Beitrag 4 Vision Job – Transportistas para Alemania

→ Jürgen Jüngel und Carlos Juan Lopez  

1.Teil –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Einleitung

Das Projekt VISIONJob geht zurück auf eine gemeinsame Initiative des RKW Kompetenzzentrums Eschborn (RKW) und der KRAVAG Versicherungsgruppe Hamburg (KRAVAG). Der Ansatz der beiden Partner war recht unterschiedlich. Während das RKW seine im Logistikbereich gewonnenen Kontakte in den neuen Arbeitsschwerpunkt „Fachkräfte“ einbringen wollte, verfolgte KRAVAG einen eher wirtschaftlichen Ansatz: Als Versicherungsgruppe war sie daran interessiert, LKWs zum Laufen zu bringen. Aus Gründen des Fahrermangels stehende LKWs sind für die Versicherung wirtschaftlich nicht interessant.

Fahrermangel wurde seit 2007 etwa in der Logistik thematisiert. Schon der „Arbeitskreis Handelslogistik“ des RKW hatte in seiner ersten Sitzung 2008 hierzu einen Überblick gegeben. Während der Finanzkrise ab 2009 stand das Thema aufgrund der insgesamt zurückgehenden Transportvolumina nicht so sehr im Vordergrund. Spätestens seit 2010 jedoch kam es verstärkt zurück.

Fachkräftemangel, speziell Fahrermangel in der Logistik?
Die tatsächliche Lage in diesem Segment muss eher als „undurchsichtig“ bezeichnet werden. Von offizieller Seite der deutschen Arbeitsverwaltungen wird ein Fahrermangel nicht bestätigt, weil der dieser Aussage zugrunde liegende Jobmonitor der Bundesagentur für Arbeit dies zahlenseitig nicht zulässt. Publikationen der Verbände und der einschlägigen Presse halten dagegen, dass die Diskrepanz zwischen Angebot und Bedarf pro Jahr zwischen 10.000 und 25.000 Fahrern liege und daher sehr wohl bestehe. Nicht auszuschließen ist aber auch eine etwas zögerliche Herangehensweise der entsprechenden Verbände an diese Frage, möglicherweise deshalb, weil man sich gerade diese vielleicht noch nicht wirklich bestehende Engpaßsituation herbeiwünscht, um endlich zu einem Entlohnungsniveau bei Fahrern zu kommen, ein Niveau, das dem Wert dieser Tätigkeit entspricht.

Vielleicht ist es zur Klärung dieser Frage wünschenswert, einfach die Fakten sprechen zu lassen: Es haben sich in der Laufzeit des sich hier anbahnenden Projektes eine Reihe von Kontakten im Logistiksektor ergeben, die man – unter dem Gesichtspunkt Fahrermangel – so zusammenfassen kann: Die Branche redet nicht, sie handelt. Und vielleicht ist das der Grund dafür, dass der Fahrermangel einfach „abgearbeitet“ wird, dort wo er auftritt.

Viele Unternehmen des Transportbereiches scheinen vom Fahrermangel nicht betroffen. Wer ein gutes Betriebsklima mit akzeptablem Lohnniveau koppeln kann, wer dazu als Unternehmer noch selbst ausbildet, seine internationalen Transporte möglicherweise durch seine eigene ausländische Niederlassung organisieren lässt, hat gute Chancen, dem Engpass zu entkommen.

Wer aber im Regionalverkehr als mittelständischer Unternehmer eine hohe Anzahl von Abladepunkten anfahren muss, dessen Fahrer dabei die „Regeln der Frachtpapiere“ beherrscht, dazu die deutsche Sprache in Wort und Schrift, möglicherweise als Subunternehmer auf die Weitergabe wenig lukrativer Aufträge seitens der Spediteure angewiesen ist, deshalb vielleicht in der Gehaltsfindung unter dem Niveau vergleichbarer Mitbewerber bleiben muss, ein solcher Transporteur könnte sehr wohl vom Fahrermangel betroffen sein.

Schließlich sei die Eigeninitiative privater Transporteure oder entsprechender Vermittler genannt. Die Tatsache, dass solche Institutionen bereits dreistellige Fahrerzahlen aus Osteuropa für einen Einsatz in Deutschland vermittelt haben, die Tatsache, dass selbst kleinere Transporteure sich direkt oder indirekt nach Spanien oder in andere Länder aufmachen, um dort dem Fahrermangel durch eigene aktive Anwerbung zu begegnen, all diese Indizien sollten in Summe in der Lage sein, den Fahrermangel aus dem Bereich der Fata Morgana herauszuhalten und als real existierendes Problem anzuerkennen.

