachkräftemangel, allerdings sind in einzelnen Berufsgruppen und Regionen Mangelsituationen beziehungsweise Engpässe erkennbar. In einigen Berufsgruppen zeichnet sich nach Analyse der BA derzeit jedoch ein Fachkräftemangel ab.

Dazu gehören auch die examinierten Gesundheitsund Krankenpfleger.

Eine Studie von PCW zeigt die Entwicklung der Pflege bis zum Jahr 2030:

Nur durch entschiedenes Gegensteuern kann die gewohnt gute Versorgung auf dem Gesundheitssektor auch über das Jahr 2020 hinaus in Deutschland aufrechterhalten werden.

Hierfür sind neue Denkansätze notwendig, alte Strukturen sind infrage zu stellen. Nicht nur die Politik und die Wirtschaft, sondern auch die Akteure des Arbeitsmarktes sind gefordert und müssen nachhaltige Konzepte entwickeln.

Auch das Universitätsklinikum Frankfurt macht sich Gedanken zum Thema Fachkräftemangel. Bei der hohen Wettbewerbsdichte im Rhein-Main-Gebiet stellt der Fachkräftemangel für die Universitätsklinik FFM eine Existenzbedrohung dar.

Aus diesem Grund entschied die Klinik im Jahr 2011, sich dem Thema „Fachkräfteakquise aus dem Ausland“ zu nähern und in Kooperation mit dem Frankfurter Krankenhaus Nordwest dem drohenden Engpass auch mit der Rekrutierung ausländischer Pflegekräfte entgegenzuwirken.

Erste Schritte
Im Juni 2011 nahm das „Projektteam Portugal“, bestehend aus der Abteilung Personalgewinnung, Projektleitung, dem stellvertretenden Pflegedirektor sowie einem Mitarbeiter des Hauses, der für die Übersetzung zuständig war, an den „German Days“ in Portugal teil.

Dies war eine Initiative der Zentralen Auslands- und Fachvermittlung (ZAV) der Bundesagentur für Arbeit, die mit der Partneragentur vor Ort EURES die Jobmesse in Portugal organisierte. Die Messen fanden in den beiden Städten Porto und Lissabon statt.

Dort wurde das Leben und Arbeiten in Deutschland im Allgemeinen, die Berufsfelder der Pflege sowie des Ingenieurwesens im Speziellen vorgestellt. Die beiden Frankfurter Krankenhäuser warben für die Gesundheits- und Krankenpflege in Deutschland und stellten die beiden Häuser sowie die Inhalte der Arbeit in diesem Berufsfeld in einer Präsentation dar. Im Anschluss gab es an den beiden Messeständen ein reges Interesse an dem vorher Gehörten. Fragen wie … „Bekommen wir einen unbefristeten Arbeitsplatz“… oder … „Arbeiten wir dann ausschließlich für Ihr Krankenhaus“ … waren die meistgestellten.

Im Rahmen der Messe wurden Kontakte zum Goethe-Institut geknüpft. Die Leitung des Institutes in Porto war sehr interessiert an unserem Vorhaben. So verblieben wir mit dem Interesse, eventuell weitere Maßnahmen in Zusammenarbeit zu erstellen.

Nach Rückkehr von der Messe machten sich die Häuser Gedanken über den weiteren Verlauf. Da das gezeigte Interesse in Portugal in beiden Städten sehr groß war, entschied man sich, direkt von hier aus in den großen Zeitungen Stellenanzeigen zu inserieren. Es gibt zwei größere Zeitungen, die eine wird eher im Norden des Landes gelesen, die andere sowohl in der Mitte als auch im Süden.

Etwa 120 Bewerbungen erreichten das Universitätsklinikum. Extrem gut ausgebildete Menschen zahlreicher medizinischer Berufe bewarben sich, von denen circa 70 den grundsätzlichen Anforderungen entsprachen. Die anderen Bewerbungen waren aus den Bereichen des MedizinischTechnischen Dienstes oder Angestellte für Labore. Diese konnten leider nicht positiv beschieden werden. Dennoch lässt sich anhand dieser Tatsache erkennen, wie groß die Not der Menschen in diesem Land war. Sie waren gewillt, einen Arbeitsplatz anzunehmen, der nicht ihrer Qualifikation entsprach. Hauptsache sie haben eine Möglichkeit, Geld zu verdienen und ihre Familie zu ernähren.

