Neue Wohn- und Quartierskonzepte – Beispiele aus dem Wettbewerb zum Deutschen Bauherrenpreis

Dr. Bernd Hunger

Eine anspruchsvolle Gemengelage, der sich zeitgemäßer Wohnungsbau stellen muss: Demografischer Wandel, Energiewende, Klimaschutz – und das alles zu tragbaren Kosten als Voraussetzung für bezahlbare Mieten. Es ist kein Geheimnis, dass ein beträchtlicher Teil der Haushalte in Deutschland auch zukünftig auf kostengünstigen Wohnungsbau angewiesen ist, um gut und sicher wohnen zu können.

Die Kennzeichen des demografischen Wandels sind bekannt: allgemeiner Bevölkerungsrückgang, Zunahme des Anteils Älterer. Die demografische Schere zwischen schrumpfenden und wachsenden Regionen öffnet sich immer weiter, wodurch die regionalen Teilmärkte immer heterogener werden und immer spezifischere Anforderungen an die Wohnungswirtschaft stellen.

Modernisierung, Abriss und Ersatzneubau, aber auch zusätzlicher, das Bestandsvolumen erweiternder Neubau an wachsenden Standorten werden in ganz unterschiedlicher Mischung das lokale Wohnungsbaugeschehen prägen.

Themen wie „Wohnen für ein langes Leben“, „Die Wohnung als Gesundheitsstandort“ oder „Generationsübergreifendes Wohnen“ rücken in den Mittelpunkt und ergänzen die Bemühungen der Bauherren und Planer um zielgruppenspezifische Wohnangebote, die unter anderem im Bereich des altersgerechten Wohnens schon weit fortgeschritten sind.

Selbst in schrumpfenden Märkten, in denen der Rückbau von Wohnungen das kennzeichnende Merkmal ist, wird Neubau in jenen Marktsegmenten erforderlich sein, die der Markt derzeit nicht anbietet - einige Projekte aus dem Wettbewerb zum Deutschen Bauherrenpreis, die hier vorgestellt werden, zeigen dafür übertragbare und zukunftsweisende Lösungen.

Gleichzeitig stellen sich Fragen der sozialen Balance im Wohnen: Wie kann nachbarschaftlicher Zusammenhalt unterstützt werden? Für wen kann und soll welche Qualität zu welchen Kosten erstellt werden?

Hinzu kommt: Der technische Fortschritt schreitet voran und prägt immer stärker auch das Wohnen und den Wohnungsbau. Vernetztes Wohnen, die Wohnung als Kommunikationszentrale und Arbeitsort – das sind nur einige Stichworte, denen sich der Wohnungsneubau zu stellen hat.

Große Herausforderungen, schwierige Fragen

Der Wohnungsbau steht vor einem Qualitätssprung, der in seiner Dimension vergleichbar ist mit dem gravierenden Wandel der Wohnverhältnisse in den 1950er und 1960er Jahren, als die Reformideen des Mietwohnungsbaus der 1920er Jahre massenhaft aufgegriffen wurden: Die Wohnungsnot wurde beseitigt und der technische Standard der Wohnungen sprunghaft gesteigert (Innen-WC, Bad, jedem Haushalt eine Wohnung, wohnungsnahe Dienstleistungen neuen Typs und neuer Qualität entstanden usw.).

Deshalb muss die Diskussion über Qualitäten und Kosten im Wohnungsbau breiter als bisher geführt werden. Dafür ist der Wettbewerb um den Deutschen Bauherrenpreis ein geeignetes Instrument - als eine Form der Best-Practice-Sammlung, die in der Wohnungswirtschaft aufmerksam wahrgenommen wird.

Was kennzeichnet zeitgemäßen Wohnungsbau? Die Ergebnisse der von der AG KOOPERATION – einem Verbund von Deutschem Städtetag, Bund Deutscher Architekten und GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen – ausgelobten Wettbewerbe um den Deutschen Bauherrenpreis in den Kategorien Neubau und Modernisierung geben darauf interessante Antworten.