Erst im Laufe der Zeit konnten wir als Projektpartner feststellen, dass unser Ansatz grundlegend richtig war und wir uns mit unserer Personalsuche „im Mainstream“ befanden. Die Wirtschaftskammer Österreichs bestätigte uns viel später, dass man auch dort unter einem LKW-Fahrermangel leide. Bestätigt wurde dies durch eine Aktion, von der wir erst später erfahren sollten. Eine österreichische Spedition hatte bereits ihre Fühler nach Südspanien ausgestreckt, dort ausreisewillige Fahrer gefunden und die dortige Administration zur Durchführung einer ca. dreimonatigen Sprachschulung veranlasst. Bei der sich anschließenden Sprachprüfung auf das europäisch einheitliche Niveau A1 waren jedoch alle Teilnehmer durchgefallen und nicht einer wurde mit einem Arbeitsvertrag belohnt. Das Entsetzen ob dieser Entscheidung drang natürlich durch bis zur lokalen Administration, die den Sprachkurs vergeblich finanziert hatte, von dort jedoch weiter bis zur Spanischen Botschaft Berlin, die zu diesem Zeitpunkt mit der Vorbereitung der später unter dem Namen „Aktion Nikolaus“ bekanntgewordenen Anwerbeaktion spanischer Ingenieure in Stuttgart und Umgebung befasst war.

2. Teil –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Erste Schritte

Die beiden Projektpartner KRAVAG und RKW wussten von Beginn an, dass zur erfolgreichen Durchführung einer Fahrerakquisition im Ausland weitere Partner notwendig wären.

  • Es war ein Partner zu finden, der alle auftretenden fachlichen Fragen lösen konnte. Recht schnell konnte hierfür die SVG Stuttgart gewonnen werden.
  • Es musste ein Partner gefunden werden, der in der Lage war, wahrscheinliche Sprachdefizite der neuen Mitarbeiter abzubauen und für eine Übergangszeit von circa zwei Monaten eine akzeptable Unterkunft bereitzustellen. Es sollte etwa ein halbes Jahr dauern, bis der Internationale Bund Stuttgart hierfür gefunden werden konnte, und ein weiteres Vierteljahr, bis die entsprechenden Verträge in trockenen Tüchern waren.
  • Es musste ein Partner gefunden werden, der in einem Land – die Partner hatten sich mittlerweile auf Spanien geeinigt – die Akquisition der Fahrer infolge bereits bestehender Kontakte übernehmen würde. Anfangs schien es, als ob die ZAV (Zentralstelle für Auslandsvermittlung) der Bundesagentur für Arbeit hierfür der geeignete Partner sein könnte. Nach deren unerwartetem Rückzug aus der Projektgruppe übernahm das RKW diese Aufgabe. Zum damaligen Zeitpunkt war nicht abzusehen, dass die ZAV, die sich gerade erst der Aufgabe einer Auslandsakquise verschrieben hatte, 2012 nur etwa 10 Prozent der gesamten in Deutschland abgewickelten Vermittlungstätigkeit übernahm.
  • Die SVG Stuttgart wiederum übernahm die Kontaktaufnahme mit Transportgesellschaften, die für die Fahrer letztlich die Arbeitsverträge zur Verfügung stellen sollten.

Im Grunde bildete sich damit ein Muster heraus, das aus der Produktionswirtschaft entlehnt ist: Beschaffung, Produktion und Absatz. Die Aufgaben waren verteilt.

Es darf nicht verschwiegen werden, dass dieser Weg nicht ohne Irrungen und Wirrungen verlief. Der Weg über ein professionell und marktwirtschaftlich agierendes Fernlehrinstitut zur Sprachvermittlung über die Distanz erwies sich ebenso als Flop wie der Versuch, die von den Projektpartnern als notwendig angesehenen Bestandteile der Willkommenskultur in die Hände einer zu teuren Relocation Agency zu geben. Auch die Einbeziehung der ZAV erwies sich als Irrweg, nachdem sich die ZAV selbst aus dem Projekt zurückzog. Die in Deutschland beheimateten Freundschaftsvereine und Städtepartnerschaften konnten ebenfalls keinen positiven Input liefern.

Suche und finde
Die Suche nach Fahrern, ohne auf die „offizielle Schiene ZAV“ zurückgreifen zu können, erwies sich ohne Partner im Ausland als wenig erfolgreich und sollte Nachahmer lehren, dass es ohne einen Partner dort und ohne den Einsatz finanzieller Mittel nicht geht. Organisationen, die solche Projekte erfolgreich durchführen wollen, haben stets auch einen Partner im jeweiligen Ausland und setzen ihn ein. Eine glückliche Fügung ermöglichte den Kontakt mit der Spanischen Botschaft Berlin, diese wiederum stellte den Kontakt zu einem deutschsprachigen Mitarbeiter der Stadtverwaltung von Motril her, der Stadt, in der seit etwa drei Monaten begrenzt deutschsprachige Fahrer auf ein deutsches oder österreichisches Jobangebot warteten.