Wir werden konkret
Im September 2011 wurden in Portugal die sortierten Bewerber zu Bewerbungsgesprächen eingeladen. Im Vorfeld   fand eine Planung statt, wer zu welchen Terminen und Gesprächen kommen sollte. In sehr vielen Fällen brachten Bewerber noch Verwandte oder Bekannte mit, die ebenfalls den Beruf des Gesundheits- und Krankenpflegers studiert hatten, aber zum Zeitpunkt der Messe noch arbeiteten und deswegen nicht teilnehmen konnten. So wurden die Teilnehmer für die Integrationsmaßnahme ausgesucht.

Danach nahmen diese in den beiden portugiesischen Städten an einem sechsmonatigen Intensivdeutschkurs teil. Dieser startete im November 2011 in Porto sowie in Lissabon. In enger Zusammenarbeit mit den Goethe-Instituten gelang es, einen einzig für die Frankfurter Krankenhäuser konzipierten, den Bedürfnissen ausgelegten Kurs anzubieten.

Die Kosten des Kurses sowie eine monatliche Aufwandspauschale übernahmen die beiden Frankfurter Krankenhäuser. Den Teilnehmern war es nicht möglich, neben dem Kurs arbeiten zu gehen. Und um sich in den sechs Monaten voll auf den Kurs zu konzentrieren und sich dabei gleichzeitig versorgen zu können, wurden die Kosten übernommen, die Aufwandspauschale ausgezahlt und dies auch vertraglich geregelt. Damit waren die Unsicherheiten bezüglich der Kosten geklärt.

Das Interesse seitens des Goethe-Institutes war sehr hoch und die vor Ort eingesetzten Lehrer zeigten sich äußerst engagiert. So entwickelten die Lehrer die Idee, Materialien aus den beiden Kliniken im Original als Arbeitsmaterialien für den Unterricht zu nutzen. So wurden Speisepläne, Pflegedokumentationen und nationale Pflegestandards in den Unterricht miteingebaut, um die neuen Mitarbeiter optimal auf den Start in den deutschen Krankenhäusern vorzubereiten.

Portugiesen im pflegenden Einsatz
Dieser erste Kurs endete im Mai 2012, und im Juni 2012 nahmen die ersten Portugiesen in der Uniklinik ihre Arbeit als Krankenpflegekräfte auf. Im Bereich der Intensivmedizin fanden sie ihren Platz. Denn das war auch der Wunsch der ersten acht Portugiesen.

Nun begann ein neuer, sehr wichtiger Abschnitt für die Mitarbeiter aus Portugal. Und auch für die Mitarbeiter des Universitätsklinikums sollte dies nicht ohne „Stress“ bleiben.

Für die Mitarbeiter vor Ort stellte dies eine extreme Herausforderung dar. Sie mussten die neuen Kollegen in fachlicher Hinsicht einarbeiten, aber darüber hinaus in sprachlicher Hinsicht unterstützen. Es war insgesamt jedoch ein angenehmer Stress.

Im Vorfeld machte sich das Projektteam Gedanken über die Unterbringung, die Anerkennung, die Integration etc. Man fragte sich … „Was müssen wir beachten?“ … „Was ist wichtig für die neuen Kollegen?“ … und … „Wie schaffen wir es, dass sie sich hier gut einleben können? Dies erfolgte aus dem Bestreben heraus, die neuen Mitarbeiter dauerhaft zu integrieren. Aus dem Nichtwissen heraus stellte sich das Projektteam die Frage: „Was würde ich mir an Unterstützung wünschen, wenn ich auswandern würde?“ Und das war die vernünftigste Überlegung. Sie sollten bei allen Belangen der Integration unterstützt werden.

Das Universitätsklinikum genießt den Vorteil, eigene Personalwohnungen zu besitzen. Dies war ein Vorteil. So konnten die neuen Kollegen zunächst dort untergebracht werden. Sie reisten alle ohne Möbel an, und für die erste Zeit mussten dafür möblierte Wohnmöglichkeiten angeboten werden.

Danach folgten alle administrativen Bedingungen, die man als Neubürger erfüllen muss.

So entschied das Projektteam, sich in der ersten Woche in Deutschland der Neuankömmlinge ausschließlich mit Behördengängen und administrativen Abläufen zu beschäftigen. Unterstützt von der Leitung des Projektteams ging es zunächst zur Anmeldung bei der Stadt Frankfurt.

