Entwicklung von unternehmerischen Kompetenzen durch erfahrungsbasiertes Lernen in Schülerfirmen

Unternehmerische Kompetenzen

Unternehmerische Kompetenzen können unterstützt durch erfahrungsbasierte Lernprozesse und verbunden mit reflexivem Lernen entwickelt werden, da auf diese Weise Erfahrungen so verarbeitet werden, dass Kompetenzen entstehen. Dabei können handlungsorientierte und selbst organisierte Lernformen im Rahmen der Entrepreneurship Education einen Ausgangspunkt für die Kompetenzentwicklung darstellen. Um diese möglichst zielführend zu gestalten, ist zunächst eine Bestimmung der relevanten Kompetenzen notwendig. Kompetenzen werden im Folgenden definiert als Wissen, Fertigkeiten und Einstellungen, welche die kognitive und affektive Basis bilden, um anspruchsvolle und komplexe Situationen und Anforderungen zu bewältigen. Kompetentes Handeln beruht folglich auf der Aktivierung kognitiver und praktischer Fähigkeiten in Verbindung mit sozialen Aspekten (Erpenbeck, von Rosenstiel 2007; North et al. 2013). Unternehmerische Kompetenzen können als eine Schlüsselkompetenz definiert werden, die in allen Lebensbereichen angewendet werden kann (als Intrapreneurship auch innerhalb eines Unternehmens). Mit dem Unternehmertum werden Chancen und Ideen aufgegriffen, aus denen dann finanzieller, kultureller oder sozialer Wert geschaffen werden kann (Bacigalupo et al. 2016). Zu unternehmerischen Kompetenzen gehören u. a. Kreativität, Lernbereitschaft und Lernfähigkeit, Eigeninitiative, zielorientiertes Handeln, Risikobereitschaft, Innovationsfähigkeit, Selbstwirksamkeitsüberzeugung, Verantwortungsbewusstsein und auch die Fähigkeit, aus den eigenen Erfahrungen zu lernen (Man et al. 2002; Mandl, Hense 2006; Kirchner, Loerwald 2014; Bacigalupo et al. 2016). Die Entwicklung dieser Kompetenzen stellt eine Voraussetzung für Unternehmensgründungen dar, welche schon die Europäische Kommission (2006) als eine der acht Schlüsselkompetenzen („Eigeninitiative und unternehmerische Kompetenz“) definiert hat, zusammen mit der Forderung, dass „Schulen […] Unterstützung und Anreize geboten werden [sollten], um sie so zu ermutigen, Aktionen und Programme zur Vermittlung unternehmerischen Denkens und Handelns einzuführen“ (Europäische Kommission 2006: o. S.). In diesem Sinne kann Entrepreneurship Education in Schulen dazu beitragen, den zukünftigen (wirtschaftlichen) Erfolg einer Gesellschaft und die Schaffung einer nachhaltigen Wirtschaft zu erreichen.

Schülerfirmen als eine Möglichkeit zur Entwicklung unternehmerischer Kompetenzen

Unternehmerische Kompetenzen können innerhalb der Entrepreneurship Education mittels selbst gesteuerten Lernens durch die Teilnahme an einer Schülerfirma entwickelt werden, da hier eine starke Realitätsnähe gegeben ist (Ebbers, Halbfas 2006: 81). Schülerfirmen fungieren unter dem rechtlichen Dach der Schule und stellen ein schulisches Lernarrangement dar, welches unternehmerische (OrganisationsStrukturen und Handlungsverläufe wiedergibt. „Schülerfirmen sind von Schülern organisierte ökonomisch agierende Einrichtungen, die Produkte und Dienstleistungen für einen anonymen Markt anbieten und dabei mindestens Kostendeckung, in der Regel aber Gewinne anstreben und ein gewisses Risiko tragen“ (Weber 2011: 191). Dabei handelt es sich i. d. R. um ein zeitlich befristetes Projekt, bei dem reale Waren und/oder Dienstleistungen verkauft und realen Geldströmen gegenüberstehen, wobei die Schüler die Schülerfirma in eigener Verantwortung führen (Tsuchiya 2006). Durch die Verbindung von Arbeit und Lernen erfolgt das Lernen in und durch die Arbeit, also praxisnah und handlungsorientiert: „Es gilt das Prinzip ‚Learning-by-Doing‘, d. h. Fehler dürfen entstehen, wenn aus ihnen gelernt wird“ (Tsuchiya 2006: 423).