Motril
Motril ist eine Stadt von ungefähr 60.000 Einwohnern in der Provinz Granada, ca. 50 km südlich der gleichnamigen Provinzhauptstadt, fast direkt am Mittelmeer gelegen. Industrieseitig spielten die Papier- und Zuckerrohrherstellung und Verarbeitung eine gewisse Rolle sowie die Fischerei. Von den ehemals sieben Zuckerrohrfabriken ist heute keine einzige mehr in Betrieb, die letzte schloss 2006 ihre Pforten. Damit hat die ehemalige „Zuckerhauptstadt Europas“ diesen Titel wohl verloren. Die jährlich durch 320 Tage Sonne begünstigte Landwirtschaft wurde sukzessive durch Dienstleistung und Tourismus verdrängt. Die „Costa Tropical“ dürfte aber zu den in Deutschland eher unbekannten Küstenabschnitten Spaniens zählen.

Auffällig an Motril ist eher die fast kreisrunde, teils historische Bebauung und die Fährmöglichkeit zur spanischen Enklave Melilla, weniger auffällig ist der Tourismus. Die in Deutschland bekannteren Städte Málaga und Marbella liegen 100 beziehungsweise 160 km weiter westlich. Nur wenig später kommt Gibraltar. Die Bebauung Motrils ist typisch für Südspanien. Hieraus ergeben sich Folgen für die Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsplatz, die in vielen Fällen zu Fuß zurückgelegt werden kann, sowie für das Stadtbild, dessen großstädtischer Charakter sich abhebt von dem bundesrepublikanischen Muster von „Vorstädten mit angeschlossener Innenstadt“. Kein anderes Flächenland in Europa weist eine ähnlich hohe Verstädterungsrate wie Spanien auf – Folge seiner historisch-wirtschaftlichen Entwicklung.

Die Arbeitslosenquote in Motril baute sich in der Vergangenheit sukzessive auf und betraf nahezu alle Wirtschaftszweige. Mithin war auch der Transportsektor betroffen, da der Rückgang in Industrie und Bautätigkeit eine entsprechend geringere Transportkapazität benötigte. Mittlerweile wurden auch landwirtschaftliche Produkte nur noch in geringerem Umfang transportiert und der berühmte Zuckerapfel wurde zwar an vielen Stellen angebaut, nicht aber in Motril.

In diese Situation eines sich permanent verschlechternden wirtschaftlichen Umfeldes kam Mitte 2011 eine Anfrage aus Österreich, ob es (arbeitslose) deutschsprachige LKW-Fahrer gebe, die an einer Arbeitsaufnahme in Österreich Interesse hätten. Zum damaligen Zeitpunkt gab es solche Fahrer mit Deutschkenntnissen nicht, aber die Stadtverwaltung Motril war bereit, von September bis November 2011 einen Deutschkurs für LKW-Fahrer zu initiieren und zu finanzieren. Insgesamt nahmen anfangs 30 Personen an diesem Kurs teil, gegen Ende waren noch acht Personen im Kurs. Ein Teilnehmer konnte damit durch diesen Kurs insgesamt 450 Stunden erhalten.

Die Stadtverwaltung Motrils hatte an der Vermittlung der Fahrer nach Österreich auch ein finanzielles Interesse: Die Gehaltszahlung einiger Mitarbeiter der Stadtverwaltung war erfolgsabhängig und hätte bei Nichterreichen vorgegebener Vermittlungszahlen an die Provinzregierung zurückerstattet werden müssen. Aus diesem Grund erschien es durchaus lohnenswert, die im Inland (= Spanien) nicht erreichbaren Ziele durch eine Vermittlung ins Ausland zu kompensieren.

Ende November 2011 wurde der Kenntnisstand der Teilnehmer mittels eines zehnminütigen Telefonates durch einen österreichischen Experten überprüft. Das Resultat der Überprüfung war einheitlich: Der Experte befand alle Teilnehmer für nicht ausreichend qualifiziert, so dass es in keinem Fall zu einem Angebot beziehungsweise zu einer Arbeitsaufnahme in Österreich kam.

