Die demografische Entwicklung und der strukturelle Wandel in der Arbeitswelt erfordern neue Strategien, um den Mangel an qualifiziertem Personal zu bewältigen. Künstliche Intelligenz (KI) bietet hierbei zahlreiche Möglichkeiten, um Arbeitsprozesse zu optimieren, die Produktivität zu steigern und neue Potenziale auf dem Arbeitsmarkt zu erschließen. Das Whitepaper "KI für die Fachkräftesicherung nutzen" der Plattform Lernende Systeme bietet umfassende Einblicke und konkrete Handlungsempfehlungen, die im folgenden Artikel zusammengefasst werden.
Automatisierung und Flexibilisierung durch KI: Mehr Effizienz und Attraktivität im Arbeitsalltag
Die Automatisierung von Tätigkeiten ist ein zentraler Beitrag, den KI zur Fachkräftesicherung leisten kann. Insbesondere in KMU, die oft mit begrenzten Ressourcen arbeiten, kann die Automatisierung von Routineaufgaben erheblich zur Effizienzsteigerung beitragen. KI-basierte Assistenzsysteme unterstützen Mitarbeitende bei komplexen Aufgaben, indem sie repetitive, zeitaufwändige Tätigkeiten übernehmen. Dies entlastet nicht nur die Beschäftigten, sondern ermöglicht ihnen auch, sich auf wertschöpfende Aufgaben zu konzentrieren. Eine vollständige Abschaffung von Routinetätigkeiten wäre jedoch nicht zielführend, da sie das Risiko einer Zunahme von Arbeitsstress und einer Intensivierung der Arbeitsbelastung birgt.
Praxisbeispiel: Ein konkretes Beispiel ist der KI-Baukalkulations-Assistent, entwickelt von der XITASO GmbH. Dieses System hilft Bauunternehmen, Angebote schneller und präziser zu erstellen, indem es automatisch ähnliche oder wiederkehrende Posten aus vergangenen Kalkulationen identifiziert und vorschlägt. Dadurch wird der Aufwand für die Kalkulation erheblich reduziert, und die Mitarbeitenden können ihre Zeit effizienter nutzen. |
Praxisbeispiel: In der Pflege können KI-basierte Systeme dazu beitragen, die Dokumentationsarbeit zu vereinfachen, indem sie automatisch Pflegedaten erfassen und verwalten. Dies entlastet das Pflegepersonal und schafft mehr Raum für die direkte Betreuung der Pflegebedürftigen, was nicht nur die Arbeitsqualität, sondern auch die Zufriedenheit der Mitarbeitenden erhöht. Für mehr Infos zu KI in Medizin und Pflege: Hiltawsky, K. et al. (2024): KI für bessere Abläufe in Medizin und Pflege. Anwendungen und Potenziale in organisatorischen Prozessen. Whitepaper aus der Plattform Lernende Systeme, München. |
Ein weiterer Vorteil der KI liegt in der Flexibilisierung von Arbeitszeit- und Arbeitsortmodellen. Flexible Arbeitsmöglichkeiten tragen dazu bei Mitarbeitende langfristig zu binden und neue Zielgruppen zu erschließen. KI kann beispielsweise Führungskräfte bei der Organisation und Zuteilung von Aufgaben unterstützen, indem sie Prozesse zur Remote-Arbeit optimiert und individuelle Arbeitszeitmodelle ermöglicht, die auf die Bedürfnisse der Beschäftigten zugeschnitten sind. Eine höhere Quote der Remote-Arbeit würde Unternehmen begünstigen, wenn diese dazu führt, dass Beschäftigte nicht mehr am Arbeitsort wohnen müssen und so beispielsweise Wohnungsengpässen und hohen Mieten in den Großstädten ausweichen können. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Möglichkeiten der mobilen Arbeit stark branchen- und rollenabhängig sind.
Besonders wichtig ist, dass die genannten KI-Lösungen sorgfältig im Hinblick auf den Daten- und Persönlichkeitsschutz betrachtet werden: Immer wenn KI-Systeme mit personenbezogenen Daten von Beschäftigten arbeiten, muss unbedingt gewährleistet sein, dass eine unerwünschte oder unzulässige Auswertung der Daten für Arbeitsüberwachung oder -beurteilung vermieden wird.
Integration von Arbeitslosen und Menschen mit Beeinträchtigungen: Neue Potenziale nutzen
Eine der größten Herausforderungen für KMU ist es, offene Stellen mit qualifizierten Fachkräften zu besetzen. KI kann hierbei helfen, indem sie das Matching von Arbeitslosen mit passenden Jobangeboten verbessert. KI-gestützte Systeme können beispielsweise vorhandene Qualifikationen und Kompetenzen analysieren und automatisiert passende Stellenangebote vorschlagen. Dies eröffnet neue Möglichkeiten, insbesondere Langzeitarbeitslose wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren.
