Vom Hersteller zum Problemlöser

Unter produktbegleitenden oder industriellen Dienstleistungen sind in unserem Projekt solche Services zu verstehen, die für andere Geschäftseinheiten oder andere Unternehmen erbracht werden. Es sind Services, die um ein "Kernprodukt" herum – prinzipiell entlang der gesamten Lebenszeit eines Produktes – entwickelt werden können. Dazu gehören traditionell Reparaturen, Wartungen oder Montageleistungen, aber auch Schulungs- und Beratungsangebote.

Darüber hinaus sind im Zeichen nachhaltigen Wirtschaftens Entsorgungs- bzw. Rücknahme- und Recyclingangebote angezeigt. Zunehmend stellen eine durchgehend verfügbare „Hotline“ oder auch IT-gestützte Optimierungsservices eine wertvolle Ergänzung komplexer Produkte dar. Dabei liefert die rasante Entwicklung der Informationstechnologie besondere Impulse für weltweit auszuführende Dienstleistungen, bei denen die physische Anwesenheit des Servicepersonals am Einsatzort gar nicht mehr oder nur noch in extremen Krisensituationen notwendig ist.

Tatsächlich ist eine steigende Tendenz der Industrieunternehmen zu beobachten, rund um ihre Produkte ergänzende Services anzubieten. Um sich von der (auch globalen) Konkurrenz abzuheben, die in zunehmendem Maße gleichartige, für den Kunden kaum unterscheidbare Erzeugnisse herstellt, werden Angebote entwickelt, die die Zufriedenheit der Kunden erhöhen und eine längerfristige Kundenbindung zum Ziel haben. Nach dem Mittelstandspanel des Bundesverbands der Deutschen Industrie e. V. (BDI) beschreiten bereits mehr als Dreiviertel der 2012 befragten Industrieunternehmen diesen Weg (s. Abb. 1).

Während schon 90 Prozent der größeren Unternehmen mit über 250 Beschäftigten zusätzliche Dienstleistungen anbieten, sind es laut BDI bei den kleinen und mittleren Unternehmen immerhin schon 75,8 Prozent. Es zeigt sich, dass gerade in der Investitionsgüterproduktion besonders häufig und viele Zusatzleistungen angeboten werden.

Werden mehrere dieser Serviceleistungen zusammen mit dem Produkt entwickelt und als Leistungsbündel vermarktet, bekommt der Kunde ein "Rundum-Sorglos-Paket": Über die Produktlieferung hinaus wird ihm eine komplette Problemlösung angeboten. Je komplexer ein Industrieprodukt ist, desto unverzichtbarer macht sich der Hersteller mit seinen begleitenden Diensten. Unternehmen, die ihren Kunden ein Paket aus Industrieerzeugnis und Dienstleistung anbieten, entweder in Eigenregie oder mit einem Kooperationspartner, gelten darüber hinaus als innovativer, kundenorientierter und internationaler aufgestellt. Unternehmen können sich so vom Produkthersteller zum Lösungsanbieter weiterentwickeln (s. Abb. 2).

Der Wandel vom Sachgüterlieferanten zum industriellen Dienstleister oder Lösungsanbieter erfordert jedoch in jedem Fall Zeit und Raum für eine Anpassung der konzeptionellen, organisatorischen und personenbezogenen Prozesse. Vor allem die an der Dienstleistung beteiligten Menschen, Servicemitarbeiter und Kunden, stehen dabei im Mittelpunkt. Grundlegend ist der Aufbau einer Servicekultur, die von allen Beschäftigten im Unternehmen getragen wird.

Ein wichtiger Erfolgsfaktor bei der Konzeptionierung neuer Dienstleistungsangebote ist die Berücksichtigung kundenindividueller Wünsche bei einem gleichzeitig hohen Standardisierungsgrad. Dies wird – wie in einem Baukastensystem – dadurch erreicht, dass einzelne standardisierte Elemente bzw. Module je nach Anforderung miteinander kombiniert werden und dadurch "maßgeschneiderte" Lösungen entstehen.

Die Problemlösung verkaufen – Das Betreibermodell von EnviroChemie

EnviroChemie ist ein mittelständisches Unternehmen, das Anlagen zur Wasseraufbereitung bzw. Abwasserbehandlung herstellt. Für seine international agierenden Kunden, u. a. aus der Lebensmittel-, Automobil- und Chemieindustrie, bietet das hessische Unternehmen begleitende Dienstleistungen von der Beratung und Planung bis hin zum Betrieb der Anlagen selbst an. Während die Kunden sich ganz auf ihre Produktion konzentrieren können, werden die individuell kombinierbaren Anlagen (Baukastensystem) und Verfahren installiert, optimiert und renoviert bzw. ausgebaut. Kundenspezifische Verträge regeln den jeweiligen Leistungsumfang innerhalb von sogenannten Betriebsführungsmodulen (Operating, Logistik, Behördenmanagement). Zum Angebot gehören auch eine ganzheitliche Betrachtung des Produktionsprozesses und die Frage: Wo können Ressourcen eingespart oder recycelt, Betriebs- und Personalkosten gesenkt werden?

EnviroChemie hat sich im Premiumsegment der industriellen Wasser- und Abwassertechnik positioniert. Um dies zu erreichen, sind Alleinstellungsmerkmale und Nutzenvorteile für Kunden erforderlich. Die modularen Anlagen werden in Deutschland komplett gebaut und getestet, sind schnell einsatzbereit, leicht anpassbar. Der Kunde gewinnt also Zeit, Flexibilität und Qualitätssicherheit.

Mit der Betriebsführung trägt EnviroChemie der Tatsache Rechnung, dass Kunden oft viel Zeit und Geld benötigen, geeignetes Bedienpersonal zu gewinnen, zu motivieren und zu halten. Die Tätigkeiten der Anlagenbediener zur Wasseraufbereitung liegen zudem außerhalb der Kernaufgaben der produzierenden Unternehmen, in denen sie stattfinden, und sind für diese häufig ein mehr oder weniger "notwendiges Übel". Für den Wasserspezialisten aber stellen sie das "Zentrum der Wertschöpfung" dar und erfahren dadurch entsprechende Aufmerksamkeit und Sorgfalt.

Die Anlagenmodule können mittlerweile weltweit problemlos und ohne Einschränkungen geliefert werden. Für die begleitenden Dienstleistungen sind im internationalen Umfeld jedoch, so die EnviroChemie-Geschäftsführung, einige Voraussetzungen notwendig: Neben technischen Ressourcen müssen im Zielland geeignete Niederlassungsstrukturen vorhanden und Fachkräfte mit notwendiger Sprachkompetenz bzw. entsprechender kultureller Kompetenz verfügbar sein. "Die bisherigen Erfahrungen zeigen […], die Technologien als auch die Dienstleistungen müssen zuerst im Heimatland gut funktionieren, bevor man sich in andere Zielregionen, am besten zunächst im europäischen Umfeld, wagt."