Im Anschluss erfolgte die Registrierung beim Finanzamt. Auch Aspekte wie ein Bankkonto oder einen Internetzugang respektive Handy sind nicht zu unterschätzen. In der heutigen Zeit sind Handy oder Internet die schnellste Möglichkeit, den Kontakt in die Heimat aufzunehmen. Einen Handyvertrag kann man erst abschließen, wenn man eine Bankverbindung nachweisen kann. Dieses kann man erst eröffnen, wenn man einen Arbeitsvertrag sowie die Anmeldung bei der Stadt vorlegt. Um diese Kette so schnell wie möglich abzuarbeiten, war die Unterstützung seitens der Klinik auf Dauer angelegt.

Der nächste und zunächst letzte administrative Schritt war der Prozess der Anerkennung.

Die Anerkennung des Examens beim Regierungspräsidium Darmstadt ist ein rein formaler Akt. Den Kollegen aus den EU-Ländern wird die Integration in Deutschland damit leicht gemacht.

Wir machen das Projekt zur Regel
Bereits 2012 startete eine zweite Runde in Portugal. Und auch diese neuen Kollegen haben im Februar 2013 im Universitätsklinikum ihre Arbeit aufgenommen. Während in der ersten Runde das Projekt gemeinsam mit dem Frankfurter Krankenhaus Nordwest auf den Weg gebracht wurde, haben wir bei der zweiten Runde mit einem weiteren Haus aus München kooperiert, das Interesse an unserem Vorgehen zeigte und sich ebenfalls am Deutschkurs beteiligte.

Die Neuerung hierbei war, dass der Sprachkurs in Portugal jetzt nur noch 3,5 Monate dauerte. Nach Rücksprache mit dem Goethe-Institut wurde festgestellt, dass direkt nach Erlangen des B1-Levels die Einreise nach Deutschland erfolgen sollte. Denn das ist ein Zeitpunkt, an dem man beginnen muss zu sprechen. Und zwar dauerhaft in Deutsch, damit sich die Sprache richtig manifestieren kann.

So reisten die Portugiesen direkt nach Erlangen des B1-Abschlusses und der Erstellung des Zertifikates nach Deutschland. Wieder wurde der Anerkennungsprozess gestartet. Parallel dazu besuchten die Portugiesen in Frankfurt das Goethe-Institut, um dort an einem Sprachkurs mit dem Ziel des Abschlusses B2 teilzunehmen.

Diese zweite Gruppe, bestehend aus 24 Personen, reiste am 1. April 2013 in Deutschland ein. Sie dürfen uns zukünftig ebenfalls mit ihrer Fachexpertise unterstützen. Sie begannen nach der Einreise mit einem weiteren Sprachkurs am Goethe-Institut in Frankfurt, um den B2-Abschuss noch zu erwerben.

Darüber hinaus begann die Akquise in drei weiteren Ländern. Die Uniklinik hatte sich vorgenommen, 80 bis 100 Fachkräfte aus dem europäischen Ausland einzustellen. Und da dies nicht alleine aus einem Land möglich war, kamen Spanien, Griechenland und Polen noch dazu.

So konnten wir eine weitere Gruppe mit 24 Personen im April 2013 willkommen heißen.

Auch diese Gruppe kam mit dem Abschluss B1 aus dem Heimatland und erweiterte ihr sprachliches Können mit einem weiteren Kurs in Frankfurt, Ziel B2!

Mitte Juni 2013 reisten neun Spanier nach Deutschland ein, um im Universitätsklinikum zu arbeiten. Bei der spanischen Gruppe gab es ein paar kleine Änderungen. Sie wurden durch eine Agentur ausgewählt und absolvierten bereits im Heimatland die B2-Prüfung. Dies bedeutete, dass sie sofort in die Einarbeitungsprozesse vor Ort einsteigen konnten, ohne den zusätzlichen Deutschkurs absolvieren zu müssen. Ebenso die Kollegen aus Polen.

Das Universitätsklinikum wählte bewusst zwei verschiedene Möglichkeiten, um beide Prozesse zu beobachten und im Anschluss zu eruieren, welche Methode die ergiebigere und sinnvollere sei. In den vertraglichen Aspekten sowie in der Anpassungsmaßnahme in Deutschland wurde für die Gruppen, die im Jahr 2013 eingestellt wurden, keine Veränderung vorgenommen. Dies sah man im Universitätsklinikum bis heute als bewährt an.

Resümee
Zu Beginn startete das Universitätsklinikum die Maßnahme mit einem Kooperationshaus.

Seit Anfang 2012 wird die Maßnahme ohne die Kooperation zu anderen Häusern durchgeführt.

