Einführung und „Beipackzettel“

Warum brauchen wir die Kompetenzen der Zukunft?

Der technische Fortschritt oder die „Grüne Wende“ und vor allem die Digitalisierung verändern unsere Welt tiefgreifend. Sowohl die Veränderungsgeschwindigkeit als auch das Ausmaß, welches sich durch sämtliche Lebensbereiche zieht, sind für uns Menschen neu. Daher dürfte die Zukunftsforschung richtig liegen, wenn sie diese große Transformation mit dem Übergang der Agrarzur Industriegesellschaft oder der Sesshaftwerdung der Menschen vergleicht.

Natürlich ist auch unsere Arbeitswelt unmittelbar davon betroffen. Viele „Jobs“ werden nicht mehr existieren oder durch Automatisierung und den Einsatz Künstlicher Intelligenz (KI) ersetzt. Andere Berufsgruppen werden neu entstehen. Ähnliches gilt auch für Branchen und Geschäftsmodelle. All dies wird nach Ansicht von Expertinnen und Experten zu enormen Kompetenzumbrüchen führen. Neben den vielen erforderlichen fachlichen Fähigkeiten rücken – künftig noch mehr als heute – überfachliche Kompetenzen (Metaoder Schlüsselkompetenzen) in den Vordergrund. Warum?

Da wir einerseits ganz persönlich als Menschen zunehmend von diesem Wandel betroffen sind und andererseits, im Rahmen unserer betrieblichen Rolle, den Wandel gestalten und voranbringen müssen, nehmen diese Metakompetenzen eine wesentliche Bedeutung ein. Bildlich gesprochen helfen sie uns, wirksam zu bleiben, wenn wir mit der einen Hand den VUCA-Alltag (Zunahme von: Volatilität, Unsicherheit, Komplexität, Ambiguität) und mit der anderen die Transformation des Unternehmens jonglierend „am Laufen“ halten. Sie ersetzen dabei kein Fachwissen, gutes Management und Tools. Sie ergänzen diese, indem sie uns beim Verstehen, Beurteilen, Zusammenführen, Umsetzen und bei unserer Selbststeuerung helfen. Konkret helfen sie uns …

  • beim Planen, Arbeiten und Organisieren mit der Komplexitätskompetenz.
  • für den Aufbau echter Zusammenarbeit, einer tragenden Kultur und hoher Leistungsfähigkeit mit der Kontakt- und Beziehungskompetenz.
  • für Entscheidungen, den Umgang mit Konflikten und die Gestaltung der Unternehmen mit der Paradoxiekompetenz.
  • beim Verändern und bei der Suche nach dem Neuen mit der Generativen Kompetenz.
  • in unserer Selbstführung und unserer Resilienz mit der Emotionskompetenz.
  • für die Entwicklung unserer Wahrnehmungs-, Handlungs- und Leistungsfähigkeit mit der Basiskompetenz der Achtsamkeit.

Aktuell sollen die Kompetenzen der Zukunft einen Beitrag zur Bewältigung der Transformation bieten. Künftig könnten uns diese „menschlichen Fähigkeiten“ aber auch dabei unterstützen, unser „Alleinstellungsmerkmal“ gegenüber der KI zu wahren. Sprich, das weiterzuentwickeln und gezielt im Arbeitsalltag einzusetzen, was uns als Menschen auszeichnet: unsere Emotionen, unsere Intuition, unser Bewusstsein, unsere Anpassungsfähigkeit und die Fähigkeit, mitfühlend und kreativ sein zu können.

Für wen eignen sich die Kompetenzen der Zukunft?

Schön wäre es, „für alle“ sagen zu können. Genauer betrachtet stimmt dies jedoch nicht. Entweder weil sich für manche Menschen die Ziele mit den vorhandenen Kompetenzen, Tools und Vorgehensweisen gut erreichen lassen (warum sollte ich dann auch Einführung und „Beipackzettel“ 8 Kompetenzen der Zukunft – Heft 1 – Einführung und Basiskompetenz Achtsamkeit etwas ändern) oder weil eine Auseinandersetzung mit Emotionen, Achtsamkeit und Beziehungen aus irgendwelchen Gründen nicht infrage kommt. Die vorgestellten Kompetenzen der Zukunft passen daher vor allem für Menschen, die davon überzeugt sind, dass wir die künftigen Herausforderungen nicht mit einem „Mehr vom Gleichen“ bewältigen können. Eine gewisse Bereitschaft, gegebenenfalls lieb gewonnene Gewohnheiten, Herangehensweisen oder Selbstverständlichkeiten zurückzulassen, sind daher ein guter Ausgangspunkt für den Aufbau dieser Kompetenzen.

