Europa – ein alternder Kontinent

Tatsächlich schrumpft der Anteil der Europäer an der Weltbevölkerung. Die Geburtenraten sind niedrig, immer mehr Menschen gehen in Rente und die Lebenserwartung ist hoch. Doch im Detail gibt es durchaus regionale Unterschiede. Fünf Länderbeispiele zeigen, dass das europäische Haus kein Altenheim, sondern ein Mehrgenerationenhaus ist.

Italien – Europas ältestes Land

Wir starten mit einer traurigen Bilanz. Das einstige Land der Bambinis – Italien – hat heute eine der ältesten und kinderärmsten Gesellschaften Europas. Die Wirtschaftslage ist schwierig. Obendrein hat es Italien lange versäumt, geeignete Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf umzusetzen. In der Folge sind die Frauenerwerbsquote und die Geburtenrate niedrig. Insbesondere der Süden ist wirtschaftlich und demografisch gebeutelt – gleichzeitig aber Zufluchtsort vieler Schutzsuchender aus Nordafrika und dem Mittleren Osten. Letzteres hat die Bevölkerungsverluste zwar gemindert, stellt das Land aber vor enorme neue Herausforderungen.

Spanien – ein Sonnenstaat mit Schattenseiten   

Die Wirtschafts- und Finanzkrise hat Spanien zwar spät, aber umso härter getroffen. An den Folgen leiden insbesondere die jungen Spanier. Viele von ihnen sind arbeitslos und suchen Unterschlupf im traditionell engen Familienkreis. Die eigene Familiengründung wird dann oft verschoben, viele Spanierinnen bleiben gänzlich kinderlos. Nur seine kinderreiche Vergangenheit schützt das Königreich derzeit noch vor Bevölkerungsschwund. Gleichzeitig ist die Lebenserwartung im Sonnenstaat mit 83 Jahren spitzenmäßig in Europa. Das Ergebnis ist auch hier eine alternde Bevölkerung. Bleibt zu hoffen, dass das kürzliche Wirtschaftswachstum, die sich langsam entspannende Lage auf dem Arbeitsmarkt und die sinkende Abwanderung bald auch demografisch zu Buche schlagen.

Norwegen – Wachsen im Wohlstand

Norwegen ist reich an Öl und Gas, verbraucht aber dank regenerativer Energien selbst nur wenig seiner fossilen Brennstoffvorkommen. Bleibt mehr für den Export, der dem Land Reichtum und Wohlstand beschert. Damit auch zukünftige Generationen davon profitieren können, gibt es einen üppigen staatlichen Pensionsfonds. Die Arbeitslosenquote ist niedrig, das Lohnniveau hervorragend. Dank großzügiger Elternzeitregeln und guter staatlicher Kinderbetreuungsangebote sind Geburtenrate und Frauenerwerbsquote hoch. Das zieht auch Menschen von außen an und lässt die Bevölkerung – trotz nunmehr beschränkter Zuwanderung – weiter wachsen.

Irland – Europameister in punkto Bevölkerungswachstum

Irland nimmt in Europa eine Sonderstellung ein. In keinem anderen europäischen Land werden mehr Kinder geboren, als es Sterbefälle gibt. Viel länger als andernorts war die Großfamilie auf der katholischen Insel das Ideal. Das hat sich zwar heute geändert. Aber die geburtenstarken Jahrgänge sorgen für ausreichend Nachwuchs und eine junge Bevölkerung.  Hinzu kommt, dass das Land seit den 1990er Jahren eine starke Zuwanderung erfahren hat. Damit ist die kleine grüne Insel Europameister in punkto Bevölkerungswachstum – und übrigens auch beim Wirtschaftswachstum.

Und Deutschland?

Die deutsche Wirtschaft brummt, die Arbeitslosenquote ist gering, das Land attraktiv für Zuwanderung. Auch zeigt sich ein zarter Geburtenaufschwung und manche Studie prognostiziert sogar Bevölkerungsgewinne – zumindest für den Süden Deutschlands und Städte wie Berlin, Frankfurt und Leipzig. Doch Fakt ist: Das Land der Ingenieure altert weiter. Beim Altenquotienten – dem Verhältnis Erwerbsfähiger und nicht Erwerbsfähiger – rangiert es in Europa auf Platz vier.

Wie kann man sicherstellen, dass es auch zukünftig noch ausreichend Menschen im Erwerbsalter gibt? Darauf gibt es nicht die eine Antwort. Vielmehr braucht es ein Mix an verschiedenen Maßnahmen, beispielsweise der Familienpolitik und der gesteuerten Zuwanderung. Und über all das sollte man nicht vergessen, dass es ein großes Glück ist, alt zu werden.

Quelle: Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung (2017): Europas demografische Zukunft. Berlin.