Dieses Ergebnis war sowohl für die Teilnehmer des Kurses als auch für die Stadtverwaltung Motril eine herbe Enttäuschung. Die Stadtverwaltung wandte sich daraufhin mit der Bitte um Unterstützung an die Spanische Botschaft in Berlin. Eine direkte Hilfe konnte von dort nicht wirklich erwartet werden, jedoch war auch die Kenntnis der Situation in Motril hilfreich.

Es wird konkret
Man muss sich die Situation einmal vor Augen führen. Da gibt es nun eine Reihe von Telefonaten, die sämtlich von einer deutschen Organisation ausgehen, die behauptete, man habe die Chance, vielleicht LKW-Fahrer nach Deutschland zu vermitteln. Diese Organisation trat aber immer nur telefonisch auf, das widerspricht dem spanischen Bedürfnis nach einer echten personellen Kontaktaufnahme diametral. Die Seriosität der deutschen Organisation beruhte  wohl darauf, dass sie behauptete, von einem deutschen Ministerium finanziert zu werden.

Auch die spanische Botschaft kannte diese Organisation nicht, konnte insofern die berechtigten lokalen spanischen Bedenken nicht zerstreuen. Es kam hinzu, dass diese Organisation Vereinbarungen nicht schriftlich fixieren konnte, ja nicht einmal ein Besuch in Motril kam in Frage.

Die Frage, ob eine Zusammenarbeit zustande kommt, kulminierte schließlich an einem Punkt. Die deutsche Organisation – das RKW Kompetenzzentrum – machte einen Deutschkurs von etwa drei Monaten zur Bedingung für weitere Gespräche. Mittlerweile war durch Kontakte zu anderen deutschen Aktionstreibern klar geworden, dass eine Arbeitsaufnahme in Deutschland nur Sinn machen würde, wenn solide deutsche Sprachkenntnisse vorliegen. Und um das Ganze zu toppen, kam eine weitere Vorleistung ins Spiel. Die spanische Seite müsste diesen Kurs finanzieren – wie bereits erwähnt: ohne irgendwelche Garantien –, denn die deutschen Arbeitgeber würden einen sprachunkundigen Spanier nicht einstellen. Die – offizielle – spanische Seite machte jedoch den Abschluss eines Arbeitsvertrages zur Vorbedingung einer Finanzierung. Diesen circulus viciosus hat auch die spanische Arbeitsverwaltung punktuell eingesehen, ohne jedoch ein Rezept dagegen zu haben. Man wartete einfach darauf, dass es den politisch Handelnden irgendwann auffällt, dass hier ein systemischer Fehler in der Vermittlung vorliegt. Bis heute – September 2013 – besteht dieser Fehler weiter.

Im Grunde waren das keine guten Voraussetzungen für eine Kooperation. Es ist der Stadtverwaltung von Motril deshalb hoch anzurechnen, dass sie dennoch einen weiteren Deutschkurs für LKW-Fahrer freigegeben hat. Die Finanzierung kam von der Abteilung Bildung des Programms „Acciones Experimentales“, aber man konnte aufgrund der immer enger werdenden finanziellen Situation nicht wieder eine externe Deutschlehrerin engagieren. Man griff deshalb auf einen spanischen Mitarbeiter mit guten Deutschkenntnissen zurück, der bereit war, sich dieser Aufgabe zu stellen. Hier sei der Entwicklung vorausgegriffen: Er hat seine Sache gut gemacht, das haben externe Sprachprofis später bestätigt. Diese innovative Maßnahme hat der Stadtverwaltung über 7.000 Euro an Kosten eingespart, lediglich die Raummiete und die Materialien gingen als Kostenfaktor in die Kalkulation ein und sollten anderen Interessierten als Anregung dienen, was Innovationen wert sein können.

Einführungsveranstaltung
Nach mehreren internen Abstimmungen entschied man sich in Motril, eine Einführungsveranstaltung für alle interessierten Fahrer durchzuführen. Zu dieser Veranstaltung kamen mehr als 50 Personen. 35 von ihnen hatten nach der ausführlichen Erläuterung über a) den geplanten Deutschkurs, b) die absehbare Weiterbildung in Deutschland und c) das voraussichtliche Einkommen noch Interesse an der Sache.

Schon in den ersten Tagen des Kurses setzte ein gewisses „Teilnehmersterben“ ein, die Zahl reduzierte sich bereits innerhalb der ersten beiden Wochen auf 13 bis 15 Teilnehmer, blieb aber danach konstant auf dieser Höhe.

