Paradox: Gemeinsam anpacken – und doch getrennte Wege in der Zukunft gehen? Wie Familienunternehmen die Nachfolge regeln (können)

Franziska Müller Tiberini begleitet als Beraterin seit über 20 Jahren Familien und ihre Mitglieder mit ihren Unternehmungen im Generationenwechsel. Sie ist Fachreferentin bei Workshops und Trainings zu Strategie, Governance, Kommunikation und Konfliktlösung an Universitäten (u.a. Center für Family Business St. Gallen, Universität Witten Herdecke) und Fachhochschulen (Nord-West Schweiz) sowie Banken, Firmen und Institutionen. Zusätzlich arbeitet sie in diversen Gremien und begleitet Startups als Business Angel. Über zwölf Jahre war sie im familieneigenen Unternehmen in der Elektroindustrie unter anderem als CEO tätig.

Kontakt: mueller(at)familienunternehmen.ch

Meine Erfahrung hat mir gezeigt, dass viele Unternehmerinnen und Unternehmer von der Komplexität des Nachfolgeprozesses überfordert sind. Daher ziehen sie es oft vor, die Zukunftsplanung des Unternehmens, Erbangelegenheiten, Familienkonflikte usw. lieber beharrlich auszusitzen, als aktiv anzugehen - nach dem Motto: „Das wird sich schon lösen!“. Viele dieser Fälle enden mit einem kläglichen Schrumpfprozess des Unternehmens oder gar im Konkurs, obwohl das sicher nicht die Absicht war.

Doch es geht auch anders. Ein konstruktiver Nachfolgeprozess sollte im Kern eine Win-Win-Lösung für alle Vertragspartner sein. Dies bedingt im Idealfall, dass man sich die erforderliche Zeit nimmt, an einem Tisch zu sitzen und im Gespräch einen Weg für alle Parteien (Generationen) auszuhandeln, der alle langfristig zufriedenstellt. Hier ist Verständnis für die unterschiedlichen Bedürfnisse und eine gesunde Kompromissbereitschaft gefragt.

Eine ebenso wichtige Rolle spielt die Konfliktfähigkeit, denn Konflikte gehören, wie in allen Beziehungen, auch hier dazu. Das macht die Zusammenarbeit als Familienmitglieder im eigenen Unternehmen – neben ihrem grossen Potenzial – auch besonders herausfordernd. Es braucht daher ein hohes Engagement von allen Beteiligten, damit eine Nachfolge zur Erfolgsgeschichte wird. Denn: Wer will, findet eine Lösung, wer nicht will, findet Gründe!

Ein allgemeines Wissen über das Potenzial und die Dynamik für eine erfolgreiche Übergabe ist bei vielen Unternehmerfamilien vorhanden. Doch das ist erfahrungsgemäss zu wenig, denn jede Familie und Unternehmung muss „ihre Lösung“ für ein nachhaltiges langjähriges Bestehen finden – mit allen, Alt und Jung – gemeinsam.

Dafür sind folgende Erfolgsfaktoren hilfreich:

  • Zeitplan und Meilensteine für den Nachfolgeprozess festlegen (Zeithorizont mindestens zwei Jahre)
  • Zukunftsfähigkeit des Unternehmens sichern
    >> Strategie aufsetzen
  • Familie in den Generationenwechsel einbeziehen
    >> regelmäßige Familiengespräche und entsprechende Kommunikationskultur
  • Finanzplanung
    (Altersvorsorge, Immobilienthemen, Liquidität)
  • Transparenz im Reporting
    >> Offenheit und Klarheit für alle Beteiligten
  • Individuelle Lebensplanung (für Jung und Alt) einbeziehen
  • Steuer- und Rechtsaspekte rechtzeitig klären

Zwei typische Verhaltensmuster in Nachfolgeprozessen von Familienunternehmen

Ungeduldige Hitzköpfe
Nachkommen, die willig sind ins Unternehmen einzutreten, zeichnen sich häufig durch eine höhere Bildung aus. Sie packen die Aufgaben durch ihr Wissen anders an als die ältere Generation mit viel Erfahrung. Anstatt sich geduldig gegenseitig zu befruchten, geht es den Jungen nicht schnell genug. Sie stellen Vater oder Mutter ein Ultimatum „Ich oder Du“ – was in alle Richtungen enden kann: in Versöhnung, totalem Streit, konstruktiver Trennung auf Unternehmensebene oder einem „echten“ Loslassen der „alten“ Generation.

Egoistische Senioren
Senioren können durch egoistische Ziele, wie Steuer- und Gewinnoptimierung, Machterhalt oder Besitzstandswahrung, weit über die Pensionierung hinaus eine einvernehmliche Lösung verhindern. Nicht alle Nachkommen können sich aus solchen finanziellen Abhängigkeiten und undurchsichtigen Familiensystemen lösen. Aus der Außenperspektive sind sie meist sehr schwer einzuschätzen.

Fazit: Am besten geht’s miteinander

Ganz gleich, ob alte und junge Generation in Zukunft gemeinsame oder getrennte Wege gehen: ein Nachfolgeprozess sollte miteinander gestaltet werden. In manchem Fall (zum Beispiel wenn egoistische Senioren oder ungeduldige Hitzköpfe im Spiel sind) ist dafür eine professionelle externe Begleitung zu empfehlen.