Praxisbeispiel: Die Bundesagentur für Arbeit (BA) setzt bereits auf ein KI-unterstütztes System namens ADEST, das unstrukturierte Stellenanzeigen automatisch analysiert und in strukturierte Daten umwandelt. Dies erleichtert die Arbeit der BA-Mitarbeitenden erheblich und sorgt für eine effizientere Vermittlung von Arbeitslosen in passende Jobs. |
Auch die Teilhabe von Menschen mit Beeinträchtigungen kann durch den Einsatz von KI-Technologien verbessert werden. KI-basierte Assistenzsysteme können physische und kognitive Barrieren überwinden und so Menschen mit Beeinträchtigungen den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern. Dies ist nicht nur ein wichtiger Beitrag zur Inklusion, sondern auch eine Chance für Unternehmen, wertvolle Talente zu gewinnen, die bislang ungenutzt blieben.
Migration und Sprachbarrieren: Internationale Fachkräfte besser integrieren
Aufgrund der sinkenden Zahl an Erwerbspersonen ist es für KMU unerlässlich, auch internationale Fachkräfte in den Blick zu nehmen. Doch oft stehen Sprachbarrieren einer erfolgreichen Integration im Weg. Hier kann KI ebenfalls unterstützend wirken. Moderne KI-Übersetzungstools ermöglichen es, Sprachbarrieren zu überwinden und ausländische Fachkräfte schneller und effizienter in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Besonders in Berufen, in denen gute Deutschkenntnisse unverzichtbar sind, kann KI-basierte Simultanübersetzung eine wertvolle Hilfe sein.
Praxisbeispiel: Das Karlsruher Start-up kites GmbH, das 2021 von Zoom übernommen wurde, arbeitet an Lösungen für maschinelle Echtzeitübersetzungen in Videocalls. Solche Technologien können internationalen Teams die Zusammenarbeit erleichtern und helfen, Sprachbarrieren zu überwinden, was die Integration ausländischer Fachkräfte erheblich erleichtert. |
Gleichzeitig sollte jedoch nicht vergessen werden, dass langfristige Integration auch von guten Sprachkenntnissen abhängt. KI kann hier durch personalisierte digitale Sprachkurse unterstützen, die individuell auf die Lernbedürfnisse der Fachkräfte zugeschnitten sind. Dies erleichtert nicht nur den Einstieg in den Arbeitsmarkt, sondern fördert auch die langfristige Bindung an das Unternehmen.
Wissenstransfer und Weiterbildung: Mit KI fit für die Zukunft
Der Einsatz von KI beschränkt sich nicht nur auf die Optimierung von Prozessen, sondern bietet auch erhebliche Vorteile im Bereich der Weiterbildung und des Wissenstransfers. Für KMU ist es entscheidend, dass ihre Mitarbeitenden kontinuierlich neue Fähigkeiten erwerben und bestehendes Wissen effektiv weitergegeben wird. KI kann hierbei unterstützen, indem sie personalisierte Weiterbildungspläne erstellt und das Wissensmanagement im Unternehmen verbessert.
Praxisbeispiel: Ein Beispiel hierfür ist das Projekt „KI_eeper – Know how to keep“, bei dem ein KI-Assistenzsystem entwickelt wurde, das implizites Erfahrungswissen erfasst und neuen Beschäftigten zur Verfügung stellt. Dies ermöglicht es, das Wissen von erfahrenen Mitarbeitenden systematisch zu erfassen und an jüngere Generationen weiterzugeben. |
Durch den Einsatz von KI in der Weiterbildung können Mitarbeitende ihre Kompetenzen gezielt weiterentwickeln und sich besser auf die Anforderungen des zukünftigen Arbeitsmarktes vorbereiten. Gleichzeitig ermöglicht KI eine lernförderliche Arbeitsumgebung, in der neue Fähigkeiten direkt in den Arbeitsalltag integriert werden können.
Fazit: KI als Schlüssel zur Fachkräftesicherung in KMU
Für kleine und mittlere Unternehmen bietet der Einsatz von Künstlicher Intelligenz erhebliche Chancen, dem Fachkräftemangel zu begegnen. Von der Automatisierung und Flexibilisierung über die Integration von Arbeitslosen und Menschen mit Beeinträchtigungen bis hin zur besseren Einbindung internationaler Fachkräfte – KI kann in vielen Bereichen unterstützen und neue Potenziale erschließen.
Für Geschäftsführende und Personalverantwortliche in KMU ist es daher wichtig, die Möglichkeiten von KI frühzeitig zu erkennen und gezielt in die eigene Unternehmensstrategie zu integrieren. Mit den richtigen Maßnahmen können KMU nicht nur ihre Wettbewerbsfähigkeit sichern, sondern auch als attraktive Arbeitgeber am Markt bestehen.
Über das Whitepaper
Das Whitepaper „KI für die Fachkräftesicherung nutzen. Lösungsansätze für Automatisierung, Teilhabe und Wissenstransfer“ wurde von Mitgliedern der Arbeitsgruppe Arbeit/Qualifikation, Mensch-Maschine-Interaktion der Plattform Lernende Systeme verfasst. Es steht zum kostenfreien Download zur Verfügung.
Schmidt, C. M., Stich, A., Suchy, O. et al. (2024): KI für die Fachkräftesicherung nutzen. Lösungsansätze für Automatisierung, Teilhabe und Wissenstransfer. Whitepaper aus der Plattform Lernende Systeme, München. DOI: doi.org/10.48669/pls_2024-2
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