Kurskonzept und -durchführung
Es war das erklärte Ziel des Kursleiters, die Teilnehmer auf ein Sprachniveau von A2 zu bringen. Dafür sollten – so die Planung – 250 Stunden Unterricht und weitere 100 Stunden Selbststudium ausreichen. Das Niveau A2 ist folgendermaßen definiert:

„Der Teilnehmer kann Sätze und häufig gebrauchte Ausdrücke verstehen, die mit Bereichen von ganz unmittelbarer Bedeutung zusammenhängen (z. B. Informationen zur Person und zur Familie, Einkaufen, Arbeit, nähere Umgebung). Er kann sich in einfachen, routinemäßigen Situationen verständigen, in denen es um einen einfachen und direkten Austausch von Informationen über vertraute  und geläufige Dinge geht. Er kann mit einfachen Mitteln die eigene Herkunft und Ausbildung, die direkte Umgebung und Dinge im Zusammenhang mit unmittelbaren Bedürfnissen beschreiben.“

In der inhaltlichen Konzeption des Kurses wollte man verstärkt Wert legen auf Kommunikation. So galt es, Fehler aus dem vorangegangenen Deutschkurs zu vermeiden, in welchem die Grammatik eine wichtige Rolle gespielt hatte. Nicht ein beliebig großer Wortschatz war das Ziel, vielmehr galt es, die Vokabeln auszuwählen, die später in typischen Situationen eine Hilfe würden sein können.

Es war das Ziel des Kurses, die Teilnehmer möglichst viel „zum Sprechen zu bringen“. Das war nicht einfach. Die Teilnehmer hatten ihre letzte schulische Lernphase schon seit vielen Jahren hinter sich gelassen und es bestand die Notwendigkeit, permanent auch kleine Schritte im Lernfortschritt zu erkennen und als positive Motivation an die Teilnehmer zurückzugeben. Von spanischer Seite wird hervorgehoben, dass selbst die spanischen Sprachkenntnisse der spanischen Fahrer nicht korrekt sind im Sinne grammatikalischer Richtigkeit. Man muss sich dessen bewusst sein, wenn man als Lehrer vor diesen „Schülern“ steht. Von Zeit zu Zeit muss man Spanisch unterrichten, um einen Fortschritt in der deutschen Sprache zu erreichen.

Es bietet sich an, das sprachliche „Umfeld“ aus Sicht eines informierten Spaniers näher zu beleuchten. Während der Rezession hat die Regierung verschiedene Programme für Arbeitssuchende eingerichtet. Das Niveau dieser Kurse wird vielfach als „nicht ausreichend“ bezeichnet. Das Diplom gegen Ende gab es bereits für die erfolgte Teilnahme. Das war den Teilnehmern von Sprachkursen natürlich bekannt und manch einer verwechselte Anwesenheit mit Sprachfortschritt.

Wünschen Sie ein Meinungsbild über Sprachunterricht in Spanien? Sprachunterricht in Spanien hatte nie eine gute Qualität und konzentrierte sich in vielen Bereichen auf die Vermittlung der Grammatik. Kommunikation war nicht wirklich ein Ziel. Gute Sprachlehrer arbeiteten eher in öffentlichen Schulen oder in Instituten, da der Privatsektor nicht gut zahlt. Der Lehrer darf sich in einer solchen Situation nicht als Lehrer, sondern eher als Coach verstehen, muss motivieren und Einstellungen der Teilnehmer verändern. Er muss diejenigen Teilnehmer mit besseren Kenntnissen als Sub-Coaches heranziehen, um die langsamen Lerner nicht zu verlieren.

Hausaufgaben sind wichtig. Sie dienen dazu, die täglich neuen Informationen zu festigen und zu bestätigen. Dabei spielt das Kennenlernen einer neuen Kultur die vielleicht entscheidende Rolle.

Im Detail wurde im Kurs strukturiert nach der „Schritte international“-Methode vorgegangen, die sich stark an den Vorgaben des Europäischen Referenzrahmens orientiert.

Ergebnisse des ersten Deutschkurses
Die Projektpartner wollten wissen, wie es mit den Deutschkenntnissen nach der Kurslaufzeit von drei Monaten bestellt war, und organisierten und finanzierten eine Sprachprüfung in Spanien. Das Ergebnis war einerseits zufriedenstellend, andererseits zeigte es auf, wie viel Arbeit noch auf die Partner zukommen würde: Alle Teilnehmer hatten die Prüfung bestanden, allerdings wurde nicht das Niveau A2 abgeprüft, sondern nur das Niveau A1. Und auch dieses Niveau wurde nicht punktgenau getroffen, sondern mäßig bis deutlich unterschritten. Das waren keine optimalen Voraussetzungen für die Weiterarbeit in Deutschland.

