Entrepreneurship Education - Ein wichtiges Element im Gründerökosystem

Entrepreneurship Education - Ein wichtiges Element im Gründerökosystem

In den vergangenen Jahren hat sich in vielen Städten und Regionen Deutschlands eine dynamische Start-up- und Gründerszene etabliert. Der Anteil an Gründungen in den technologieorientierten Branchen nimmt zu, die Umsetzung einer eigenen Geschäftsidee spielt eine immer größere Rolle. Der Bestand an Selbständigen hat sich seit der Jahrtausendwende von 3,6 Millionen auf über 4,4 Millionen erhöht. Dies entspricht einem Zuwachs von 22 Prozent. Vor dem Hintergrund insgesamt rückläufiger Gründungszahlen, bedingt durch die dynamische Konjunktur und einen leergefegten Arbeitsmarkt, werden die genannten positiven Zeichen in der deutschen Gründerlandschaft häufig außen vor gelassen.

Ein wesentlicher Faktor für die Entwicklung von Gründungen und Start-ups ist das richtige Ökosystem: ein Netzwerk aus Kompetenzen, Kontakten und Kapitalgebern, aus ExpertInnen, Eliten und erfolgreichen UnternehmerInnen in Kombination mit den passenden Aus- und Weiterbildungsansätzen. Dem Bereich der Entrepreneurship Education kommt innerhalb des Gründerökosystems somit eine große Bedeutung zu.

Bei einer Betrachtung von Ausbildungsprogrammen im Rahmen von Gründerökosystemen stehen bisher vor allem Universitäten und Fachhochschulen im Blickpunkt, insbesondere Einrichtungen mit einem Fokus auf die Vermittlung von Gründungswissen und unternehmerischen Kompetenzen. Derzeit gibt es über 120 Entrepreneurship-Professuren in Deutschland. Die Zahl hat sich seit 2008 mehr als verdoppelt. Bisher tauchen jedoch nur wenige deutsche Universitäten und Hochschulen in den internationalen Rankings auf den vorderen Plätzen auf. Aus diesem Grund hat die Bundesregierung die Exzellenz-Initiative mit einem Gesamtvolumen von 1,9 Milliarden Euro gestartet.

2011 wurde zum ersten Mal das Prädikat "Gründerhochschule" an die Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, die TU Berlin und die Hochschule München vergeben. In der zweiten Wettbewerbsrunde konnten die Universität des Saarlandes, die Universität Kassel und die Universität Lübeck überzeugen. Die prämierten Hochschulen erhalten vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) Preisgelder in Höhe von 2,7 Millionen Euro. Mitverantwortlich für den intensiven Ausbau der Programme der Universitäten und Hochschulen ist außerdem das vom BMWi initiierte Förderprogramm EXIST. Pro Jahr werden etwa 200 technologieorientierte Spin-offs aus deutschen Universitäten gefördert.

Die Beiträge in der vorliegenden Publikation zeigen jedoch auf anschauliche Art und Weise die Notwendigkeit, das Phänomen Entrepreneurship bereits zu einem früheren Zeitpunkt im Ausbildungsprozess als wichtiges Element zu verankern. Exemplarisch wird an dieser Stelle auf die Erläuterungen im Artikel von KPH-Professor Johannes Lindner verwiesen: "Unternehmerische Haltungen entstehen nicht erst im Berufsleben, sondern entwickeln sich bereits in frühen Phasen der Sozialisation. Der Bildung kommt daher eine prozessverstärkende bzw. auslösende Position zu. Unternehmerisches Denken und Handeln muss in einem längerfristigen Prozess entwickelt werden."

Abbildung 5 zeigt die Elemente und Beziehungen im Gründerökosystem auf. Wesentliche Merkmale sind eine regionale Verankerung und die räumliche Nähe der AkteurInnen, eingebettet in national geprägte, politische Rahmenbedingungen. Der Bereich Entrepreneurship Education findet sich vor allem in den Elementen Ausbildung & Qualifikation, Talentpool sowie Infrastruktur & Unterstützung wieder. Die Start-up Community bildet eine Art Kern im Gründerökosystem und steht für die UnternehmerInnen und deren Netzwerke in die Wirtschaft und Politik sowie zu den relevanten Ausbildungseinrichtungen. Als wesentliches Fundament für eine dynamische Entwicklung gilt ein umfassendes Kapital- und Finanzierungsangebot. Über neue Trends entsteht eine wechselseitige Beziehung zwischen der Start-up-Community mit ihren AkteurInnen und dem Markt. Im Folgenden werden die einzelnen Elemente kurz vorgestellt.