Vom Einzelbau zum Quartiersbezug

In nahezu allen ausgezeichneten Vorhaben haben sich die Bauherren und ihre Planer von der Betrachtung des Einzelgebäudes gelöst und das Quartier als Ganzes in den Mittelpunkt gestellt. Und zwar als städtebauliches Gebilde, das im Dialog zum Bestand in seiner Umgebung zu gestalten ist.

Berücksichtigung des Wohnumfeldes

Ergänzend zur städtebaulichen Einordnung wurde das Quartier von den Architekten und Bauherren als sozialer Raum aufgefasst, der Nutzungsmöglichkeiten für unterschiedlichste Bewohnergruppen und für die Nachbarschaft als Ganzes bieten soll. Deshalb wurde das Wohnumfeld im diesjährigen Wettbewerb in besonderer Weise begutachtet. Es war eine gute Idee, dass der Bund Deutscher Landschaftsarchitekten bdla erstmals als Partner und Mitauslober des Sonderpreises „Freiraumgestaltung im Wohnungsbau“ dabei war.

Wohnungsneubau als Beitrag zur Innenentwicklung der Städte

Die Beispiele zeigen: Nicht nur die Modernisierung des Bestandes, sondern auch der Wohnungsneubau wird immer stärker zur Stadtreparatur an komplizierten innerstädtischen Standorten. Mehrere der ausgezeichneten Projekte tragen zur Lärmminderung im vorhandenen Bestand bei - eine Anforderung, die angesichts der zunehmenden Sensibilität der Bevölkerung für Lärm immer wichtiger wird. Bauen auf grüner Wiese hat keine Chance auf Würdigung.

Hohe energetische Standards

Die Quersicht durch die Wettbewerbsbeiträge zeigt: Der Wohnungsneubau in Deutschland hat hinsichtlich seiner energetischen Kennziffern ein international beispielhaftes Niveau erreicht. Mit gutem Recht kann man sagen: Bauherren und Planer leisten im Wohnungsbau ihren Beitrag zum Klimaschutz und zur Energiewende auf beispielhafte und vielfältige Weise.

Berücksichtigung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ressourcenschonenden Bauens

Mit seinem Leitbild „Hohe Qualität zu tragbaren Kosten“ steht der Wettbewerb zum Deutschen Bauherrenpreis wie kein anderer vergleichbarer Wettbewerb dafür, dass nachhaltiges Bauen auch kostengünstig sein muss, und zwar betrachtet über den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes bzw. einer ganzen Wohnsiedlung.

Für Bauherren mit nachhaltigen Geschäftsmodellen – und das sind nicht zuletzt die vom GdW vertretenen Unternehmen – ist das Spannungsfeld zwischen Anspruch und Bezahlbarkeit von größter Bedeutung, wenn anstelle einzelner Leuchttürme Breitenwirkung erzielt werden soll.

Wohnungsbau in Partnerschaft

Schon der Ansatz des Wettbewerbs zum Deutschen Bauherrenpreis, nämlich Bauherren, Planer und Kommunalpolitiker zusammenzubringen, steht für eine Erfahrung, die auch der diesjährige Wettbewerb wieder bestätigt hat: Nachhaltiger Wohnungsbau geht nur in verlässlicher Partnerschaft.

Überall dort,

  • wo Wohnungseigentümer und Kommunen bereits in frühen Phasen ihre Konzepte miteinander abstimmen,
  • wo Architekten und Ingenieure von Anfang an und zu fairen Bedingungen ihre Ideen einbringen können,
  • wo die Bürgerinnen und Bürger frühzeitig einbezogen werden,

sind die Chancen groß, dass Vorhaben gelingen, auf die alle Beteiligten stolz sein können.

Beispiele

Wildau, Schwartzkopff-Siedlung: Modernisierung einer denkmalgeschützten Arbeitersiedlung – Deutscher Bauherrenpreis Modernisierung 2011

Die drittgrößte Lokomotivfabrik Deutschlands verlagerte 1897 ihren Standort von Berlin nach Wildau. Mit dem Ziel, Berliner Arbeiter, Ingenieure und Meister nach Wildau zu locken, entstand zwischen 1898 und 1924 die Arbeiterkolonie auf der „grünen Wiese“, in einer für die damalige Zeit hohen Qualität mit allen notwendigen Gemeinbedarfseinrichtungen.