Nach drei Monaten wurden die Teilnehmer befragt, wie sie den Deutschkurs beurteilten. Das Ergebnis viel überaus positiv aus. Man hatte inzwischen eingesehen, dass es wichtig ist, sich bereits in Spanien auf Deutschland vorzubereiten, wenn auch die Einsicht „Wir hätten mehr lernen sollen“ nun zu spät kam. Vielleicht ist sie denjenigen Ansporn, die glauben, ohne vorbereitenden Kurs erfolgreich nach Deutschland kommen zu können. Als ehemaliger Schüler einer deutschen Schule klingt es merkwürdig, wenn man über 40 Jahre nach dem eigenen letzten Schultag aus einem spanischen Mund den Satz hört „Man lerne ja nicht für die Schule, sondern für das zukünftige Leben“.

Alle Fahrer wollten so schnell wie möglich ihre Familien nach Deutschland nachholen und ihren Kindern eine gute Bildung ermöglichen. Sie – da waren sich die Väter sicher – würden bestimmt schnell die deutsche Sprache erlernen. Für die irgendwann nachziehenden Ehefrauen erhoffte man sich einen Teilzeitjob, und die kulturellen Unterschiede, die man erwartete, würde man schon irgendwie meistern können. Insgesamt blickten sie ihrer Zukunft voller Erwartung entgegen. Sie waren sicher, die richtige Entscheidung getroffen zu haben.

Am 6. Oktober 2012 fuhr der Bus von Granada ab. Es sind 40 Stunden ununterbrochener Fahrt bis Stuttgart. Die Finanzierung sowie wie Begrüßung in Stuttgart und den anschließenden Bustransfer in das Haus des Internationalen Bundes in Reutlingen übernahm die SVG. Das Projekt hatte nun schon eine Laufzeit von über zehn Monaten. Das fachliche Profil der Teilnehmer war mittlerweile in einem mehrseitigen, von der SVG erstellten Fragebogen bekannt, es sollte sich zeigen, dass nicht alle Angaben wirklich belastbar waren. An einer Stelle musste die Projektgruppe ein Risiko eingehen: Es gab bis dato keinen persönlichen Kontakt mit den Fahrern, mithin auch keine Kenntnis darüber, wie die fahrerischen Kenntnisse auf nassen und schneebedeckten deutschen Straßen bestehen würden.

3. Teil –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Die zweite Schulungsphase

Am 8. Oktober 2012 begann der bis zum 4. Dezember 2012 terminierte, zweite Ausbildungsabschnitt für die Fahrer in Tübingen und Stuttgart. SVG und Internationaler Bund als Sprachinstitut hatten im Vorfeld einen Themenkatalog erarbeitet, der einerseits auf dem erreichten sprachlichen Kenntnisstand aufbauen konnte, andererseits nun fachlich orientierte Begriffe und Kenntnisse vermitteln wollte.

Es würde zu weit führen, hier die einzelnen Themenblöcke zu nennen, sie sind für die Allgemeinheit nicht interessant, eher jedoch die Tatsache, dass andere Berufe andere Themenblöcke und damit eine ähnlich strukturierte Problematik aufweisen.

In dieser Zeit erhielten die Teilnehmer einen Leitfaden, der exakt auf die unterschiedlichen berufsbedingten Situationen eines LKW-Fahrers abgestimmt war, der in bildlichen und grafischen Darstellungen wesentliche und wichtige Details des Fahrerlebens darstellte, deutsche Begriffe bildlich erläuterte und sprachlich – passend in gelb und rot, den spanischen Landesfarben – die wichtigsten Begriffe in Deutsch und Spanisch erläuterte. Insgesamt kommen so etwa 800 Begriffe auf 111 Seiten zusammen, mehr – so war die allgemeine Meinung – sollten wir dort nicht einbeziehen, ohne eine Überforderung zu riskieren.

Etwa zwei Wochen waren vorgesehen für die fachliche Qualifizierung. Dies zeigt exemplarisch eine Situation auf, die auch andere Branchen treffen wird, wenn sie sich im Ausland um personelle Verstärkung bemühen: Die Systeme in den einzelnen Staaten passen nicht in vollem Ausmaß zueinander und eine fachliche Nachschulung ist ein Muss. In unserem Fall sah das Szenario so aus:

