Unternehmensgründungen waren für das RKW in den 1920er Jahren noch gar nicht auf der Agenda und auch in der jungen Bundesrepublik eher ein Randthema. Erst in den 1980er und -90er Jahren bekam Unternehmertum vor dem Hintergrund des Aufstiegs der New Economy allgemein eine größere Aufmerksamkeit. Doch bereits einige Jahrzehnte früher, in den 1960er Jahren, fingen die RKW Landesorganisationen an, Gründerinnen und Gründer zu beraten und zu begleiten. Zusammen haben die RKW Landesorganisationen bis heute etwa 75.000 Beratungsgespräche zu den Themen Gründung und Wachstum durchgeführt. Richtig Fahrt nahm das Thema „Unternehmertum und Gründung“ in Deutschland dann in den 1990er Jahren auf, als die Innovationsfähigkeit der deutschen Wirtschaft in Frage gestellt und eine Verbesserung in der Förderung von jungen Hightech-Unternehmen gesehen wurde. Mitte der 1990er Jahre entwickelte sich eine Unterstützenden-Infrastruktur, durch die innovative Ansätze für Unternehmensgründungen ausprobiert wurden. So lief über Jahre erfolgreich ein RKW-Programm „Gründen im Team“, das komplementäre Kompetenzen von Gründungsinteressierten zusammenführte. Eine Vielzahl politischer Initiativen, Business-Plan-Wettbewerbe und Gründerzentren leisten seit dem einen wichtigen Beitrag dazu, die Gründerkultur in Deutschland zu stärken. So wurde Ende der 1990er der erste Lehrstuhl für Entrepreneurship gegründet. Jedoch waren die 1990er Jahre auch eine Zeit, in der die Arbeitslosigkeit stetig stieg – und damit auch die Zahl der Existenzgründungen aus der Not heraus. Infolgedessen wurden Gründungen von staatlicher Seite stark gefördert; auch das RKW unterstützte damals mit der „RKW Existenzgründermappe“ Gründungen. Ende der 1990er wurde der Global Entrepreneurship Monitor (GEM) ins Leben gerufen, ein Forschungskonsortium, an dem sich mehr als 50 Länder beteiligen, und das seit mittlerweile über 20 Jahren die internationalen Gründungsaktivitäten und gründungsunterstützenden Rahmenbedingungen erfasst. Alleine in Deutschland wurden in diesem Rahmen seit 1999 mehr als 100.000 Interviews mit Bürgerinnen und Bürgern sowie 1.500 Gründungsexpertinnen und -experten durchgeführt. Ein Blick auf die Gründungsaktivitäten in Deutschland Anfang des neuen Jahrtausends zeigt: 6 Prozent der deutschen Bevölkerung im Alter zwischen 18 und 64 Jahren haben ein Unternehmen gegründet oder sich zum Zeitpunkt der Befragung aktiv mit einem eigenen Gründungsvorhaben beschäftigt. Dieser Anteil verringerte sich während der Finanzkrise (2008–2010) auf 4 Prozent, nur um danach wieder auf die vorherigen Höhen anzusteigen. Während ein Jahr vor der Coronakrise die Gründungszahlen auf über 7 Prozent anstiegen, scheint laut einer Vorabauswertung des aktuellen KfW-Gründungsmonitors die andauernde Krise wieder zu einem Rückgang der Gründungen oder einer Verschiebung des Starts geplanter Gründungen zu führen.

Sind die Gründungen auch „nachhaltig“?

