Gendern - ja oder nein und wenn, wie? – diese Diskussionen erlebe ich nicht nur in meinen Gesprächen mit Unternehmen. Zahlreiche Artikel in den Medien beschäftigen mit der Schreibweise, die alle Menschen meint, unabhängig vom Geschlecht - dem Gender*Sternchen. Es wirkt mittlerweile fast wie ein Kampf um die vermeintlich „richtige Sprache oder um die richtige Schreibweise.“

Dass es  bei Sparkassen in der Ansprache nur Kunden gibt, keine Kundinnen – zumindest auf dem Formular, ist nach höchstrichterlicher Rechtsprechung in Ordnung. Anfang Mai befasste sich erstmals der Rat der deutschen Rechtschreibung mit dem Thema. Bis November soll es eine Empfehlung geben ob und wie die Gendersprache genutzt werden kann. Ob diese Empfehlung dann im Duden zu lesen ist, wird noch abzuwarten sein.

Welche Schreibweise ist denn erfolgsversprechender für Unternehmen, die heute Fachkräfte oder Azubis suchen?

Wird mir diese Frage gestellt, erzähle ich gerne diese Geschichten und nehme mein Gegenüber mit auf ein Gedankenexperiment.

 Drei Schreiner nach Feierabend: Zwei trinken Bier. Die Biertrinker fragen Nummer 3: Was ist denn los?

Für mich nur Wasser, ich bin schwanger.

 WM-2018: Zwei Spieler der RKW-Tippgemeinschaft diskutieren lebhaft in der Kantine über die Ergebnisse der ersten Spielrunde und ihre Prognosen für die WM. An der Espresso-Bar verbrüdern sie sich mit weiteren WM-Fans. Sie bemerken die verstohlenen Blicke einiger anderer Gäste. Lachend nehmen sie ihre Handtaschen und gehen zurück ins Büro.

Die Texte entsprechen den Regeln der Grammatik und sind in Ordnung. Auch mein Gegenüber ist schreibtechnisch richtig. Aber was sehen Sie vor Ihrem inneren Auge? Waren Sie verwundert, dass die Schreiner und WM-Fans Frauen waren? Handelt es sich bei den biertrinkenden Schreinern um Männer? Ist mein Gegenüber eine Frau oder ein Mann? Wissen können wir es nicht. Sobald ein Mann in der Gruppe ist wird die männliche Wortform benutzt. Das Wort verbrüdern wird geschlechterübergreifend gebraucht und trägt auch nicht zur Klärung bei.

Erfolgsversprechend im Personalmarketing ist Klarheit: Eine Sprache, die zu einer Berufsbezeichnung ein Bild von Frauen wie Männern vor dem inneren Auge entstehen lässt. Denn Sprache funktioniert nicht über gute Absichten sondern über sozialen Kontext. Wenn die Erfahrung sagt, dass Schreiner überwiegend Männer sind, denken wir beim Lesen "Schreiner" überwiegend an Männer. Gegenprobe: Schreinerin oder Schreiner*in.

Probieren Sie es aus

Wenn Sie heute die Stellenanzeige neu schreiben oder die Karrieresite  überarbeiten, spielen Sie es einmal mit den  (Ausbildungs-) Berufen durch. Welche Personen sehen Sie hinter der Berufsbezeichnung? Welches Geschlecht ist mit-gedacht?

Versuchen Sie es mit Maschinenschlosser und Systemadministrator oder Hebamme und Pflegehelfer. Klar,  die Frauen bzw. Männer oder sonstige Geschlechter sind immer mit-gedacht. Ganz ehrlich - funktioniert das? Leider führt das generische Maskulinum nicht dazu, dass Sie Männer wie Frauen in dem Berufsbild sehen, im Gegenteil, wie Forschungen belegen. Beispielsweise wird hinter der Berufsbezeichnung "Maler" nicht automatisch das Bild einer Frau als Malerin hervorgerufen. Das kann bei der Berufswahl dazu führen, dass sich interessierte Frauen und Mädchen nicht angesprochen fühlen und sich bei diesem Unternehmen vielleicht nicht bewerben. Das gleiche gilt für Männer und Jungen in weiblich dominierenden Berufen.

Um die Wirklichkeit abzubilden, muss Sprache lebendig sein. Denn es gibt sie, die Arzthelfer und die Baggerfahrerinnen, die Bürokaufmänner und Bürokauffrauen.  Mit ihnen entstehen neue reale Bilder vor dem inneren Auge. Diese widerlegen die klassischen Klischees und Rollenbilder mehr als beim „männlichen mit-gedacht“.

Diese gendersensiblen Berufsbilder benötigen wir, damit

  • sich Frauen und Männer für die Berufe und Ausbildungsberufe bewerben, die ihnen liegen,
  • Unternehmen die passenden Mitarbeiter*innen und Auszubildende finden,
  • Klischees und Rollenbilder in der Gesellschaft aufgebrochen werden und
  •  Eltern und Lehrer*innen Jugendlichen zu Berufen raten, die zu ihnen passen und ihnen Spaß machen.

Unser Tipp:

Benutzen Sie Gendersternchen*, Gender_Gap, das Binnen-I oder die so lang geschriebene  Paarform … egal was aber machen Sie es. Warum? Sie wollen interessierte und passende Mitarbeiter*innen für ihr Unternehmen gewinnen.

Wie? Tipps finden Sie im Faktenblatt und/oder testen Sie und sammeln Sie Ihre eigenen Erfahrungen. Wie wirkt beispielsweise eine Stellenanzeige mit Gender*Sternchen auf Sie und die Bewerbergruppe. Testweise könnten Sie einen Gender-Button auf Ihrer Webseite einsetzen. Dieser wandelt den Text automatisch auf Gendersprache um. Welche Wirkungen erzielen Sie bei sich und Ihren Kunden? Tipps zur Formulierung finden sie auch im Gender-Wörterbuch oder im Genderwörterbuch der Website www.buchstaben.com.

Letztendlich können Sie nur gewinnen – an Erfahrung oder bestenfalls neue Fachkräfte.

Und die häufigen Gegenargumenten? „Das war schon immer so!“, „Das ist unleserlich und zu lang.“, „Das haben wir ja noch nie gemacht!“, „Das Geschriebene sieht ja furchtbar aus!“

Früher war alles einfacher, heute ist alles komplizierter - mit Sternchen*.