Ingra Freigang-Bauer, die das Themenfeld im RKW aufgebaut hat, blickte zurück. Anlass war ihre Verabschiedung in den Ruhestand bei der letzten Sitzung des Fachbeirats "Mensch und Arbeit".

Die Anfänge

Vorläufer gab es schon in den siebziger Jahren: Mit dem Programm "Humanisierung der Arbeit", an dem das RKW beteiligt war, oder mit dem von 1.500 Menschen besuchten RKW-Kongress "Menschengerechte Arbeit" 1975. Inhaltlich ging es vor allem um den technischen Wandel in den Betrieben und seine Auswirkungen, auf den Einsatz des Personals, auf die Arbeitsbedingungen und die Arbeitsanforderungen. Gesundheit der Beschäftigten wurde aber nicht als eigenständiges Thema bearbeitet.

Das änderte sich in den 1990er Jahren, denn es zeigte sich, dass alleine mit dem "traditionellen" Arbeitsschutz die meisten gesundheitlichen Probleme und arbeitsbedingten Erkrankungen nicht zu lösen sind. Sondern dass man dafür problembezogene betriebliche Präventions- und Interventionsansätze brauchte, beispielweise um Fehlzeiten zu reduzieren. 1988 mit der Gesundheitsreform wurde ein neuer Schritt gegangen: Die Krankenkassen etablierten die betriebliche Gesundheitsförderung. Darin sahen alle Experten einen hilfreichen neuen Weg.

RKW versteht "Gesundheit im Betrieb" als Beitrag zur Produktivitätssteigerung

Das RKW richtete 1990 ein neues Referat ein "Arbeits- und Gesundheitsschutz zur sozialen Arbeitsgestaltung" und besetzte die Stelle mit der Medizin-Soziologin Ingra Freigang-Bauer. Ziel war es, einerseits betriebsspezifische Analysen zu begleiten und Lösungswege zu entwickeln und andererseits mehr Betriebe für das Thema "Gesundheit" bzw. "Gesundheitsförderung" zu sensibilisieren. Denn das betriebliche Gesundheitsmanagement dient der Produktivitätssteigerung, die sich das RKW ja seit seinen Anfängen auf die Fahnen geschrieben hat.

Die Argumente sind klar: Weniger Ausfall durch Krankheit und Unfall, ungestörte Betriebsabläufe und optimierte betriebliche Arbeitsprozesse, Verbesserung der Rechtssicherheit und der Kunden-Lieferanten-Beziehungen und letztlich auch Steigerung der Arbeitsmotivation der Beschäftigung und weniger Personalfluktuation.

RKW macht es konkret

Wie aber kommt diese Erkenntnis in die Betriebe? Das RKW hat hierin eine seiner Stärken, es bricht so "große" Themen herunter auf ganz konkrete Unterstützungsangebote. Eines der ersten war 1993  "Sicher sauber?"  Lehr- und Lernmaterialien zur Reinigungschemie, zum Gesundheits- und Umweltschutz in der Gebäudereinigung. Das Call-Center-Verbundprojekt, an dem sich das RKW 200 bis 2002 beteiligt hat, war eines der umfangreichsten. Neben einem Branchenbild zum Call-Center und arbeitsmedizinischen Untersuchungen, Arbeits- und Organisationsanalysen entstanden Materialien zur "Emotionsarbeit". Diese besondere psychische Belastung gibt es in vielen Dienstleistungsberufen – die Erkenntnisse  auf andere Branchen zu übertragen, war darum ein wichtiges Anliegen.

Das BMAS-Projekt "Gesund und sicher starten" bot dazu die Gelegenheit. Im Fokus standen Unternehmensgründer, vor allem die vielen Solo-Selbständigen. Mit Branchenschwerpunkten wie u.a. Gastronomie und Einzelhandel waren wieder Fakten und Empfehlungen zur Emotionsarbeit, aber auch zu vielen anderen Themen gefordert.  Auf der Websites www.guss-net.de sind sie nach wie vor zu finden und so aktuell wie eh und je.

Eine Riesenaufgabe kam mit dem Aufbau Ost. Mit Veranstaltungen und Leitfäden – für Betriebe allgemein und für die Baubranche im Besonderen hat das RKW das Thema "Gesundheit" und "Arbeitsschutz" auch dort in die Betriebe getragen.

Netzwerk für die Gesundheit im Betrieb

Muskel- und Skeletterkrankungen haben immer noch einen großen Anteil an den krankheitsbedingten Fehltagen, aber psychische Fehlbelastungen gewinnen immer größere Bedeutung – nicht erst seit dem Absturz der German Wings-Maschine in den französischen Alpen.

Das RKW hat auch auf das Thema psychische Fehlbelastungen früh reagiert. Vor zehn Jahren erschien eine erste Broschüre  zur Vermeidung solcher Probleme im Betrieb. Vor 15 Jahren widmete sich eine Tagung "Psychischer Stress in der Arbeitswelt" diesem Thema. Veranstalter war damals der hessische RKW-Arbeitskreis "Gesundheit im Betrieb". 1995 gegründet ist dieser Zusammenschluss der wichtigsten Akteure des Arbeits- und Gesundheitsschutzes in Hessen heute eines der Fundamente für Projekte und Veranstaltungen des RKW in diesem Themenfeld. Als offizielles Regionalforum der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie fungiert der Arbeitskreis seit 2012. Immer wieder führt er viel beachtete Tagungen durch, zuletzt 2012 in Darmstadt den Kongress "Prävention im Wandel der Arbeitswelt: Mensch – Organisation – Technik" mit über 400 Besuchern und 2014 das Regionalforum "Prävention in der Region".

Aus dem Arbeitskreis heraus entstanden auch nützliche Internet-Angebote wie die infoline Gesundheitsförderung, das Portal "Demografischer Wandel in der Arbeitswelt" und das Portal "Betriebliches Eingliederungsmanagement". 

Ingra Freigang-Bauer hat ihr Arbeitsfeld übergeben an Gabriele Held, die das Thema in der bewährten Art und Weise fortführt.