Kompetenzziele für Schülerfirmen

Mit Schülerfirmen wird eine Lernumgebung geschaffen, in der Schüler selbstständig Entscheidungen treffen, Verantwortung übernehmen, Eigeninitiative entwickeln, innovativ tätig sein und ihre Selbstwirksamkeit (über)prüfen können: „Sie gründen und führen ihre Schülerfirma weitestgehend eigenständig“ (Penning 2018: 9). Die individuelle unternehmerische Kompetenzentwicklung wird dabei durch die Gestaltung kompetenzorientierter Lernprozesse unterstützt. Kompetenzorientiertes Lernen in Schülerfirmen bedeutet, dass überfachliche Kompetenzen nicht von inhaltlicher Wissensvermittlung getrennt werden können. Auch bei der Gründung eines Unternehmens sind vielfältige Kompetenzen notwendig, die miteinander verbunden sind.

So wirkt sich z. B. ethisches und nachhaltiges Denken nicht nur auf die Sozialkompetenz aus, sondern auch auf wirtschaftliches Handeln und die eigene Persönlichkeit.

Im Rahmen einer empirischen Studie wurde ein Kompetenzrahmen konzipiert, der die Basis bildet, die Entwicklung unternehmerischer Kompetenzen in ihrem Zusammenspiel zu untersuchen. Hier werden drei Kompetenzbereiche (wirtschaftliche Ebene, persönliche Ebene, Teamebene), 15 Kompetenzen (z. B. Ressourcen einsetzen, Eigeninitiative oder Chancen erkennen) und 27 Teilkompetenzen (u. a. Ressourcen und Eigentum verantwortlich nutzen, Verantwortung übernehmen, Zusammenhänge analysieren) ausgewiesen (siehe Abbildung 1).

Auf der wirtschaftlichen Ebene finden sich Kompetenzen, die Anforderungen an einen potenziellen Gründer stellen, die vor allem in der Gründungsphase wichtig sind: Visionen haben, Ressourcen einsetzen, planen, Risiken managen, Probleme erkennen und Lösungen finden sowie Auswirkungen einschätzen, aber auch nachhaltig und ethisch denken. Kompetenzen, die dabei unterstützen, ökonomische Entscheidungen zu treffen, sind der persönlichen Ebene zugeordnet: Eigeninitiative, Verantwortung übernehmen, Motivationsund Durchhaltevermögen, Lernerfahrung und Selbstbewusstsein und Selbstwirksamkeit. Soziale Zusammenhänge, wirtschaftliche Beziehungen und Interaktionen finden sich in Form von Chancen erkennen, Andere inspirieren, Konzepte teilen und Teamfähigkeit auf der Teamebene wieder. Einige Teilkompetenzen (Kreativität, ethisches und nachhaltiges Denken, Teamfähigkeit) umfassen mehrere Ebenen und drücken dadurch aus, dass einzelne Kompetenzen nicht isoliert voneinander angesehen werden können, sondern dass sie einander bedingen oder aufeinander aufbauen.

Entwicklung unternehmerischer Kompetenzen vor dem Hintergrund des Erfahrungslernens

Unternehmerische Kompetenzen können gefördert werden, indem Schüler beispielsweise im Rahmen eines Schülerunternehmens mit der Praxis unternehmerischen Denkens und Handelns in Kontakt kommen (Mittelstädt, Wiepcke, 2014). Diese Art des Lernens wird oftmals als erfahrungsbasiertes Lernen („experience-based learning“) bezeichnet. Bei diesem auf Kolb (1984) zurückgehenden Ansatz geht es insbesondere darum, die innerhalb eines Schülerunternehmens gemachten Erfahrungen so auszuwerten, dass dadurch die Entwicklung von (unternehmerischen) Kompetenzen initiiert wird. Demnach durchlaufen Lernende beim erfahrungsbasierten Lernen vier Schritte (siehe Abbildung 2): (1) Konkrete Erfahrung (z. B. als Zuständiger für das Marketing der Schülerfirma); (2) Reflektierende Beobachtungen (z. B. bei TeamBesprechungen, bei denen der Schüler Rückmeldung zu den Ideen erhält); (3) Abstraktes Begreifen (bei dem die gemachten Erfahrungen zu einer Theorie zusammengesetzt werden oder mit dieser verbunden werden, z. B. mit den Elementen einer Marketingstrategie – den sogenannten 4 P); (4) Aktives Experimentieren, d. h. Theoriebestandteile werden neu umgesetzt bzw. erprobt und führen damit zu einer weiteren Erfahrung, sodass der Kreislauf erneut durchlaufen wird.