Wichtiger als der reine Blick auf die Zahlen ist allerdings die Betrachtung der „Nachhaltigkeit“ von Gründungen, und zwar im Sinne eines generationenübergreifenden, resilienten und widerstandsfähigen Unternehmertums. Denn auch wenn Deutschland im weltweiten Vergleich nicht auf den vorderen Plätzen rangiert (in den USA oder Kanada waren die Gründungszahlen vor der Coronakrise mehr als doppelt so hoch wie in Deutschland), so brauchen wir nicht per se mehr Neugründungen, sondern mehr Unternehmen, die sich langfristig etablieren, und bestehende Unternehmen, die Nachfolgende finden, sodass Wettbewerb, Unternehmensvielfalt und Arbeitsplätze erhalten werden. Beim genaueren Blick auf die Entwicklungen der Gründungszahlen in den letzten Jahrzehnten lässt sich erkennen, dass sie sich nach Krisen in aller Regel wieder erholen und dass gerade in Krisenzeiten Kreativität und Innovationen deutlich zunehmen. 80 Prozent der deutschen Bevölkerung sind zudem der Meinung, dass in den letzten Jahren das Ansehen von Gründenden in der Gesellschaft stark angestiegen ist. Auch die Anzahl der gründenden Frauen und Vorbildunternehmerinnen ist zwar langsam, aber kontinuierlich gestiegen. Und ein eindeutiger Trend – hin zu jungen Gründenden und Gründungsinteressierten – existiert auch in der Altersstruktur. Die größten Zuwächse gibt es nämlich in den jüngeren Altersgruppen (18- bis 24-Jährige und 25- bis 34-Jährige). Während in früheren Generationen der vermeintlich sichere Weg von der Ausbildung oder dem Studium in das Angestelltenverhältnis gewählt wurde, suchen die jüngeren Generationen (Y und Z) ihren Beruf oder auch ihre Berufung also vermehrt in der beruflichen Selbständigkeit.

Zeit zu handeln!

Die genannten Zahlen können als Zeichen eines Kulturwandels in Deutschland gedeutet werden. Um diesen weiter zu unterstützen, kommt den gründungsunterstützenden Rahmenbedingungen eine große Bedeutung zu. Bereits laufende Unterstützungsprogramme für Gründungen, wie beispielsweise die EXIST-Gründerstipendien, werden in Deutschland von den Gründungsexpertinnen und -experten in den letzten Jahren als mehrheitlich positiv bewertet und verzeichneten gerade im Jahr 2020 Rekordwerte bei den Einreichungen. Besonders in Krisenzeiten wie der aktuellen Corona-Pandemie zeigt sich die Bedeutung von Unterstützungsprogrammen für Gründende und Selbstständige. Die Bundesregierung agiert in schwierigen wirtschaftlichen Lagen wie der aktuellen mit einem umfassenden Schutzschirm. Zu den angesprochenen Rahmenbedingungen zählt auch die Vermittlung notwendiger Gründungskompetenzen: 57 Prozent der Befragten des GEM gaben an, die Kreativität und Fähigkeit, aus Ideen einen wirtschaftlichen Mehrwert zu schaffen, zu besitzen. Bei genauerer Nachfrage nach konkreten digitalen Kompetenzen schätzen sich allerdings weniger als ein Drittel als kompetent ein. Auch technologische Fähigkeiten werden häufiger für eine Gründung benötigt, da sich in den letzten zehn Jahren der Anteil der Gründungen mit mittlerer oder hoher Technologieintensität von fünf auf zehn Prozent verdoppelt hat. Technologische und digitale Kompetenzen werden auch im Gründungsbereich zu zentralen Zukunftskompetenzen, wenn sie es nicht schon längst sind. Gerade diese Fähigkeiten sollten in den zukünftigen (Gründungs-)Generationen schon früh und kontinuierlich (in der Schul- und Ausbildung) gestärkt werden. Die Vermittlung von Gründungskompetenzen in der deutschen Bildungslandschaft hat sich insgesamt deutlich verbessert – so schildern es die befragten Gründungsexpertinnen und -experten. Diese Ergebnisse bestätigen somit den seit 2015 beobachteten Trend, dass Schulen und Hochschulen in Bezug auf ihre Gründungsausbildung von Jahr zu Jahr positiver abschneiden. Und wie steht Deutschland damit im internationalen Vergleich da? Bei der Hochschulausbildung befindet sich Deutschland seit einigen Jahren im vorderen Drittel, vor Kanada aber hinter den USA. Bei der Wirtschaftsausbildung an Schulen rangiert Deutschland jedoch nur im mittleren Drittel. Deswegen sollten Angebote wie beispielsweise die Initiative „Unternehmergeist in die Schulen“ unter der Federführung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) weiter fortgesetzt werden, um Jugendlichen unternehmerische Kompetenzen näherzubringen. Aber nicht nur die Ausbildung für Neugründungen, auch die Sensibilisierung für die Übernahme eines bestehenden Unternehmens benötigt Raum in der Gesellschaft. Nur ein Viertel der Befragten des GEM findet, dass Unternehmensnachfolge als Gründungsoption in der Gesellschaft ausreichend bekannt ist. Rund die Hälfte der Befragten empfehlen daher, Neugründenden eine breitere Beratung zur beruflichen Selbstständigkeit anzubieten.