  • Das spanische Autobahnnetz ist mit rund 12.000 km (2007) nahezu dem deutschen vergleichbar, bezogen auf die Länge. Aufgrund der geringeren Bevölkerung von etwa 44 Millionen und dem kaum existierenden Transitverkehr, verbunden mit der ohnehin fahrtmindernden Wirtschaftskrise, muss eine fahrerische Anpassung an deutsche Autobahnen gewährleistet sein.
  • In Spanien werden überwiegend Sattelzüge (mit Aufliegern) gefahren. Diese Fahrzeugart ist zwar auch in Deutschland weitverbreitet, die Anforderungen der potentiellen Arbeitgeber sahen jedoch überwiegend Kenntnisse in der Bedienung von „Gliederzügen“ (mit Anhängern) vor, deren Manövrieren sich wesentlich aufwendiger gestaltet und in der Variante „Absetzen und Aufnehmen von Wechselbrücken“ die hohe Schule an fahrerischem Können erfordert.
  • Lenk- und Ruhezeiten beruhen auf europäisch einheitlichen Vorgaben im Sinne des Arbeitsschutzes. Unseren Spaniern waren sie aber nicht bekannt. Die Projektgruppe sah es als ihre Pflicht an, die Fahrer nur in solche Arbeitsverhältnisse zu vermitteln, in denen auf die gesetzlich vorgeschriebenen Lenk- und Ruhezeiten auch seitens der deutschen Transportunternehmen geachtet wurde. Insofern waren auch hier unerwartete Nachschulungen nötig. Ungefähr zur gleichen Zeit und ohne Bezug zu unserem Projekt holte die Autobahnpolizei bei Augsburg einen spanischen Fahrer von der Fahrbahn, nachdem sie festgestellt hatte, dass dieser bereits etwa 14 Tage ununterbrochen am Steuer gesessen hatte. Der Fahrer stammte aus Motril.
  • Das deutsche Wetter – auch das auf Autobahnen – unterscheidet sich diametral von dem, was man in Spanien erwarten darf. Insofern spielte auch die Fahrsimulation auf nassen oder schneebedeckten Fahrbahnen eine Rolle. Wie viel Aufwand für die Nachschulung notwendig ist, lag in der Entscheidung der SVG Stuttgart. Wer sollte die Transportgesellschaften und ihre Anforderungen besser kennen als sie? So nahmen wir einfach zur Kenntnis, dass an den letzten Wochenenden, an Samstagen und Sonntagen, jeweils vier Fahrlehrer zusätzlich und ungeplant die nach ihrer Ansicht notwendigen Kenntnisse vermittelten.

Willkommenskultur im Südwesten
Wir hatten von Anfang an alle möglichen Formen der Willkommenskultur für eine möglichst reibungslose Eingliederung vorgesehen. Das beginnt mit dem Besuch kultureller spanischer Veranstaltungen in Reutlingen und Tübingen, es schloss sich ein Besuch beim spanischen Konsulat in Stuttgart an, mitten hinein erfolgte der Besuch von zwei hohen spanischen Botschaftsangehörigen, die sicherlich atmosphärisch dazu beitrugen, den Fahrern das Gefühl zu geben, sie seien hier nicht alleine.

Auch ein Besuch beim deutschen Arbeitsamt war geplant, wurde durchgeführt und hatte Konsequenzen, die gerade so eben wieder „glattgebügelt“ werden konnten. Wie im deutschen Sozialrecht, so kennt auch das spanische Sozialrecht zwei „Gruppen“ von Arbeitslosen mit unterschiedlichen Rechten. Während es den „normalen“ spanischen Arbeitslosen – bei sozialer Sicherung von bis zu 700 Euro pro Monat – erlaubt ist, sich zu Zwecken der Arbeitssuche auch bis zu drei Monate im Ausland aufzuhalten, ohne dass die Zahlungen dadurch beeinträchtigt werden, liegt die Situation bei den – vielleicht mit Hartz-IV-Empfängern vergleichbaren – Personen anders. Hier ist eine Auslandsreise von der Zustimmung der heimischen Behörden abhängig, und diese Genehmigung war wohl von einigen der Teilnehmer nicht eingeholt worden. Die hierauf drohende Kürzung der familiären Sozialleistungen von monatlich ca. 400 Euro herunter auf null Euro wollte keiner der Betroffenen hinnehmen, die Koffer waren bereits wieder gepackt. Es bedurfte an dieser Stelle des konzertierten Geschicks der Projektpartner, diese Situation zu meistern. 

Es sei an dieser Stelle erwähnt, dass ein Spaziergang eines in Tübingen lehrenden katholischen, spanischen Theologieprofessors aus Galicien den Weg der Teilnehmer kreuzte. Man unterhielt sich und tauschte Informationen aus. Der Professor war von unserer Projektidee so angetan, dass er spontan Kontakte in seine Heimatregion knüpfte, um dort eine ähnliche Aktion zu ermöglichen. Dieser Gedanke lag inzwischen nicht so fern, als die deutsche Stadt Wunsiedel (etwa 9.000 Einwohner) mittlerweile Kontakte mit dem galicischen Padron (etwa 9.000 Einwohner) geknüpft hatte und von dort circa 15 Personen mit unterschiedlichen Kenntnissen für eine Jobaufnahme in Deutschland hatte interessieren können. Über eine gewisse Zeit schien es so, als ob uns damit alle offiziellen Kontakte dieser Region (Universität, Landesregierung, Arbeitsverwaltung etc.) offen stünden. Auch die beteiligten Institutionen eines Folgekurses waren bereit zu handeln. In buchstäblich letzter Minute legte der dort residierende Bischof sein Veto ein und behielt diese Haltung auch bei, als ihn der erwähnte Theologe persönlich darauf ansprach.

