Entrepreneurship Thinking im Schulunterricht

Ein Erfahrungsbericht aus Sicht eines Lehrers

Entrepreneurship Education verstehe ich als Förderung von Entrepreneurship Thinking – also von unternehmerischem (handlungsorientiertem, problemlösendem) Denken. Das stellt für mich die schülerorientierte Sicht meines Lernverständnisses in den Mittelpunkt der Betrachtung. Ich möchte, dass meine Schüler sich an neue, ihnen unbekannte Wissensgebiete herantrauen und sich deren Inhalte (weitgehend selbstständig) erschließen. Darüber hinaus soll die Beschäftigung mit „ihrer“ Produktidee zu einer größeren Lernmotivation für die Lerninhalte des Lehrplanes führen und im Idealfall eine Vernetzung unterschiedlicher Lerngebiete ermöglichen (Mathes 2007: 216). In diesem Beitrag stelle ich meine ursprüngliche Ausgangssituation als Lehrer für das Fach Wirtschaft dar, erläutere meine Umsetzungsansätze und -erfolge und schließe mit Empfehlungen für interessierte Kollegen ab.

Die Ausgangssituation und erzielten Erfolge

Dass ich Entrepreneurship Education mache, ist mir ehrlich gesagt erst seit wenigen Jahren bewusst. Mein Problem war ursprünglich von existenzieller Natur. Ich erhielt im Schuljahr 2007/2008 von meiner damaligen Schulleitung die Aufgabe, in der 12. Klasse der Fachoberschule Wirtschaft und Verwaltung das Themen- und Aufgabenfeld „Unternehmensgründung“ (Hessisches Kulturministerium 2006: 52 ff.) zu unterrichten. Da ich zu diesem Zeitpunkt mit zwei Jahren Berufserfahrung noch relativ neu im Lehrergeschäft und zu erwarten war, dass das Thema „Unternehmensgründung“ Jugendliche im Alter zwischen 17 und 18 eher wenig interessiert, suchte ich im Internet interessante und motivierende Unterrichtseinstiege und -materialien. Glücklicherweise stieß ich auf die Homepage www.jugend-gründet.de und setzte mich mit den Wettbewerbsinhalten auseinander. Schnell war klar, dass sich die Lerninhalte des in Hessen für die oben genannte Lerngruppe gültigen Lehrplans zu 80 Prozent mit den Inhalten des Planspielwettbewerbes deckten. Also versuchte ich die Schüler einer unserer kleineren Klassen zu motivieren, das fachlich zu Erlernende für ihre eigene Geschäftsidee in diesem Wettbewerb anzuwenden. Mit Engagement und Glück schaffte es gleich eines meiner Teams, mit einer innovativen Geschäftsidee einen sehr guten Businessplan zu erstellen und sich für das Zwischenfinale von „Jugend gründet“ zu qualifizieren.

Zu solchen für Schüler und Lehrer gleichermaßen motivierenden Events durfte ich mittlerweile 11 Teams begleiten. Fünf davon konnten sich für das Bundesfinale von „Jugend gründet“ qualifizieren. Eines meiner Teams hat im Schuljahr 2013/2014 sogar das Bundesfinale gewonnen – mit einer 12-tägigen Reise ins Silicon Valley nach San Francisco und Los Angeles als Belohnung. Dort besuchten wir erfolgreiche Hightechunternehmen wie z. B. Google, konnten mit deutschen Startups im German Accelerator sprechen und trafen z. B. an der Universität von Berkeley Jeff Burton, einen der Gründer von EA (Electronic Arts), der dem Team wertvolle Tipps für ein erfolgreiches Startup gab. Neben einigen touristischen Highlights konnten wir in Los Angeles im VW Design Center California einen Blick in die automobile Zukunft werfen, bevor wir mit vielen neuen Eindrücken und Ideen wieder zurück nach Deutschland geflogen sind.

Fast nebenbei haben sich in den letzten Jahren sehr interessante Praxiskontakte in die regionale und überregionale Wirtschaft ergeben. Einige Schüler konnten z. B. während Praktika bei einem internationalen Konzern ihre wirtschaftlichen und fremdsprachlichen Kompetenzen anwenden und erweitern. Engagierten Schülern wurden auch interessante Ausbildungsplätze angeboten.