Fazit: Unternehmerische Kompetenzen im Kontext des Bildungsplans 2016 des Landes Baden-Württemberg

Handlungsorientierung und Praxisfundierung sind bedeutsame didaktische Prinzipien im Fach Wirtschaft/Berufsund Studienorientierung im neuen baden-württembergischen Bildungsplan 2016. „Ursachen für unternehmerischen Erfolg und unternehmerisches Scheitern charakterisieren“ und „die volkswirtschaftliche Bedeutung von Unternehmen (Entrepreneurship, kleine und mittlere Unternehmen, Großunternehmen) darstellen und deren Verantwortung für die Gesellschaft erörtern“ (Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg 2016: 35) können durch die Teilnahme an einer Schülerfirma ermöglicht werden. Insofern ist anzunehmen, dass dadurch auch unternehmerisches Denken und Handeln gefördert werden. Der unternehmerische Prozesscharakter, der durch das erfahrungsbasierte Lernen in einer Schülerfirma entsteht, kann die eigene Berufstätigkeit als Unternehmer reflektieren lassen und dient somit zusätzlich zur Entwicklung unternehmerischer Kompetenzen auch der selbstständigen und eigenverantwortlichen Berufswegeplanung.

Literaturverzeichnis

Bacigalupo, Margherita/Kampylis, Panagiotis/Punie, Yves/van den Brande, Godelieve: EntreComp (2016):
The Entrepreneurship Competence Framework. Luxembourg. publications.jrc.ec.europa.eu/repository/bitstream/JRC101581/lfna27939enn.pdf

Ebbers, Ilona/Halbfas, Brigitte (2006):
Der methodische Dreischritt „Lernbüro, Übungsfirma und Juniorenfirma“ als didaktisches Konzept in der Entrepreneurship Education; in: Berufs- und Wirtschaftspädagogik Online, 10, 07/2006. www.bwpat.de/ausgabe10/ebbers_halbfas_bwpat10.shtml (18.07.2018)

Erpenbeck, John/Rosenstiel, Lutz von (2007):
Handbuch Kompetenzmessung: Erkennen, Verstehen und Bewerten von Kompetenzen in der betrieblichen, pädagogischen und psychologischen Praxis (2., überarbeitete und erweiterte Auflage). Stuttgart.

Europäische Kommission (2006):
Empfehlung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2006 zu Schlüsselkompetenzen für lebensbegleitendes Lernen; in: Amtsblatt L 394, 12/2006, S. 10–18. 

Kirchner, Vera/Loerwald, Dirk (2014):
Entrepreneurship Education in der ökonomischen Bildung: eine fachdidaktische Konzeption für den Wirtschaftsunterricht. Hamburg.

Kolb, David A. (1984):
Experiential Learning. Experience as the Source of Learning and Development. Englewood Cliffs.

Man, Thomas W.Y./Lau, Theresa/Chan, K. F. (2002):
The competitiveness of small and medium enterprises: A conceptualization with focus on entrepreneurial competencies; in: Journal of Business Venturing, 17(2), 03/2002, S. 123–142.

Mandl, Heinz/Hense, Jan Ulrich (2004):
Lernen unternehmerisch denken: Das Projekt Tatfunk (Forschungsbericht Nr. 169). Ludwig-MaximiliansUniversität, München. www.epub.ub.uni-muenchen. de/362/1/FB_169.pdf (18.07.2018)

Ministerium für Kultus, Jugend und Sport (2016):
Bildungsplan 2016: Wirtschaft/Berufsund Studienorientierung. Stuttgart.

Mittelstädt, Ewald/Wiepcke, Claudia (2014):
Schülerfirmen. Erfahrungsbasiertes Lernen am Modell vollständiger Handlungen; in: Retzmann, Thomas (Hg.): Ökonomische Bildung in der Sekundarstufe I und Primarstufe. Schwalbach/Ts.

North, Klaus/Reinhardt, Kai/Sieber-Suter, Barbara (2013):
Kompetenzmanagement in der Praxis: Mitarbeiterkompetenzen systematisch identifizieren, nutzen und entwickeln; mit vielen Fallbeispielen (2., überarbeitete und erweiterte Auflage). Wiesbaden.

Penning, Isabelle (2018):
Schülerfirmen aus Sicht von Lehrenden: Eine qualitative Studie zu einem Lernarrangement der ökonomischen Bildung. Wiesbaden.

Tsuchiya, Erio A. (2006):
20 Jahre Juniorenfirmen – Vergangenheit und Perspektive einer ergänzenden Ausbildungsmethode – Ergebnisse einer Umfrage; in: Berufsund Wirtschaftspädagogik Online, Ausgabe 10, 07/2006. 

Weber, Birgit (2011):
Schülerfirmen als Gegenstand und Methode ökonomischer Bildung; in Retzmann, Thomas (Hg.): Methodentraining für den Ökonomieunterricht I: Mikromethoden – Makromethoden. Schwalbach/Ts.