Genauer betrachtet kann es jedoch noch mehr erfordern: Nämlich, möglicherweise auch die eigene Haltung, die Vorstellungen bezüglich professionellen Handelns und die persönlichen Erfahrungen zu hinterfragen. Genauso können die Kompetenzen auch Mut und die Bereitschaft benötigen, um sich auf Neues einzulassen. Warum dieser Aufwand? Weil wir davon überzeugt sind, dass wir mit einem „Mehr vom Gleichen“ nicht angemessen auf die Fragen der Zukunft antworten können. Und wie so oft beginnen wichtige Veränderungen in uns selbst.

So nutzen Sie diese Publikation

Diese Publikation soll Ihnen die sechs Kompetenzen näherbringen, damit Sie entscheiden können, ob und wenn ja, welche dieser Kompetenz für Sie und Ihr Unternehmen hilfreich sind. Denn vielleicht sind ein oder zwei dieser sechs Kompetenzen hilfreich und andere davon weniger. Oder Sie stellen fest, dass alle hilfreich sind und aufgebaut werden sollen. Letztlich finden sich auch viele Überschneidungen zwischen den Kompetenzen, sodass sie sich nicht immer scharf voneinander trennen lassen. So passiert es, dass eine Auseinandersetzung mit der Komplexitäts- auf die Generative Kompetenz und ein Aufbau der Emotions- auch auf die Beziehungskompetenz „einzahlt“. Für eine bessere Übersicht haben wir sie in sechs einzelne Hefte aufgeteilt.

Damit Sie auswählen können, welche die passenden Kompetenzen für Sie beziehungsweise für Ihr Unternehmen sind, nutzen Sie als Auswahlhilfe die „typische Erfahrung“ am Anfang der Kompetenzbeschreibungen. Die Reflexionsfragen und der Freiraum am Seitenrand bieten Ihnen die Gelegenheit, die Inhalte direkt auf sich anzuwenden. Schließlich finden Sie in dieser Mappe noch ein Poster – hier sind alle Kompetenzen auf einem Blick abgebildet. Die Abschnitte „Wie kann ich X-Kompetenz entwickeln“ bieten eine Auswahl an Ideen, Ansätzen, Vorgehensweisen und Hinweise zur passenden Haltung. Diese können direkt umgesetzt oder auch als Grundlage für die Entwicklung eigener Trainings- und Personalentwicklungsmaßnahmen genutzt werden.

Am Ende jeder Publikation finden Sie Übungen und Tools, die – auch ohne Trainings- und PE-Know-how – einen ersten Einstieg und ein besseres Kennenlernen ermöglichen. Manches, wie die hier integrierte Achtsamkeit, kann jahrzehntelang praktiziert und verfeinert werden. Daher können die Kompetenzen leider auch nicht mit drei Tools und einer Übung in ihrer Gänze erschlossen werden. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass dies kein Manko ist. Uns ist wichtig, einen Einstieg zu vermitteln. Es muss daher keine Meisterschaft mit den beschriebenen Kompetenzen angestrebt werden. Die Praxis zeigt zweierlei: Zum einen müssen nicht alle Kompetenzen für jeden gleichermaßen wichtig sein und zum anderen, dass kleine Änderungen, Inspirationen oder ein Haltungswechsel bereits ihre Wirkung im Arbeitsalltag entfalten und so den unternehmerischen und persönlichen Erfolg unterstützen. Von daher fühlen Sie sich ermuntert, auszuwählen, auszuprobieren, Fehler und Fortschritte zu machen.