Diese Siedlung lag nach der Wende lange wegen ungeklärter Eigentumsverhältnisse brach. Die kommunale Wohnungsgesellschaft, die neuer Eigentümer wurde, hat die Anlage unter strengen Auflagen der Denkmalbehörden grundlegend modernisiert - für eine heterogene Bewohnerschaft mit einer Mischung aus freifinanzierten und öffentlich geförderten Mietwohnungen.

Die bereits ursprünglich großzügig geschnittenen Grundrisse wurden mit moderner Haustechnik und neuen sanitären Anlagen versehen und in variabel nutzbare Wohnungen verwandelt. Mit Heizkosten von 20 Prozent unter EnEV 2009 wurden für freistehende Altbauten erstaunliche Werte erreicht. Der Denkmalanspruch wurde auch auf die Wiederherrichtung der verwilderten Mietergärten ausgedehnt. Die ursprüngliche Parzellenstruktur wurde bei der Neugestaltung berücksichtigt. Eine „Gestaltungsfibel“ soll die Bewohner ermutigen und anleiten, das ursprünglich einheitliche Bild zu erhalten. Die Jury würdigte das Engagement der kommunalen Wohnungsgesellschaft, die kulturgeschichtlich bedeutende Siedlung nicht nur denkmalpflegerisch, sondern auch energetisch beispielhaft zu sanieren und dabei den ganzheitlichen Zusammenhang von Wohngebäuden und Wohnumfeld zu wahren.

Ingolstadt, „Grüner Wohnen“ - Neue Adresse im Konradviertel - Deutscher Bauherrenpreis Modernisierung 2011

Wegen des einseitigen Wohnungsangebotes und wegen unzureichender Unterhaltsmaßnahmen an der Hochhausscheibe hatte sich die Mieterstruktur des Gebäudes in den letzten Jahren zusehends verschlechtert, verstärkter Vandalismus war zu verzeichnen. Die GWG Ingolstadt hat sich deshalb zu einer umfangreichen Modernisierung entschlossen. Das Bestandsgebäude, neungeschossig, verfügt über großzügig geschnittene 4-Zimmerwohnungen aus den frühen 1960er Jahren. Diese Gegebenheiten sowie die im Kern intakte Gebäudesubstanz waren Anlass, die Anlage ohne einschneidende Veränderung zu modernisieren. Andererseits sollte diese Modernisierung unter laufender Nutzung wesentliche Verbesserungen der Energieeffizienz und eine Qualitätsverbesserung der wohnungsbezogenen Freiflächen bringen.

Die Neuformulierung der Fassade hat die bisherige „Verschlossenheit“ und „Schwere“ des Gebäudes umgewandelt in eine offene, leicht wirkende transparente Struktur. Das Gebäude erreicht den Energieeffizienzstandard 70 (WDVS, kontrollierte Wohnraumlüftung mit Wärmerückgewinnung). Statt des bisherigen Garagenhofs werden die Freiflächen für die Mietergemeinschaft verfügbar.

Diese Modernisierung, unter intensiver Beratung und Betreuung der Mieter - das Gebäude war während der gesamten Modernisierungsphase bewohnt - ist ein gelungenes Beispiel des Umgangs mit einem wenig populären Bautyp der 1960er Jahre.

Köln-Ostheim, Neue Qualitäten in einer Siedlung der 1950er-Jahre – Deutscher Bauherrenpreis Neubau 2012, Sonderpreis Wohnumfeldgestaltung

Das von der GAG Immobilien errichtete neue Ensemble ist Teil einer Siedlung der 1950er Jahre, mit ihren Zeilenbauten und offenen Freiräumen typisch für den Nachkriegsstädtebau in Deutschland. Die Gebäude waren nach 50 Jahren in einem sehr schlechten Zustand. Daher war Gelegenheit, das städtebauliche Konzept zu überdenken mit dem Ziel, dichter und kostengünstig mit Blick auf niedrigere Einkommensgruppen zu bauen und dennoch freiräumliche Qualitäten zu erhalten sowie neue hochbauliche Qualitäten zu gewinnen.

