Der Fachkräftemangel bleibt eine der größten Herausforderungen für viele Unternehmen und Branchen, so auch die ST-Templin Automotive GmbH, einen Partner im Ersatzteilgeschäft für Nutzfahrzeuge. Das mittelständische Unternehmen aus Coppenbrügge hat eine Antwort gefunden: Es bildet seit 2024 gezielt internationale Auszubildende aus. Der Schritt war nicht nur notwendig, sondern brachte dem Unternehmen auch überraschend positive Erfahrungen. Im zugrundeliegenden Interview erzählten Adriana Himstedt, Leiterin für Buchhaltung und Personal, sowie die Auszubildenden Jizel und Soufiane von den Erlebnissen.

Vom Engpass zur Chance

Die Entscheidung, Bewerberinnen und Bewerber aus dem Ausland in die Ausbildung zu holen, kam nicht über Nacht. „Wir hatten kaum noch Bewerbungen aus der Region“, berichtet Adriana Himstedt. Stattdessen wuchs die Zahl qualifizierter Bewerbungen aus dem Ausland, vor allem aus Marokko, Tunesien und Ägypten; Länder mit hoher Arbeitslosigkeit, von der selbst hochqualifizierte Fachkräfte mit mehreren Master-Abschlüssen betroffen sind.

Im Bewerbungsprozess zeigten die Bewerberinnen und Bewerber schnell eine ausgeprägte persönliche Motivation. „Die Einstellung zur Arbeit ist eine andere. Viele wissen genau, welche Chance sie mit einer Ausbildung in Deutschland bekommen“, so Adriana Himstedt. Diese Haltung sei im Alltag spürbar und zeige sich durch Verlässlichkeit, Fleiß und großes Engagement.

Der Weg zur Einstellung: Gespräche auf Augenhöhe

Den ersten Kontakt knüpfte das Unternehmen über das Online-Karriereportal der Bundesagentur für Arbeit. Auf diesem Weg erreichten die Bewerbungen das Unternehmen. Im nächsten Schritt folgten mehrere Gespräche per Videokonferenz. Primäres Ziel war hierbei nicht die sprachlichen Fähigkeiten zu prüfen, sondern vielmehr die Erwartungen zu klären. Adriana Himstedt hob hervor: „Wir wollten sicherstellen, dass die Bewerberinnen und Bewerber wirklich wissen, worauf sie sich einlassen. Ein anderes Land, eine andere Kultur und ein anderer Arbeitsalltag standen ihnen bevor. Das muss man ernst nehmen.“ Offenheit, Eigenmotivation und ein realistisches Bild vom Leben in Deutschland waren dementsprechend essenziell.

Jizel und Soufiane profitierten in dieser Hinsicht von den Erfahrungen ihres persönlichen Umfelds. „Ich habe Familienmitglieder, die bereits in Deutschland leben oder hier eine Ausbildung gemacht haben.“, erklärte Soufiane. Auf die gleiche Weise wurde auch Jizel auf die Möglichkeit und insbesondere die Vorteile einer dualen Ausbildung in Deutschland aufmerksam: „Man sammelt nicht nur theoretisches Wissen, sondern auch praktische Erfahrung im Betrieb. Die Ausbildung in Deutschland ist klar strukturiert und man bekommt Unterstützung vom Betrieb und von der Berufsschule. Das hat mich überzeugt.“

Herausforderungen im Alltag: Sprache bleibt der Schlüssel

Die größte und einzige Hürde stellt die Sprache dar. Während die Ausbildungsinhalte und -methoden annähernd identisch geblieben sind, wird in einem Bereich bewusst Rücksicht genommen; der telefonische Kontakt zur Kundschaft wird zum aktuellen Zeitpunkt von anderen Mitarbeitenden übernommen.

Im betrieblichen Alltag finden die internationalen Auszubildenden aber zunehmend Wege, um die Sprachbarrieren zu überwinden. Übersetzungs-Apps auf dem Smartphone sind dabei eine wertvolle Unterstützung. Vor allem aber zeigt sich die Stärke des Teams: Die Kolleginnen und Kollegen nehmen sich Zeit, erklären geduldig und fördern damit aktiv das sprachliche Weiterkommen. Das wissen auch die Auszubildenden selbst zu schätzen.

Jizel und Soufiane investieren auch außerhalb des Betriebs in ihre Sprachentwicklung. Insbesondere YouTube-Videos und Sprachlern-Apps sind für sie wichtige Lernwerkzeuge. Um die internationalen Auszubildenden und auch andere interessierte Mitarbeitende beim Lernen der Deutschen Sprache weiter zu unterstützen, plant das Unternehmen ihnen nach den Sommerferien einen Sprachkurs anzubieten.

Erfolg durch Begleitung: Tipps für Betriebe und internationale Auszubildende

Um ein möglichst willkommen heißendes Umfeld zu schaffen, wurden bereits frühzeitig alle Abteilungen und Hierarchieebenen über die Entscheidung ins Bild gesetzt, internationale Auszubildende einzustellen. Diese offene Kommunikation zahlte sich aus, denn die bevorstehende Ankunft der zwei neuen Abzubildenden löste große Vorfreude in der Belegschaft aus. Kulturelle Unterschiede traten bislang kaum negativ in Erscheinung. Entscheidend sind ein wertschätzender Umgang und ein offenes Ohr. Ein persönlicher Ansprechpartner, regelmäßige Feedbackgespräche, klare Strukturen und eine offene Fehlerkultur halfen bei der Integration.

Um den internationalen Auszubildenden auch allgemein die Ankunft in Deutschland zu erleichtern, stand der Betrieb ihnen auch außerhalb des Betriebsalltags zur Seite. „Wir als Betrieb haben versucht, alles möglich zu machen, damit die beiden sich wohlfühlen, sei es Hilfe bei der Wohnungssuche oder auch die Begleitung zu bestimmten Terminen, wie bei der Bankkontoeröffnung, Versicherung oder Anmeldung bei der Stadt. Diese Situation ist ein großer Umbruch im Leben.“, erläuterte Adriana Himstedt.

Die Auszubildenden selbst empfehlen als Vorbereitung für die Ausbildung in Deutschland frühzeitig Deutsch zu lernen, freundlich und offen zu sein und sich nicht davor zu scheuen Fragen zu stellen.

Blick nach vorn: Der internationale Weg geht weiter

Die positiven Erfahrungen spiegeln sich auch in den Plänen für das neue Ausbildungsjahr wider. Zwei weitere internationale Auszubildende aus Marokko und der Ukraine starten demnächst. „Wir hatten über 20 Bewerbungen aus dem Ausland und nur zwei aus Deutschland.“, berichtet Adriana Himstedt. Ihr Fazit: „Es lohnt sich, viele Gespräche zu führen und sich kennenzulernen. Dann merkt man, ob es passt. Bei uns hat es das auf jeden Fall.“

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Gemeinsam mit ihren internationalen Auszubildenden nimmt die ST-Templin Automotive GmbH aktuell am Projekt Digiscouts teil. Sie unterstützt damit ihre Auszubildenden, ihre digitalen und sozialen Kompetenzen weiterzuentwickeln, indem sie eigenverantwortlich ein Digitalisierungsprojekt umsetzen. Falls auch Sie Interesse am Projekt Digiscouts haben, finden Sie nähere Informationen auf unserer Webseite.

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