Entrepreneurship Education und ihre Bedeutung für die zukünftige Innovationskraft unserer Unternehmen

Wir befinden uns in einer viel beschriebenen Zeit disruptiver Veränderungen, die häufig verglichen wird mit anderen Phasen, in denen Erfindungen wie der Buchdruck oder die Nutzbarmachung der Elektrizität und die Entwicklung des Verbrennungsmotors zu einem tief greifenden Wandel von Gesellschaft und Wirtschaft geführt haben.

Für Unternehmen wird die Fähigkeit zu Innovationen immer mehr zum entscheidenden Kriterium für die eigene Zukunftssicherung. Dabei geht es nicht nur um technische Innovationen, sondern auch und ganz besonders um die grundlegenden Veränderungen der Geschäftsmodelle. Deshalb wird sowohl von Seiten der Wissenschaft als auch der Politik auf vielfältige Weise beschrieben und diskutiert, wie die Innovationskraft der Unternehmen, insbesondere auch der mittelständischen Unternehmen, gestärkt werden kann. Die Zukunftsfähigkeit vieler Unternehmen wird davon abhängen, inwieweit sie in der Lage sind, sich der auf der Digitalisierung basierenden Technologie zu stellen und diese für das eigene Unternehmen nutzbar zu machen. Zum Beispiel indem die neuen technologischen Möglichkeiten mit dem eigenen Geschäftsmodell kombiniert oder auch ganz neue Geschäftsmodelle entwickelt und umgesetzt werden.

Deshalb ist es heute wichtiger denn je, die Innovationsfähigkeit der Unternehmen zu stärken – die Innovationskraft wird zu einer Schlüsselkompetenz für Unternehmen. Es gibt eine Vielzahl von Publikationen und Leitfäden, die aufzeigen, wie durch einen strukturierten Prozess und durch unterstützende Managementmethoden Strategien entwickelt werden können, um die Innovationskraft im Unternehmen gezielt zu verbessern.

Ganz entscheidend ist jedoch der Faktor Mensch

Er steht im Mittelpunkt von Innovationen und nimmt in jeder Phase des Innovationsprozesses eine bedeutende Rolle ein: Er generiert Ideen, treibt diese voran und setzt sie schließlich um. Dabei ist Kreativität, also die Erzeugung von Ideen, insbesondere beim Entstehen einer Innovation erforderlich. Für die tatsächliche  Implementierung von Innovationen ist es wichtig, sich künftige Entwicklungen vorstellen zu können; darüber hinaus sind Engagement, Entscheidungsfähigkeit sowie die Steuerung komplexer Prozesse gefragt. Die Innovationskraft eines Unternehmens ist dementsprechend abhängig von der Ausstattung mit kreativen und innovativen Mitarbeitern – und genau darauf müssen wir unsere Jugendlichen vorbereiten.

Welche Persönlichkeitsmerkmale sind wichtig?

Seit mehreren Jahrzehnten beschäftigt sich die Kreativitätsund Innovationsforschung damit, den Zusammenhang zwischen Persönlichkeitsmerkmalen und kreativem bzw. innovativem Verhalten zu bestimmen. Die Wissenschaft ist sich zwar nicht völlig einig, welche Merkmale zu innovativem Verhalten gehören und wie sie zu gewichten sind, folgende Punkte sind allerdings zentral:

  • Kreative Persönlichkeit: ambitioniert, zuversichtlich, unkonventionell, ausdrucksvoll, dominant, flexibel, erfinderisch, originell, vielseitig interessiert und selbstsicher.
  • Offenheit für Neues: Bereitschaft, Veränderungen zuzulassen und aktiv mitzugestalten; die Fähigkeit den Blickwinkel zu verändern.
  • Selbstwirksamkeitsüberzeugung und damit verbunden, Vertrauen in eigene Fähigkeiten und Fertigkeiten sowie deren realistische Einschätzung.
  • Proaktive Persönlichkeit: selbstständiges Arbeiten, Initiative ergreifen.
  • Durchhaltevermögen und die Fähigkeit, Vorhaben über einen längeren Zeitraum umzusetzen und vor allem mit Rückschlägen umzugehen.
  • Fähigkeiten des divergenten Denkens: sich offen, unsystematisch und experimentierfreudig mit einem Thema oder Problem zu beschäftigen.

Was kann schulische Bildung dafür leisten?

In meinem Beitrag „Entrepreneurship Education – Vorbereitung auf die Arbeitswelt 4.0?“ (Burkhardt-Reich, 2017) bin ich der Frage nachgegangen, welche Fähigkeiten und Kompetenzen in der Arbeitswelt 4.0 wichtig sind und inwieweit gerade diese Fähigkeiten und Kompetenzen durch die Kernelemente der Entrepreneurship Education geschult werden können. Dabei geht es mir gerade nicht darum, schulische Bildung nur noch an ökonomischen Interessen zu orientieren oder gar die Schule gänzlich in den Dienst der Wirtschaft zu stellen. Wenn die Welt sich verändert – und dies geschieht im Zeitalter disruptiver Innovationen schneller als in der Vergangenheit –, dann muss darauf auch in der schulischen Bildung reagiert werden. Bildung bedeutet nicht primär Wissen einzutrichtern, sondern sich Kompetenzen, Haltungen und ein Verhalten, der Welt, sich selbst und anderen gegenüber anzueignen – heutzutage mehr denn je.