Das gesamte Projekt ist nicht nur ein „Zur-Verfügung-Stellen eines Arbeitsplatzes“, es ist weitaus mehr. Die jungen neuen Kollegen, die ihr eigenes Land verlassen, um eine Arbeit aufzunehmen, die ihre Familien zurücklassen, obwohl der Familienverbund in den südeuropäischen Ländern doch sehr stark ist, haben ein viel höheres Maß an Unterstützungsbedarf. Sie sind zwischen 24 und 30 Jahre alt. Es zeugt von viel Mut, diesen Schritt zu wagen. Aus dieser Sicht ist das Universitätsklinikum nicht nur der Arbeitgeber, man ist auch Helfer in der Not, Freund und Tröster.

Das Projekt setzt ein hohes Maß an Engagement der Mentoren und Praxisanleitern voraus. Kollegen werden nur so gut, wie man sie einarbeitet.

Doch zeigt die Einarbeitung mehrere Hürden auf:
Auf der einen Seite das fachliche Lernen, die Einarbeitung am Patient und das Erwerben der hohen Fachkompetenz, die in einem Universitätsklinikum gefordert wird. Hinzu kommt auf der anderen Seite die Barriere der Sprache. Trotz des Abschlusses B1 und der Anerkennung des Regierungspräsidiums bestehen sprachliche Hindernisse.

Ein Beispiel dafür sind Dialekte. Diese werden am Anfang nicht bedacht. Doch selten zuvor hat man als Mensch, der der deutschen Sprache mächtig ist, sich darüber Gedanken gemacht, wie sich wohl ein Kollege fühlt, der mit dem Deutschen in seiner lokalen Aussprache Schwierigkeiten hat.

Durch den Zuspruch des Goethe-Institutes fiel es leicht, die Maßnahme in die zweite Runde zu starten. Denn das Universitätsklinikum genoss den Zuspruch des Institutes. Begeistert von der individuellen Betreuung der Klinik und der großen Kooperationsbereitschaft, standen beide Unternehmen im dauernden Austausch. Es gab eine klare Priorität bezüglich der Kursplanung seitens des Institutes gegenüber der Klinik.

Es gibt augenscheinlich viele schwarze Schafe auf dem Gebiet der Akquise im Ausland. Zahlreiche Unternehmen, die ausländische Pflegekräfte in Deutschkurse stecken, die diese selber bezahlen müssen. Dazu kommen unklare Einsatzgebiete im Voraus. Es wird gesucht für „die Pflege in Deutschland“. Das kann alles bedeuten.

Das Projektteam hat eigene Erfahrungen mit den „genutzten“ Pflegekräften gemacht. Ein Hilferuf per Mail ging in der Klinik ein mit der Anfrage um sieben Arbeitsplätze von Menschen aus dem EU-Ausland. Man habe ihnen den Deutschkurs bis Stufe A2 angeboten und sie danach nach Deutschland geholt, ohne die Information der Anerkennung in Deutschland. So arbeiteten sie seit Monaten als billige Krankenpflegehelfer und werden von Heim zu Heim geschickt.

Diese Tatsache macht die Akquise vor Ort sehr schwierig. All diese negativen Beispiele eilen den Anfragen voraus, und es entsteht Angst vor der Arbeit in Deutschland. Dies gilt es abzuwehren. Man kann nur immer wieder betonen, dass die Betreuung vor, während und nach der Maßnahme mit Ehrlichkeit und Authentizität zum besten Ergebnis führt.

Rückblickend betrachtet gibt es nur wenige Aspekte, die das Universitätsklinikum im Nachhinein anders machen würde. Die Zeitspanne zwischen den Gesprächen und dem tatsächlichen Beginn der Maßnahme darf nicht zu lange andauern. Dies war der Grund, dass bei dem ersten Kurs viele potentielle Pflegekräfte abgesprungen sind.

Darüber hinaus werden erneute Rekrutierungsmaßnahmen zukünftig nur noch in Portugal und Spanien ausgeübt. Die Rückmeldungen der einzelnen neuen Mitarbeiter sowie der Teams vor Ort zeigt, dass die Kollegen aus den beiden genannten Ländern sich schneller in die Arbeitsprozesse in Deutschland einarbeiten konnten. Die Ausbildungen, trotz der Tatsache, dass sie einen akademischen Abschluss machen, sind inhaltlich sehr ähnlich.

Darüber hinaus zeigt sich eine sehr ähnliche Haltung dem Beruf des Gesundheitsund Krankenpflegers gegenüber. Auch das Erlernen der Schriftart ist für Portugiesen und Spanier einfacher.