Das aus Schülersicht eher uninteressante Fach „Unternehmensgründung“ ist nunmehr eines der Hauptmotivationsinstrumente zum weitgehend selbst gesteuerten Erarbeiten der wirtschaftlichen Lerninhalte des Lehrplans geworden. Die Schüler erkennen, dass sie bei der Erstellung des Businessplans für ihre eigene Produktidee das erarbeitete Wissen aller wirtschaftlichen Unterrichtsinhalte praxisnah anwenden können. Mittlerweile haben wir das Unterrichtskonzept, in etwas abgewandelter und reduzierter Form, auch erfolgreich in Lerngruppen unseres Beruflichen Gymnasiums implementiert.

Die Umsetzung

Wie oben beschrieben habe ich anfänglich alleine und nur mit einer Lerngruppe die ersten Unterrichtsversuche unternommen. Nachdem sich die Schüler überraschend schnell überregionale (LernErfolge erarbeitet hatten, fand sich bald ein Lehrerteam zusammen, mit dem ein fächer- bzw. themen- und aufgabenfeldübergreifendes Lernarrangement erarbeitet werden konnte.

Das Lernarrangement ist auf ein Schuljahr angelegt. Zu Beginn des Schuljahres erarbeiten sich die Schüler im Team innovative Produktideen, versuchen deren Umsetzungsmöglichkeiten z. B. mit den Lernangeboten der naturwissenschaftlichen Fächer fachlich zu durchleuchten und erstellen einen Businessplan, in dem sie die Lerninhalte der wirtschaftlichen Themen- und Aufgabenfelder (z. B. Marketingmix oder Kapitalbedarfsrechnung) anwenden und mit ihren Deutsch-Kompetenzen verschriftlichen. Damit schaffen sie sich die vom Lehrplan geforderten Lernsituationen (Hessisches Kultusministerium 2006: 67) selbst und sind besser motiviert, „ihre“ Probleme im Team mit den zur Verfügung stehenden fachlichen Lernangeboten zu lösen. Alle erarbeiteten und angewendeten Kompetenzen werden fortwährend von den Schülern in der Zusammenarbeit mit Lehrenden und Praxiskontakten evaluiert und weiterentwickelt. Bei schulinternen oder -externen Präsentationen wird auch diese Kompetenz gestärkt und führt am Ende zu einer höheren Selbstkompetenz und Problemlösefähigkeit. Es ist zu erwarten, dass weitere zukünftige Herausforderungen von den Schülern mit den selbst erprobten Hilfsmitteln unternehmerischen Denkens selbstbewusster und erfolgreicher abgeschlossen werden können.

Für meine Schüler ist jedes Jahr aufs Neue die größte Herausforderung, eine innovative Produktidee zu finden. Im Idealfall haben die Schüler einen persönlichen Bezug zur Produktidee und bereits etwas Vorwissen dazu. Eine große Hilfe ist dabei der zu Beginn des Schuljahres vom RKW Kompetenzzentrum Eschborn durchgeführte Design-Thinking-Workshop. Aufbauend auf den individuellen Stärken der Schüler erarbeiten sie sich in einem kreativen Prozess unter Zeitdruck und in Gruppen Geschäftsideen, deren Umsetzungsmöglichkeiten sie in einem zweiten Schritt in persönlichen Gesprächen oder per InternetRecherche überprüfen und präzisieren.

Steht die Geschäftsidee, erarbeiten die Schüler in etwa zwei Monaten arbeitsteilig einen Businessplan, der Anfang Dezember von lokalen Wirtschaftsjunioren gelesen wird. Anschließend erhalten die Schüler-Teams ein persönliches Feedback der Wirtschaftspraktiker. Dieser Praxiskontakt ist ein wesentlicher Meilenstein im Projektablauf. Er ermöglicht einen frühzeitigen und von den Schülern als verbindlich empfundenen Praxisabgleich. Der Blick der Schüler für realitätsbezogene Verbesserungsmöglichkeiten wird geschärft, bevor Anfang Januar die Businesspläne abschließend bei „Jugend gründet“ eingereicht sein müssen. Dort werden sie von einer fachkompetenten Jury bewertet und kommentiert. Die 25 besten Teams aus ganz Deutschland dürfen in Zwischenfinalen ihre Produktideen vor Publikum präsentieren und erhalten in anspruchsvollem Ambiente Einblicke in besondere Institutionen und Unternehmen.

Aber auch diejenigen Schüler, die keine bundesweit wahrgenommenen Lernerfolge erzielt haben, können ihre Produktidee am Ende des Projektes auf einer „Investorenmesse“ einer Jury (aus Vertretern der lokalen Wirtschaft) präsentieren und erweitern so ihre Präsentationskompetenz (Gudjons 2008: 86).

