Gründer 45+: Vom Nischenthema zum Thema von hoher sozioökonomischer Bedeutung

Gründer 45+: Vom Nischenthema zum Thema von hoher sozioökonomischer Bedeutung

Das verstärkte Interesse sowohl hierzulande als auch in Europa an den Gründern in der zweiten Lebenshälfte beruht auf verschiedenen Faktoren demografischer und wirtschaftlicher Natur.

Die demografische Entwicklung in Deutschland

Am häufigsten erwähnt werden die Schrumpfung und Alterung der Bevölkerung, das heißt der demografische Wandel. Die letzte koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung von Bund und Ländern aus dem Jahr 2009 geht davon aus, dass die Bevölkerungszahl in Deutschland stark zurückgehen wird, von rund 82 Millionen Menschen im Jahr 2008 auf etwa 65 bis 70 Millionen Menschen bis 2060 . Für den Arbeitsmarkt bedeutet das: Die Anzahl der Personen im erwerbsfähigen Alter wird im selben Zeitraum je nach Szenario um 27 bis 34 Prozent schrumpfen, vor allem in den jüngeren Altersskohorten. Ausgehend von 50 Millionen im Jahr 2008 werden dann 2060 in Deutschland lediglich etwa 33 bis 36 Millionen Menschen im Erwerbsalter sein (Statistisches Bundesamt, 2009).

Die Zukunftsprognosen werden vor dem Hintergrund der neuesten Bevölkerungszahlen allerdings etwas relativiert. So offenbarte die Veröffentlichung der Ergebnisse aus dem Zensus 2011 Ende Mai 2013, dass 2011 80,2 Millionen Einwohner anstatt nahezu 82 Millionen, das heißt rund 1,5 Millionen Einwohner weniger als angenommen, in Deutschland lebten (Statistisches Bundesamt, 2013).

In welchen Ausmaß der demografische Wandel Deutschland treffen wird, ist noch umstritten. Fakt ist aber, dass Schrumpfung und Alterung im Gange sind und sich verstärken werden. Gravierender als die Abnahme der Bevölkerung sind für viele Experten die Veränderungen in der Altersstruktur. Der längst eingetretene Einbruch in der Fertilitätsrate lässt die Zahl von Kindern und Jugendlichen sinken, auch die Gruppe der Erwachsenen dünnt sich aus, während sich die steigende Lebenserwartung positiv auf die Anzahl der Älteren niederschlägt. Das Medianalter der Bevölkerung in Deutschland lag 2011 laut EUROSTAT 2012 bei 44,6 Jahren und soll bis 2035 auf 50 Jahre steigen.

Die demografische Entwicklung in Europa

Auch europaweit ist der demografische Wandel bereits spürbar, denn dieselben Trends (Schrumpfung, Alterung, Einbruch der Fertilität und Erhöhung der Lebenserwartung) lassen sich auch im europäischen Kontext verfolgen. Allerdings sind in der Europäischen Union unterschiedliche Geschwindigkeiten beim Alterungsprozess der Bevölkerung zu beobachten. Nach den aktuellen Projektionen werden einige der Länder mit älterer Bevölkerung, wie Deutschland und Italien, in den nächsten 20 Jahren rasch altern und sich dann stabilisieren. Währenddessen werden einige der heute noch relativ "jungen" osteuropäischen Länder einen beschleunigten Alterungsprozess durchlaufen und sich letztlich 2060 unter den "ältesten" Staaten Europas befinden.

Nach dem EUROPOP2010-Konvergenzszenario wird die Bevölkerung der EU-27 erst einmal von 503,7 Millionen im Jahr 2012 (geschätzt) auf 526 Millionen Menschen im Jahr 2040 anwachsen; nach diesem Höchststand soll sie schrittweise auf 517 Millionen Menschen im Jahr 2060 sinken (EUROSTAT, 2012).

Schrumpfung und Alterung gehen Hand in Hand. Die geburtenstarke Generation der Babyboomer aus den 1960er Jahren wird in der Alterspyramide nach oben wandern und damit die Zahl der älteren Menschen in den nächsten Jahren vergrößern. Hingegen werden der mittlere Teil und die Basis der Alterspyramide (das heißt die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter und die Kinder) von 66,9 Prozent im Jahr 2012 auf 56,2 Prozent der Gesamtbevölkerung im Jahr 2060 zurückgehen. Laut EUROSTAT 2012 betrug das Medianalter der Bevölkerung der EU-27 im Jahr 2011 41,2 Jahre und wird im selben Zeitraum (2012-2060) bis auf 47,6 Jahre steigen.

Die Lage auf dem Arbeitsmarkt

Die dargestellten Theorien zum "active ageing" und "productive ageing" lassen sich mit aktuellen empirischen Befunden untermauern. Denn in Deutschland vollzieht sich aktuell ein Trend zu längerer Erwerbstätigkeit, ein Phänomen, das auch in weiteren europäischen Staaten zu beobachten ist.