Ausbildung und Qualifikation: Schulen, Fachhochschulen und Universitäten agieren im Gründerökosystem als Talentschmieden. Hinzu kommen Weiterbildungs- und Trainingsmaßnahmen durch Unternehmen und öffentliche Einrichtungen aus dem Bereich der Wirtschaftsförderung. Hierbei geht es um eine umfassende und interdisziplinäre Qualifizierung für potenzielle GründerInnen. Dabei gilt es sowohl Jugendliche, StudentInnen und ArbeitnehmerInnen, aber auch ältere Menschen, gleichermaßen zu berücksichtigen.

Talentpool: Die Qualität und Größe des Talentpools resultiert insbesondere aus den Ausbildungsprogrammen regionaler Schulen, Fachhochschulen und Universitäten sowie den regionalen Unternehmen und Organisationen. Hinzu kommt noch die Attraktions- und Integrationsfähigkeit von Zuwanderern. Hierdurch wird die Diversität in der Gesellschaft erhöht. Außerdem bringen Talente aus anderen Regionen komplementäres Know-how und Erfahrungen mit, eine wichtige Grundlage für ein dynamisches und innovatives Gründungsumfeld. Ausschlaggebend für die Attraktion und Integration von Talenten sind renommierte Universitäten, beliebte Unternehmen als Arbeitgeber und Karriereoption sowie die Lebensqualität und kulturelle Offenheit einer Region.

Technologieentwicklung: Regionale Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen sind eine wichtige Voraussetzung für die Schaffung, Aufnahme und Verbreitung neuer Technologien. Im Idealfall besteht ein Zusammenspiel von privatwirtschaftlichen und öffentlichen F&E-Aktivitäten, die durch Transfer- und Netzwerkbeziehungen in der Region verankert sind. Die Fähigkeit einer Region zur Aufnahme und Verwertung von Technologien wird auch als "Absorptive Kapazität" bezeichnet. Darüber hinaus sind MitarbeiterInnen in regionalen Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen eine wichtige Quelle für den Talentpool.

Finanzierung: Vielfältige Finanzierungsmöglichkeiten sind ein wesentliches Element für ein dynamisches Gründungsgeschehen. Bankdarlehen und Förderkredite sind nach wie vor die häufigste Form der Finanzierung von Unternehmensgründungen. Diese eignen sich jedoch nur bedingt für innovative und technologieorientierte Start-ups, die vor allem auf ein umfassendes Venture Capital-Angebot angewiesen sind. Das regionale Angebot von privaten und öffentlichen Beteiligungskapital variiert jedoch sehr stark, sowohl zwischen als auch innerhalb der Bundesländer. Die etwas neuere Finanzierungsform "Crowdfunding" ist hingegen weniger stark vom Standort und regionalen Einflussfaktoren abhängig.

Politik: Durch Investitionen in Forschung und Entwicklung hat der Staat die Möglichkeit, neue Technologien und die Märkte der Zukunft aktiv mitzugestalten. Die Entwicklung kapitalintensiver und risikoreicher Branchen wie Biotechnologie, Luftund Raumfahrt oder erneuerbare Energien und das Entstehen von neuen Unternehmen in diesen Bereichen kann somit gefördert werden.

Darüber hinaus ist gilt es, von Seiten der Politik rechtliche Rahmenbedingungen zu schaffen, die Gründungsaktivitäten erleichtern. Das betrifft unter anderem den Zeit- und Kostenaufwand für eine Unternehmensgründung oder Gesetze für die Gestaltung von Venture Capital-Fonds und deren Investments.

Auch die Entwicklung unternehmerischer Kompetenzen und einer Gründungskultur kann durch Maß- nahmen der öffentlichen Hand gezielt unterstützt werden. Hierzu gehören neben der verstärkten Etablierung einer Entrepreneurship-orientierten Ausbildung an Schulen und Universitäten die Umsetzung öffentlichkeitswirksamer Kampagnen wie die Gründerwoche Deutschland.