Digital, divers und hoffentlich mutig!

Im Januar 2021 hat das RKW Kompetenzzentrum im Rahmen der Mittelstand-meets-Startup-Umfrage kleine und mittlere Unternehmen nach ihrem Blick in die Zukunft gefragt. Hieraus ergab sich folgendes Bild: Die Mehrheit sieht anhand der durch die Corona-Krise beschleunigten Digitalisierung einen wachsenden Technologiedruck auf die Unternehmen und eine schnellere Anpassungsfähigkeit, die Mut für Innovationen erfordert. Auch das Thema Diversität gewinnt weiter an Bedeutung. Das spiegelt sich auch in den Gründungszahlen des GEM wider, die neben steigenden Zahlen von Gründerinnen und jungen Gründenden einen Anstieg bei den migrantischen Gründungen verzeichnen. Während diese 2015 noch bei 5 Prozent lagen, sind sie in den letzten Jahren auf 12 Prozent gestiegen, Tendenz weiter steigend. Das Unternehmertum der Zukunft wird vor allem digital, divers und hoffentlich mutig. Denn: Wir brauchen Mut! Mut steht uns gut!

 

Diesen und weitere spannende Beiträge finden Sie in der aktuellen Ausgabe des RKW Magazins: Auf das, was da noch kommt. 

 

Literatur & Links:

EXIST: www.exist.de/SharedDocs/Kurzmeldungen/DE/EXIST-erreicht-2020-einen-neuen-Rekordwert-bei-der-Vergabe-von-EXIST-Gruenderstipendien.html (letzter Abruf: 28.04.2021)

Global Entrepreneurship Monitor (2019/20): www.rkw-kompetenzzentrum.de/gruendung/studie/globalentrepreneurship-monitor-20192020/ (letzter Abruf: 28.04.2021)

Global Entrepreneurship Monitor (2018–1999): www.iwkg.uni-hannover. de/de/forschung/forschungsprojekte/ detailseite/projects/global-entrepreneurship-monitor-gem-laenderbericht-deutschland/ (letzter Abruf: 28.04.2021)

Initiative „Unternehmergeist in die Schulen“: www.unternehmergeist-macht-schule.de/DE/Startseite/home_ node.html (letzter Abruf: 28.04.2021)

Metzger, G. (15.04.21): Corona-Krise führt 2020 zu neuem Tiefpunkt bei Vollerwerbsgründungen. KfW-Research. Volkswirtschaft Kompakt. Nr. 210.

Mittelstand meets Startup (2021): www.rkw-kompetenzzentrum.de/ gruendung/gruendungsoekosysteme/ mittelstand-meets-startup/ (letzter Abruf: 28.04.2021)

Kautz, W.-E. (1996): RKW Existenzgründermappe. Praktische Anleitung zur Gründung selbständiger Existenzen. RKW-Verlag.

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