Herkunft und Entstehung der Kompetenzen

Diese Publikation ist keine wissenschaftliche Arbeit. Sie basiert auf einem zwanzigjährigen Studium vieler Fachbücher, auf der über fünfzehnjährigen Erfahrung zahlreicher Unternehmensprojekte, Coachings und Workshops sowie auf den Erkenntnissen inspirierender Fort- und Ausbildungen. Darauf aufbauend haben wir nach langen Recherchen, Sparringsgesprächen und reiflichen Überlegungen die fünf Kompetenzen der Zukunft und eine Basiskompetenz definiert. In diesem Zusammenhang hat sich gezeigt, dass im wissenschaftlichen Bereich zu dieser Thematik meist nur umfangreiche Kompetenzkataloge und lange Aufzählungen vorlagen. Auf der anderen Seite fanden sich zahlreiche kurze Artikel von Beratenden und Trendsettern in Zeitschriften und im Netz. Beide Seiten haben gemeinsam, dass sie meist auf einer hohen Flughöhe bleiben, beispielsweise ist oft von „Digitaler Kompetenz“ zu lesen, ohne das klar wird, was es zu bedeuten hat. Eine andere Gemeinsamkeit liegt darin, dass meist nichts oder nur wenig darüber zu finden ist, wie sich die vorgeschlagenen Kompetenzen aufbauen lassen. Diese „Lücke“ versucht diese Publikation ein Stück weit zu schließen.

Die sechs erarbeiteten Kompetenzen wurden mit zahlreichen Expertinnen und Experten sowie Fachleuten aus der Praxis über mehrere Monate in Workshops diskutiert und weiterentwickelt. Das Ergebnis dieses Prozesses liegt Ihnen hier zu Händen. Wenn stellvertretend für Sie gefragt wird: Sind das alle wichtigen Zukunftskompetenzen? Sicherlich nicht! Und: Sind auch andere wichtige Zukunftskompetenzen vorstellbar? Sicherlich ja! Dennoch sind wir der Überzeugung, dass diese bewusst ausgewählten Metakompetenzen einen wesentlichen Einfluss darauf haben, inwieweit es uns in Zukunft gelingen wird, die vor uns liegenden Herausforderungen zu meistern.

Die Kompetenzen sind nicht neu, sie bündeln vorhandenes und teilweise sehr altes Wissen. Was jedoch neu ist, ist deren Zusammenstellung, Zuschnitt, Auswahl und teilweise deren Benennung. Diese Auswahl hat zum Ziel, ein „Konzentrat“ des großen Wissens- und Erfahrungsschatzes, der bereits in der Welt vorhanden ist, gewissermaßen „handverlesen“ anzubieten. Im Rahmen dieser handverlesenen Auswahl geht natürlich auch etwas verloren. Daher können die Erläuterungen zu den Kompetenzen nicht immer vollständig sein, zumal dahinter teilweise große Wissensgebiete stehen. Die Auswahl beruht auf der Erfahrung des Autors und den Ergebnissen der Sparringsgespräche mit den Expertinnen und Experten sowie Fachleuten aus der Praxis.

Inspiration, wichtige Quellen und Danksagung

Die vorliegende Publikation ist zu einem Teil auf Basis der Erfahrungen und Erkenntnisse aus vielen Workshops, Unternehmensprojekten und der Zusammenarbeit mit Menschen aus Unternehmen sowie dem Austausch im RKW-Team „Chefsachen“ entstanden. Der andere Teil ist von dem Know-how und dem Wissensschatz der Gründenden und Lehrenden von Weiterbildungsinstituten (vor allem Dr. Bernd Schmid und Joël Weser), der Fachliteratur und den Sparringsgesprächen inspiriert. Allen sei hier gleichermaßen gedankt. Wichtige Autorinnen und Autoren, Lehrerinnen und Lehrer, Expertinnen und Experten deren Beiträge in die Publikation eingeflossen sind:

  • George Pennington – Thema Wahrnehmung
  • Gerald Hüther – Thema Haltung und Grundbedürfnisse
  • Joël Weser – Themen Wahrnehmung, Emotionen und Beziehungen sowie Übungen
  • Bernd Schmid – Umgang mit Zwickmühlen, Verantwortung und Intuition
  • Otto Scharmer und Matthias zur Bonsen – Bedeutung der zwischenmenschlichen Qualität, um schöpferisches Arbeiten in Gruppen zu ermöglichen
  • Frithjof Bergmann und Frederic Laloux – Inspiration zu einer neuen Arbeitswelt
  • Friedemann Schulz von Thun – Thema Polaritäten und Werte- und Entwicklungsquadrat
  • Peter Drucker – richtiges Management
  • Heinz von Foerster, David Snowden und Mary Boone – Unterscheidung trivialer/nicht trivialer Systeme bzw. komplizierter und komplexer Systeme sowie Cynefin Framework
  • Fritz Simon und Klaus Eidenschink – Umgang mit Paradoxien
  • Anke Heines, Ernst Bartels, Christina Wegner Gunnar Bremer, Sabine Erdler, Alexander Sonntag, Patrick Großheim, Myra Mani und Matthias Gottschick u. w. – Sparringsgespräche