Strukturierte Tonaufnahmen: Barrierefreiheit in der Praxis

Strukturierte Tonaufnahmen: Barrierefreiheit in der Praxis

Hannover – September 2011. Der Deutsche Hilfsmittelvertrieb, eine gemeinnützige GmbH, vertreibt ein neues Gerät: Einen Kamerascanner, der fotografierte Texte mit synthetischer Stimme vorliest. Der Hersteller hält die Gebrauchsanleitung lediglich in einer Druckversion vor, der Händler ist überzeugt: Blinde Kunden müssen mit ihrem Gerät eine für sie zugängliche Anleitung bekommen. Viel Aufwand ist es nicht, den Text aufzusprechen und – DAISY sei Dank – komfortabel navigierbar zu machen. In Holzminden, wo vor 35 Jahren bereits das Mieterlexikon vertont wurde, gehören solche Aufträge längst zum Alltag.

Der anscheinend einfachste Weg ist dieser: Man lässt einen (mit Überschriften, Aufzählungszeichen, Seitenzahlen sorgfältig strukturierten) Text mit einer speziellen Software automatisch „daisyfizieren“. Die Tonaufnahmen werden dabei von einer synthetischen Stimme erzeugt, alle Strukturmerkmale in die DAISY-Navigation übernommen. Die synthetische Sprachausgabe ist lange schon möglich, sie wurde in den vergangenen Jahren auch immer besser. Aber sie erreicht ihre Grenzen immer dort, wo durch menschliches Nachdenken die Qualität gesteigert werden kann: bei der Auflösung von Abkürzungen oder Web-Adressen, bei der Einbindung von Grafiken; oder schlichtweg überall, wo es auf eine sinnstiftende Betonung des Textes ankommt.

Die Computerstimme begleitet blinde Menschen täglich, wenn sie arbeiten. Mit der Sprachausgabe (und ggf. einer unterstützenden Brailleschrift-Zeile, die Bildschirminhalte auch tastbar anzeigt) haben sie sich Computertätigkeiten aller Art und damit viele neue berufliche Möglichkeiten erschlossen. Auch im privaten Bereich können sie mit E-Mail und Internet Information und Unterhaltung nutzen, wenngleich noch immer allzu viele Internetangebote durch eine schlechte Programmierung Barrieren aufweisen.

„Warum also verweisen wir nicht alle blinden Kunden auf das Internet?“, könnte jemand fragen, der sich Gedanken über diese Zielgruppe macht. Und er könnte die Gegenfrage riskieren: „Wenn Ihre Kunden alle Informationen im Internet abholen können, warum geben Sie Ihnen dann überhaupt noch Prospekte, Bedienungsanleitungen, Broschüren, Zeitschriften gedruckt in die Hand?“