Die Vermittlung
Die SVG hatte fünf Arbeitgeber ausgewählt, die einen Arbeitsplatz zur Verfügung stellen sowie eine Entlohnung vergleichbar dem deutschen Niveau bieten wollten und darüber hinaus bereit waren, sich in Fragen der Wohnungssuche und in der übrigen Willkommenskultur zu engagieren.

Die SVG Stuttgart hatte die Zuordnung der Fahrer zu den einzelnen Transportgesellschaften in einer Vorauswahl vollzogen und jeweils drei Fahrer für ein Unternehmen vorgesehen. Auch das diente der Stärkung des Zusammenhaltes der Fahrer untereinander und dem Ziel, möglichst viele möglichst lange hierzubehalten. Diese Vorgehensweise konnte in vier von fünf Fällen erfolgreich durchgeführt werden. In einem Fall schlug sie fehl. Es sei deshalb erlaubt, hier nicht die offizielle Begründung zu nennen, sondern zu erwähnen, dass besagter Arbeitgeber seinen Fuhrhof in einer Gemeinde mit rund 6.000 Einwohnern hatte und noch immer hat. Sie erinnern sich? Die Fahrer kommen aus einer Großstadt von 60.000 Einwohnern. Klicken Sie einfach bei youtube auf „POR MOTRIL“ und Sie verschaffen sich in sieben Minuten einen umfassenden Überblick.

Die hiesige Gemeinde von 6.000 Einwohnern setzte sich allerdings aus 21 Ortsteilen zusammen, in dessen kleinstem Teil (etwa 280 Einwohner) der Transportunternehmer nun sein Angebot machte. Dieser Vermittlungsversuch scheiterte. Und er sei hier nur deshalb erwähnt, weil es eine ganze Reihe von weiteren Situationen ähnlicher Art in anderen Projekten gibt, alle mit ähnlichem Ausgang. Dies zeigt, dass die hier in Deutschland nicht wirklich akzeptierte, geografisch orientierte Frage „Wo werde ich vielleicht den Rest meines Arbeitslebens verbringen“ für einen Spanier ein elementares Gewicht hat. 

Die Transportunternehmer beteiligten sich an den inzwischen bei der SVG Stuttgart entstandenen Kosten durch eine Zahlung von rund 4.500 Euro pro Fahrer. Die Fahrer selbst wurden in die Pflicht genommen, über ein Jahr lang hierzu einen finanziellen, ratierlichen Beitrag in Höhe von 100 Euro pro Monat zu leisten.

Das glückliche Ende
Wir hätten uns für den Arbeitsbeginn der Fahrer keinen ungünstigeren Termin aussuchen können. Der 4. Dezember 2012 markierte zwar den Einstieg ins deutsche Arbeitsleben, aber eben nur theoretisch. Da das Arbeitsgerät etwa 250.000 Euro kostet, durften die Fahrer zunächst als Beifahrer die Strecken, das Wetter, die Straßenverhältnisse im schwäbischen Dezember und typische Situationen kennenlernen. Erst danach sollten sie – ach ja, danach gingen die Transportunternehmen in die Weihnachtsferien und die Inhaber waren nicht begeistert über eine weitere vierzehntägige Lohnfortzahlung ohne Arbeitsleistung.

Am 7. Januar waren alle Fahrer ohne Ausnahme wieder aus Spanien zurück, diesmal hatten sie die 2.300 km mit ihren Privatwagen zurückgelegt, um mobil zu bleiben. Denn zum Arbeitsbeginn eines LKW-Fahrers fahren öffentliche Busse nur in den Städten und auch erst zur Rush-Hour. Die erste Anschaffung hier in Deutschland? Es waren wohl Winterreifen für den eigenen PKW. Die erste „Amtshandlung“ hier bei ihrem neuen Arbeitgeber? Vermutlich ließen sie sich im Lohnbüro einen Vorschuss geben auf ihr zukünftiges Einkommen.

Nach unserer Kenntnis haben alle Fahrer, die einen Job wollten, auch ihren Job halten können. Bis heute (Mitte September 2013).