Deshalb müssen wir uns die Frage, was können wir heute in den Schulen tun, um unsere Jugendlichen auf die zukünftige Arbeitswelt vorzubereiten, immer wieder neu stellen. Nida-Rümelin beantwortet diese Frage, indem er den Kern des humanistischen Bildungsideals wieder in den Vordergrund stellt: „Dies ist vor allem deshalb der Fall, weil die Vorstellung einen Beruf zu lernen und ihn anschließend bis zur Rente auszuüben überholt ist. […] Umso wichtiger ist es, genau diese Kompetenzen zu vermitteln, die uns von spezifischem, auf eine aktuelle berufliche Praxis orientiertem Inhalt unabhängig machen“ (NidaRümelin 2016: 198).

Dieses bedeutet nicht, dass es in Zukunft nicht mehr um die Fachlichkeit geht. Die fachlichen Grundlagen werden auch weiterhin den Nukleus für ein erfolgreiches Berufsund Arbeitsleben bilden, aber sie allein werden nicht ausreichen. Entscheidend wird sein, dass wir unsere Jugendlichen mit den Kompetenzen ausstatten, die sie befähigen, auf eine immer wieder sich verändernde berufliche Praxis zu reagieren.

Im Inklusionsmodell von John Erpenbeck (siehe Abbildung 1) wird dies anschaulich dargelegt: „Kompetenzen bedürfen des Wissens im engeren Sinne, der Fertigkeiten und Qualifikationen, sind aber zugleich […] viel mehr“ (Erpenbeck 2013: 312).

Entrepreneurship Education leistet einen wertvollen Beitrag

„Entrepreneurship Education umfasst dabei alle Bildungsprozesse, die unternehmerische Kreativität, Innovationsfähigkeit, Selbstwirksamkeitsüberzeugung, Leistungsmotivation, rationalen Umgang mit Risiko und Verantwortungsbewusstsein fördern und die solche ökonomischen und überfachlichen Kompetenzen vermitteln, die für die Anbahnung, Realisierung und Reflexion unternehmerischer Initiative (Entrepreneurship) erforderlich sind“ (Kirchner et al. 2014: 39).

Betrachtet man diese Definition von Entrepreneurship Education und die oben beschriebenen Persönlichkeitsmerkmale, die kreatives und innovatives Verhalten ermöglichen, dann ist die Schnittmenge klar ersichtlich. Kreativität, Offenheit für Neues, Selbstwirksamkeitsüberzeugung, Durchhaltevermögen, Fähigkeiten des divergenten Denkens können durch diese Bildungsprozesse trainiert werden. Dabei ist das forschende und projektorientierte Lernen Kernelement der Entrepreneurship Education, das in allen Schularten und in den unterschiedlichsten Fächern angeboten werden kann. Projektorientiertes Lernen unterscheidet sich vom klassischen „Sitz- und Streckunterricht“ durch das eigene Tun. Bei dieser Lernform werden die Schüler mit einer Aufgabe konfrontiert, die sie unter Anwendung des vorher Erlernten selbstständig und möglichst im Team erledigen müssen. Sie lernen, die Aufgabe zu analysieren, Informationen zu beschaffen und auszuwerten, Entscheidungen im Team zu treffen, diese umzusetzen und die Auswirkungen zu kontrollieren. Kreative Lösungen entwickeln, planen, entscheiden, ausführen, kontrollieren, ob das Ziel erreicht wurde – das sind klassische Entrepreneur-Eigenschaften. Die Erfahrungen mit entsprechenden Projekten zeigen einmal, dass man diese Kompetenzen trainieren kann, aber auch, dass die Jugendlichen sich häufig mit großer Begeisterung und großem Engagement den Aufgaben in diesen Projekten stellen.

Fazit: Jugendliche befähigen, disruptive Veränderungen aktiv zu gestalten. Die Toolbox der Entrepreneurship-Education-Projekte nutzen!

Es konnte gezeigt werden, dass Entrepreneurship Education eine große Bedeutung für die Stärkung der Innovationskraft unserer Wirtschaft hat. Für unsere Jugendlichen ist es wichtig, dass die entsprechenden Tools in die Bildungsprozesse eingebaut werden. Dafür gibt es eine Vielzahl von gut ausgearbeiteten Projekten und Wettbewerben, die zum Teil auch unmittelbar in den Unterricht eingebunden und in vielen Fällen auch hervorragend an die bestehenden Bildungspläne angedockt werden können. Die Webseite www.unternehmergeist-macht-schule.de gibt dazu einen Überblick. Die langjährige Erfahrung zeigt, dass diese Projekte auch sehr gut von den Jugendlichen angenommen werden und somit eine ideale Möglichkeit darstellen, unsere Schüler für die aktive Gestaltung unserer wirtschaftlichen Zukunft vorzubereiten.

Literaturverzeichnis

Burkhardt-Reich, Barbara (2017):
Entrepreneurship Education – Vorbereitung auf die Arbeitswelt 4.0; in: Püchner, Petra/Wittkopp, Beate (Hrsg.): Die andere Sicht auf das Innovieren: Frauen im Technologietransfer.

Nida-Rümelin, Julian (2013):
Bildungsziele an Hochschulen; in: Faix, Werner G./Erpenbeck, John/Auer, Michael (Hrsg): Bildung. Kompetenzen. Werte.

Erpenbeck, John (2013):
Was „sind“ Kompetenzen; in: Faix, Werner G./Erpenbeck, John/Auer, Michael (Hrsg): Bildung. Kompetenzen. Werte.

Kirchner, Vera/Loerwald, Dirk (2014):
Entrepreneurship Education in der ökonomischen Bildung.