Da die Bewertungen der Schülerleistungen (auch) extern erfolgen, können sich die Lehrenden als Lernberater in den Lernprozesse einbringen. Das ändert die Lehrer-Schüler-Beziehung nachhaltig. Die Begeisterung für die im Lehrplan fixierten Themen stellt sich bei vielen Schülern, auch durch die vielfältige extrinsische Motivation, fast von alleine ein.

Die Empfehlungen

Ich möchte gerne vorwegschicken, dass Sie nicht Lehrer des Faches Wirtschaft sein müssen, um Ihre Schüler erfolgreich für Entrepreneurship Thinking zu begeistern. Erfahrungen im Bereich Projektmanagement und Begeisterung für Innovationen sind ausreichend. Dann können Sie im Idealfall mit einer kleineren Schülergruppe einfach mal starten und schauen, welche Dynamiken sich innerhalb der Lerngruppe bzw. der Teams entwickeln. Für die extrinsische Motivation ist es sinnvoll, sich nach Schüler-Gründer-Wettbewerben umzusehen. Suchen Sie sich einen Wettbewerb heraus, der zu Ihrer Schülergruppe, zu Ihrem Zeitplan oder zu Ihrem Umfeld passt (eine ausführliche Übersicht passender Wettbewerbe finden Sie unter dem Menüpunkt „Initiativen“ auf der Homepage www.unternehmergeist-macht-schule.de). Bitte haben Sie keine Angst vor der zusätzlichen Arbeitsbelastung. Sie ist vorhanden, kann sich aber in akzeptablen Grenzen halten. Sie werden Ihren Arbeitseinsatz schnell als sehr bereichernd für sich und Ihren Unterricht empfinden.

Es hilft, wenn Sie sich im Vorfeld z. B. einen Überblick über die verschiedenen von den Schülern durchzuführenden Arbeitsschritte und einzuhaltenden Termine verschafft haben. Es reicht, wenn Sie den Schülern mit Ihren ProjektmanagementKompetenzen helfen, rechtzeitig fertig zu sein. Oft ist die Einbindung externer Experten für die Schüler zusätzlich motivierend und für Sie arbeitsentlastend. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass sich Unternehmer und Führungskräfte aus der Wirtschaft sehr über einen Kontakt mit Schülern bzw. mit einer Schule freuen. Sprechen Sie doch einfach mal mit der für Sie zuständigen IHK (Stichwort: „Wirtschaftsjunioren“) oder fragen Sie bei der regionalen Vertretung eines Unternehmerverbandes (z. B. Bundesverband Mittelständische Wirtschaft). Vielleicht gibt es in Ihrer Region auch spezielle und i. d. R. kostenlose Bildungsangebote zu dem Thema, mit dem Sie in ein Wettbewerbsjahr starten können (z. B. in Norddeutschland: www.futurepreneur.de oder in Hessen und Baden-Württemberg: www.rkw.unternehmergeisterleben).

Meine jüngeren Erfahrungen haben gezeigt, dass es weder für die Schüler noch für den Lehrer angenehm und Erfolg versprechend ist, das Thema neben dem Unterricht zu bearbeiten. Zwei Wochenstunden sollte Ihre Schulleitung Ihnen und Ihren Schülern zur Verfügung stellen, damit Ihre Schüler kontinuierlich „unternehmerisch“ denken und arbeiten können. Sobald sich Ihre Schüler erste schulintern und -extern darstellbare Erfolge erarbeitet haben, entwickelt sich mit großer Wahrscheinlichkeit eine selbsttragende Dynamik, die Ihre aktuellen und zukünftigen Schüler für das Thema und die Art zu denken und Probleme zu lösen begeistern wird. Ich wünsche Ihnen viel Glück und Erfolg, dieses interessante Thema an Ihrer Schule zu implementieren!

Literaturverzeichnis

Gudjons, Herbert (2008):
Handlungsorientiert lehren und lernen. Schüleraktivierung, Selbsttätigkeit, Projektarbeit. Friedrich Pustet, Regensburg.

Hessisches Kultusministerium (Hrsg.) (2006):
Lehrpläne für Berufliche Schulen, Fachoberschule, Beruflicher Lernbereich, Fachrichtung Wirtschaft, Wiesbaden.

Mathes, Claus (2007):
Wirtschaft unterrichten, Verlag Europa-Lehrmittel, Haan-Gruiten, 5. Auflage.