Alle guten Gründe für „Print“ sind auch gute Gründe für „DAISY“.

Alle guten Gründe für „Print“ sind auch gute Gründe für „DAISY“.

Wenn die hörbaren Informationen dann auch noch von Menschen vorgetragen werden, ist das mehr als nur eine willkommene Abwechslung zur für Blinde allgegenwärtigen Computerstimme. Es ermöglicht auch eine persönlichere Ansprache der Kunden, wobei man keine prominente Schauspielerin für die Aufsprache verpflichten muss.

Mehr als 200 Freiwillige arbeiten heute für jenes soziale Unternehmen, das vor 35 Jahren in Holzminden Hörzeitungen bundesweit zu organisieren begann. Texte lesen ist ihre Passion, auch wenn die wenigsten von ihnen professionelle Sprecher sind. Ihr Trägerverein, der heute „atz Hörmedien für Sehbehinderte und Blinde e. V.“ heißt, hat als Dienstleister rund um DAISY einen wichtigen Stellenwert innerhalb der Selbsthilfe der blinden und sehbehinderten Menschen.

Die Einsatzmöglichkeiten für strukturierte Texte, von menschlicher Sprache vermittelt, sind dabei sehr vielfältig. Periodika, die sich aus den früheren Kassettenzeitungen entwickelt haben, erscheinen bei den Hörbüchereien und vielen dezentralen Initiativen; zum Beispiel:

  • Wöchentliche Pressespiegel mit ausgewählten Texten aus der Lokalzeitung in zahlreichen Regionen bundesweit;
  • Texte aus überregionalen Zeitungen und Magazinen von TAZ über ZEIT, Focus und Spiegel (letzterer sogar in voller Länge) bis zu GEO;
  • Zielgruppen- oder themenorientierte Hörzeitschriften mit eigener Redaktion, die Texte aus verschiedenen Quellen verwenden, etwa für Verbraucherthemen, Medientechnik, Elternfragen, politische Bildung, gesundheitliche Aufklärung, für Frauen oder Jugendliche.

Positive Beispiele sind meistens aus dem Kreis derblinden Betroffenen selbst initiiert worden oder beziehensich auf spezielle Zielgruppenangebote.

Entsprechend der Nachfrage aus dem potenziellen Hörerkreis hat sich dieses Angebot im Laufe der Jahre entwickelt. Die Kosten werden aus Hörerbeiträgen gedeckt. Andere Finanzierungsmodelle gibt es meistens dann, wenn Organisationen Informationen aus ihren Zeitschriften von sich aus barrierefrei hörbar zugänglich machen; hier eine Auswahl:

  • Der Verband für physikalische Therapie oder der Deutsche Diabetiker Bund lassen ihre Mitgliederzeitschriften als Hörzeitschrift im DAISY-Format herausgeben. Vor allem dort, wo es um regionale Informationen, Veranstaltungskalender etc. geht, kann die DAISY-Navigationsstruktur ihre Stärken zeigen.
  • Die Gewerkschaft ver.di stellt für ihre Mitglieder ein „Best Of“ ihrer Hauszeitung ver.di Publik zusammen, neben der Print-Version und der Internetausgabe; in der Redaktion werden Texte für die 90-minütige Hörausgabe ausgewählt, die von einem externen Dienstleister gelesen und verteilt wird.
  • Die Bundesarbeitsgemeinschaft Hilfe für Behinderte gibt ihre Zeitschrift „Selbsthilfe“ in einer Hörversion heraus.
  • Die Stiftung Nikolauspflege in Stuttgart, die die Betreuung und Bildung von Menschen mit Behinderung zur Aufgabe hat, lässt ihr Magazin für Freunde und Förderer ebenfalls akustisch umsetzen.

Die Beispiele zeigen die Einsatzmöglichkeiten, lassen aber auch Erweiterungspotentiale erahnen. Denn selbst dort, wo Produkte oder Dienstleistungen mit dem Argument „barrierefrei“ beworben werden, ist eine entsprechende Informationsaufbereitung nicht selbstverständlich.

Positive Beispiele sind meistens aus dem Kreis der blinden Betroffenen selbst initiiert worden oder beziehen sich auf spezielle Zielgruppenangebote. Dass Anbieter von speziellen Reisen für blinde und sehbehinderte Menschen ihre Ausschreibungen auch akustisch darstellen, überrascht kaum.

„Barrierefreies Reisen“ gilt aber im Zeichen einer alternden Gesellschaft als Zukunftsmarkt nicht nur für Spezialanbieter, sondern für ganze Tourismusregionen. Hochglanzbroschüren geben Auskunft über Zugänglichkeit, Unterstützungsangebote oder die Informationsvermittlung vor Ort. Aber nur wenigeAnbieter machen ihre Basisinformation nicht nur im Internet erreichbar, sondern geben sie auch als Hörbuch ihren Kunden direkt an die Hand.

Das gilt auch für andere Branchen. Kundenzeitschriften sind wichtiger Bestandteil der Öffentlichkeitsarbeit. Doch selbst große Unternehmen, die schon statistisch mit relevanten Zahlen blinder oder sehbehinderter Kunden rechnen müssten, machen diesen Kunden kaum einmal ein entsprechendes Angebot. Anfragen Betroffener bei Krankenversicherungen und Energieversorgern bleiben bislang fast immer ohne befriedigendes Ergebnis.

Gelegentlich hilft Wettbewerb: Die überregionalen Heimlieferanten von Tiefkühlkost setzen schon lange auf eine gut nutzbare Hörversion ihrer Kataloge; als der erste sich damit neue Kundenkreise erschlossen hatte, folgte ihm bald der nächste.

Oder: Ein blinder Mitarbeiter im Unternehmen sensibilisiert die Verantwortlichen für seine Informationsprobleme. Auf diesem Weg kam die „Teekampagne“ unlängst zu einem DAISY-Hörbuch. Die Potsdamer „Projektwerkstatt GmbH“ informiert darin nicht nur über ihr Angebot als Teeimporteur und ihr Engagement für die Teebauern in Indien, sondern liefert gleich ein ausführliches Teelexikon mit. Zusätzlich machen Fachbeiträge aus eigener Erfahrung Mut zur Unternehmensgründung – warum sollten nicht blinde Menschen aus persönlich erkannten Defiziten neue Geschäftsideen entwickeln und zum Entrepreneur werden?

Berlin – August 2012. Im Berliner Stadtbezirk Spandau ist die strukturierte Audioinformation schon fast Routine. Die Broschüre für die Seniorinnen und Senioren im Bezirk, die im Vorjahr erstmals auch als DAISY-Hörbuch erschienen war, erlebte bereits ihre zweite Auflage. Im Nachbarbezirk CharlottenburgWilmersdorf haben sich bereits Nachahmer gefunden. Und auch in Tempelhof-Schöneberg interessiert man sich für ein ähnliches Projekt. Barrierefreie Informationsbroschüren für Menschen, die nicht lesen können, finden wachsendes Interesse.