Mit den geknickten Zeilen entstanden Frei-Räume, die beispielhaft gestaltet sind und unterschiedlich genutzt werden können. Die Dichte in der Siedlung konnte deutlich erhöht werden, ohne dass dies unangenehm auffallen würde.

Insgesamt wurden 434 Wohnungen in drei Bauabschnitten gebaut. Obwohl die günstigen Sozialmieten erhalten bleiben konnten, gibt es Tiefgaragen mit direktem Zugang zum Gebäude. Zum Wohnquartier gehören ein Mietercafé, Büronutzungen und eine Kindertagesstätte ebenso wie ein Wohnheim für Menschen mit Behinderung und eine Wohngruppe für Demenzkranke.

Der Entwurf für den Neubau der Siedlung beweist, dass die Vorteile des Zeilenbaus erhalten bleiben, und dennoch überzeugende Stadträume geschaffen werden können. Er beweist, dass die Lebensbedingungen in einem sozial schwierigen Stadtteil verbessert und der Nachkriegsstädtebau mit einfachen Mitteln um neue Qualitäten ergänzt werden kann.

Gera, Kurt-Keicher-Straße/Franz-Petrich-Straße – Vorteilswohnen in der Innenstadt – Wohnpark PetrichStraße – Deutscher Bauherrenpreis Neubau 2012

Die Wohnungsbaugenossenschaft „Aufbau“ hat sich auf einem schwierigen regionalen Wohnungsmarkt zur Wiederbebauung eines komplizierten Grundstücks entschlossen. Nach dem Abbruch nicht weiter nutzbarer Bausubstanz wurden in der Innenstadt 38 Wohnungen gebaut, davon acht behindertengerecht, inklusive Tiefgarage. Und zwar vor allem für Genossenschaftsmitglieder, die auf barrierefreies Wohnen angewiesen sind.

Hinsichtlich des Energiebedarfs wurde der KfW 40-Standard erreicht. Die Heizung und Warmwasseraufbereitung erfolgt über ein Block-Heiz-Kraftwerk inklusive Solarthermie-Unterstützung.

Die um den gemeinsamen Hof gruppierten Wohnungen sind lichtdurchflutet dank großer und zum Teil bodentiefer Fenster. Die großzügigen Balkone (bis zu 18 m² Grundfläche) sind zur Westbzw. Südseite hin orientiert.

Mit seiner zurückhaltenden, dem Umfeld sehr angemessenen Architektursprache ist es gelungen, ein nachgefragtes Wohnensemble zu bauen. Es unterstreicht, wie wichtig der Wohnungsneubau auch in den neuen Bundesländern hinsichtlich jener Marktsegmente ist, die selbst in Städten mit Wohnungsleerständen stark nachgefragt werden.

Fazit

Wohnungsbau braucht politische Unterstützung

Erforderlich ist allerdings die Unterstützung der Politik überall dort, wo im Wohnungsbau ein gesellschaftlicher Mehrwert entsteht, der die Grenzen der Rentierlichkeit aus unternehmerischer Sicht überschreitet.

Die Förderung der energetischen Modernisierung des Wohnungsbestandes aus dem Klimafonds hat deshalb große Relevanz für die Wohnungswirtschaft, ebenso wie das neue Programm „Energetische Stadtsanierung – energieeffiziente Quartiersversorgung“, das den Quartiersbezug stärkt und die auf die Einzelgebäude orientierte Förderung ergänzt.

Entscheidend für die Zukunft der Stadtentwicklung und des Wohnungsbaus in Deutschland wird sein, dass die Städtebauförderung wieder mit einer den anstehenden Aufgaben gemäßen Finanzierung ausgestattet und die Wohnraumförderung in Verantwortung der Länder als wichtige politische Gestaltungsaufgabe fortgeführt wird.

Die Abbildungen entstammen den Dokumentationen:

Deutscher Bauherrenpreis – Modernisierung 2011, Hrsg. Arbeitsgruppe KOOPERATION GdW-BDA-DST, Berlin 2011

Deutscher Bauherrenpreis – Neubau 2012, Hrsg. Arbeitsgruppe KOOPERATION GdW-BDA-DST, Berlin 2012

Bildquellen und Copyright-Hinweise
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