Wachsende Erbewersbeteiligung von älteren Menschen in Deutschland

Nach einer Veröffentlichung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) aus dem Jahr 2012 stieg in den letzten zwei Jahrzehnten (1991 bis 2010) der Anteil der 40- bis 64-Jährigen an den Erwerbstätigen von 43,5 Prozent auf 57,9 Prozent, bei einer gleichzeitigen Abnahme in der Gruppe der 15- bis 39-Jährigen von 56,5 Prozent auf 42,1 Prozent. Insbesondere bei den über 54-Jährigen fallen die Erwerbsquoten deutlich höher aus als zuvor. Der größte Zuwachs ist allerdings in der Altersklasse von 60 bis 64 Jahren zu verzeichnen. Die Ursachen für diese Entwicklungen werden in der Bereitschaft zu längerer Erwerbstätigkeit, der insgesamt höheren Erwerbsbeteiligung von Frauen, dem Wunsch nach Aufbesserung der Rente, aber auch in der Veränderung der politischen Rahmenbedingungen und nicht zuletzt dem besseren Gesundheitszustand der älteren Bevölkerung gesehen (Garloff et al., 2012, S. 2). "Denn der Mensch hat dank technischen Fortschritten in der Medizin und weiteren experimentellen Wissenschaften in weniger Zeit einen großen Zugewinn an Lebenszeit (in einigen Fällen von 30 bis 40 Jahren) erreicht. (…) Die neue Generation der Senioren befindet sich im Rentenalter noch in optimalem körperlichem und physischem Zustand; wir leben nicht nur länger, sondern wir altern später" (Punset, 2012, S. 276-277).

In diesem Zusammenhang findet eine neuere Untersuchung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) aus dem Jahr 2013 Belege für eine höhere Erwerbstätigkeit von Menschen im Rentenalter (65+), deren Zahl sich im Zeitraum von 2001 bis 2011 verdoppelt hat. Unter den Älteren finden sich auch außergewöhnlich viele Selbstständige und mithelfende Familienangehörige (über 40 Prozent). In dieser Altersgruppe sind relativ viele Führungskräfte und Personen mit einem akademischen Hintergrund vertreten; gleichwohl finden sich auch viele Beschäftigte, die einfachen Tätigkeiten nachgehen. Ein größerer Teil der älteren Erwerbstätigen geht nicht aus zwingenden materiellen Gründen einer Berufstätigkeit nach. Im Schnitt sind die arbeitenden Älteren darüber hinaus zufriedener als ihre nicht erwerbstätigen Altersgenossen; das gilt sowohl für die Gesundheit, das Einkommen als auch für das Leben allgemein (Brenke, 2013, S. 10-11).

Beide wissenschaftlichen Publikationen (IAB und DIW) deuten auf eine Änderung der Altersstruktur der Beschäftigten, die sich immer mehr hin zu den Älteren verschiebt. Diese Verschiebung ist auch in anderen europäischen Staaten zu beobachten, vor allem in Finnland, Norwegen, Österreich, Frankreich und Großbritannien. In der Schweiz oder Skandinavien ist die Erwerbsbeteiligung der Älteren bereits deutlich höher als hierzulande. Zum einen spielt die mit dem Alter steigende Qualifikation eine Rolle, zum anderen erreicht die Generation der "Babyboomer" – die geburtenstarken Jahrgänge – die höheren Altersklassen.

Wachsende Erwersbeteiligung von älteren Menschen in Europa

Auch auf EU-Ebene wurde im letzten Jahrzehnt (2000 bis 2010) eine deutliche Zunahme der Erwerbstätigkeit von älteren Menschen (ab 55 Jahren), vor allem bei den Frauen, festgestellt. In diesem Zeitraum erhöhte sich die männliche Erwerbsbeteiligung dieser Altersgruppe von 39,1 auf 46,4 Prozent, während die weibliche von 22,2 auf 31,5 Prozent gestiegen ist. Dieses Wachstum wurde insbesondere von einer deutlichen Erhöhung der abhängigen Beschäftigungen verursacht (um 28 Prozent bei den Männern und 68 Prozent bei den Frauen) (EU/OECD, 2013).

Weitere Faktoren, die für eine größere Bedeutung der Altersgruppe 45+ auf dem Arbeitsmarkt sorgen, sind die Heraufsetzung des Renteneintrittsalters in mehreren europäischen Ländern, beispielsweise auf 67 Jahre in Deutschland oder Spanien, die Verbesserung des Ausbildungsniveaus, die höhere Beteiligung der Frauen am Arbeitsmarkt und die wachsende Anzahl von Menschen der Kunden- und Konsumentengruppe "Silver Ager" oder "Best Ager".

Zwischenfazit:

Aufgrund vielfältiger Entwicklungen gewinnen Menschen ab dem mittleren Alter in Deutschland sowie in Europa verstärkt an sozial- und wirtschaftspolitischer Bedeutung. Die Mobilisierung ihres großen Potenzials für den Arbeitsmarkt wird in der Zukunft unverzichtbar sein. Vor diesem Hintergrund setzt sich ein Teil der wissenschaftlichen Forschung mit Ansätzen wie dem "aktiven Altern" oder dem "produktiven Altern" für ein neues (produktiveres) Altersbild ein, das eine größere gesellschaftliche Teilhabe älterer Menschen unterstützen soll.