Unterstützung und Infrastruktur: Zentral für ein dynamisches Ökosystem ist ein gut funktionierendes öffentliches Verkehrsnetz. Hierdurch sind persönliche Kontakte einfach und schnell zu organisieren. Eine flächendeckende, gut ausgebaute Internet-Infrastruktur ist eine weitere Voraussetzung für die persönliche und geschäftsbedingte Vernetzung der Akteure, sowohl auf regionaler Ebene als auch auf internationalen Märkten. Passende Büro- und Gewerbeflächen sind ebenfalls ein wesentlicher Bestandteil des Systems. Je nach regionaler Struktur der Start-ups und GründerInnen bietet sich eine Kombination aus Gründerzentren, Inkubatoren und Coworking-Spaces an.

Weiterhin benötigen GründerInnen im Zuge der Entwicklung und Vermarktung ihrer Geschäftsideen häufig Unterstützung von PatentanwältInnen, Steuer- und Unternehmensberatungen sowie zu Technologie- und WissenschaftsexpertInnen. Entsprechende Angebote und Dienstleistungen von öffentlicher und privater Seite stellen somit einen wichtigen Faktor für die dynamische und erfolgreiche Entwicklung des Ökosystems dar.

Start-up Community: Das zentrale Element in einem nachhaltigen Gründerökosystem ist die Start-up-Community. Im Kern geht es um die gegenseitige Unterstützung von UnternehmerInnen untereinander. Etablierte UnternehmerInnen werden Investoren, BeraterInnen oder Vorstandsmitglieder von neuen Unternehmen und stellen JungunternehmerInnen Kapital, Erfahrungen und Kontakte aus ihren persönlichen Geschäftsbeziehungen zur Verfügung.

Netzwerke, Events und etablierte "Locations" für informelle Begegnungen bieten vielfältige Möglichkeiten für die Kontaktaufnahme und Kommunikation. Hieraus entsteht eine Dynamik des "Gebens und Nehmens", eine Art win-win-Situation für die GründerInnen und Akteure im Ökosystem. Ein häufig beobachteter Erfolgsfaktor ist das Engagement regionaler Unternehmen, die als Promotoren Netzwerke entwickeln und als Rollenmodelle in der Öffentlichkeit auftreten. Aber auch die Politik und Wirtschaftsförderer können einen wesentlichen Beitrag zur Entwicklung einer funktionierenden Start-up-Community beisteuern.

Trends: Gründerökosysteme können entweder neue Trends setzen oder sie greifen neue Trends auf, die aus anderen Regionen über die Netzwerke und Akteure herangetragen werden. Die Fähigkeit, neue Trends im Ökosystem zu etablieren und in Geschäftsideen umzuwandeln, ergibt sich durch die Adaptionsfähigkeit von Forschungs- und Entwicklungskapazitäten, Innovatoren als ersten Kunden und die Offenheit der Start-up-Community gegenüber neuen Technologien. Nur ein Ökosystem, das in der Lage ist, sich für Ideen und Trends von außen zu öffnen, kann langfristig erfolgreich sein.

Markt: "Der Kunde ist König": Es sind die Bedürfnisse und Wünsche des Kunden, die über den Erfolg oder Misserfolg eines neuen Produktes oder einer neuen Dienstleistung – und damit über das Weiterbestehen des neuen Unternehmens – entscheiden. Für ein Gründerökosystem ist die regionale Komponente des Marktes von prägender Bedeutung. Wichtige Kenngrößen sind unter anderem das Marktvolumen, die Wettbewerbssituation und gegebene Eintrittsbarrieren. Die Marktstruktur, -größe und -dynamik resultiert aus den regionalen Branchen und Unternehmen (b2b) und aus potenziellen Endkunden (b2c). Hieraus ergeben sich für Gründerökosysteme jeweils einzigartige Chancen der Spezialisierung und Profilierung.

Ein kurzer Blick zurück zeigt: Das Gründerökosystem hat in den letzten Jahren deutlich an Qualität und Dynamik hinzugewonnen. In vielen Regionen etablierten sich Start-up-Netzwerke und Gründerfonds. Business Angels und Venture Capital-Investoren sind keine Unbekannten mehr. Die zunehmende Verbreitung von Entrepreneurship-Professuren, von Inkubatoren und Beschleunigern sowie die gezielte Förderung wissenschaftlicher Spin-offs tragen ebenfalls zu einer positiven Entwicklung bei. Darüber hinaus sollte die Aufmerksamkeit noch stärker auf die Etablierung einer Entrepreneurship-bezogenen Ausbildung in der Schule gelegt werden. Hierdurch können bereits bei Jugendlichen unternehmerische Potenziale geweckt und die Gründungskultur in Deutschland gestärkt werden.