Nachhaltigkeit bleibt ein Top-Thema. Doch viele mittelständische Unternehmen stellen sich – zu Recht – die Frage: Wie sollen wir neben Tagesgeschäft, Fachkräftemangel und Berichtspflichten auch noch einen Nachhaltigkeitsbericht stemmen? Die gute Nachricht: Die EU hat erkannt, dass für kleinere Unternehmen andere Maßstäbe gelten müssen. Der neue VSME Standard soll genau das leisten: ein reduzierter, klar strukturierter Nachhaltigkeitsbericht speziell für kleine und mittlere Unternehmen.

Was ist der VSME?

Der VSME (Voluntary Standard for Sustainability Reporting for non-listed SMEs) ist ein freiwilliger Berichtsstandard für KMU, den die EFRAG (European Financial Reporting Advisory Group) für die EU entwickelt und im Dezember 2024 veröffentlicht hat. Ziel ist es, Unternehmen unterhalb der Schwelle der CSRD-Berichtspflicht einen einfachen Einstieg in die Nachhaltigkeitsberichterstattung zu ermöglichen.

Im Unterschied zu den umfangreichen ESRS (European Sustainability Reporting Standards) für größere, CSRD-berichtspflichtige Unternehmen basiert der VSME auf einem deutlich einfacheren Raster – verständlich, schlank und ohne juristische Fallstricke. Er ist freiwillig, aber kann strategische Vorteile bringen, da er genau die Inhalte abdeckt, die Geschäftspartner wie Finanzinstitute und Kunden üblicherweise anfragen.

Warum gerade jetzt?

Der VSME ist Teil des KMU-Entlastungspakets der EU. Mit diesem reagiert die EU auf die berechtigte Kritik, dass die Aufwände bei der Transformation zu Nachhaltigkeit, Digitalisierung und Resilienz nicht von den Konzernen auf ihre Zulieferer abgewälzt werden sollen.

Zusätzlich laufen in Brüssel gerade auch die Verhandlungen zu den sogenannten Omnibus-Plänen. Hier wird über eine Vereinfachung der Nachhaltigkeitsberichte diskutiert und darüber, ob künftig auch Unternehmen bis 1000 Mitarbeitenden von der Pflicht befreit werden. Dafür wurde die CSRD-Berichtspflicht für die meisten Unternehmen um 2 Jahre verschoben. Der VSME-Bericht könnte mehr Anwendungsfälle und einen vergrößerten Anwenderkreis bekommen und dadurch weiteren Rückenwind erhalten.

Kurz: Es bewegt sich viel – und in Unsicherheit ist es nicht einfach, Entscheidungen zu treffen. Am Ende des Artikels geben wir Handlungsempfehlungen für verschiedene Unternehmensgrößen.

Wie werden KMU durch den VSME entlastet?

Der VSME richtet sich an alle KMU, die (noch) nicht unter die Pflicht der CSRD fallen, aber dennoch ihren Kunden, Investoren, Banken oder Geschäftspartnern gegenüber transparent auftreten und dabei noch Zeit sparen wollen.

Der Markt fragt zunehmend nach Nachhaltigkeitsinformationen – unabhängig von gesetzlichen Pflichten. Große Auftraggeber fordern Nachweise, Banken wollen ESG-Daten sehen, selbst in Ausschreibungen werden Nachhaltigkeitskriterien immer häufiger berücksichtigt.

Mehr als nur ein positiver Nebeneffekt ist, dass ein Nachhaltigkeitsbericht auch für die Kommunikation gegenüber den eigenen Mitarbeitenden sowie Endkundinnen und Endkunden genutzt werden kann. Nicht neu ist die Erkenntnis, dass Nachhaltigkeitsaspekte die Wahl des Arbeitgebers beeinflussen.

Was steht im VSME?

Ein VSME-Bericht besteht aus zwei Modulen: dem Basis-Modul und dem Comprehensive-Modul. Für die meisten Unternehmen ist es empfehlenswert, beide Module zu verwenden. Der vollständige Bericht umfasst 70 ESG-Datenpunkte, mit Schwerpunkten in den Bereichen Umwelt (E) und Soziales (S). Der Aspekt der Unternehmensführung (G) konzentriert sich weitgehend auf die Einhaltung von Menschenrechten. Besonders relevant sind Emissionsdaten und Kennzahlen zur eigenen Belegschaft.

Da der Standard speziell für KMU entwickelt wurde, wurde bei der Ausgestaltung auf eine praxisnahe Umsetzbarkeit und begrenzte Ressourcenverfügbarkeit Rücksicht genommen.

Unternehmen nutzen den VSME-Bericht auch, um ihre Nachhaltigkeitsaktivitäten nach außen zu kommunizieren. Dabei werden sowohl vergangene Maßnahmen und Erfolge als auch konkrete Ziele für die Zukunft dargestellt. Dies ist ein bewährter Weg, um das eigene Engagement glaubwürdig zu vermitteln.

Ist der VSME nicht trotzdem zu viel Aufwand?

Initiativ ist ein Nachhaltigkeitsbericht erst einmal Arbeit. Und nicht jedes Unternehmen hat dafür die Expertise oder die Ressourcen im Haus. Genau deshalb ist der VSME so wichtig. Er bietet einen Rahmen, der auch mit begrenztem Aufwand umsetzbar ist. Und wenn die Wette der EU aufgeht, müssen dann keine Einzelanfragen von großen Unternehmen mehr beantwortet werden.

Viele KMU haben ohnehin bereits Informationen zu Energieverbrauch, Mitarbeitendenkennzahlen oder Lieferantenstandards vorliegen. Der VSME hilft dabei, diese strukturiert darzustellen. Unternehmen, die bereits eine Treibhausgasbilanz aufgestellt hatten, berichteten uns, dass die Datensammlung innerhalb von einer Woche abgeschlossen war.

Empfehlungen für unterschiedliche Unternehmensgrößen

  • Kleinstunternehmen (unter 10 Mitarbeitende): Prüfen, ob Berichterstattung nötig ist. Sollten Anfragen von Geschäftspartnern vorliegen oder es den Wunsch von Mitarbeitenden oder anderen Stakeholdern geben: Einen schlanken Bericht anhand des VSME Basis-Moduls entwickeln.
  • Kleine Unternehmen (10–50 Mitarbeitende): Berichterstattung strategisch anstoßen. Was soll erreicht werden? Welche Stakeholder sollen angesprochen werden? Ausgestaltung des Berichts abhängig vom Ergebnis der Analyse. Der VSME-Standard ist auch hier die richtige Ausgangsbasis für Ihr Unternehmen.
  • Mittlere Unternehmen (50–250 Mitarbeitende): VSME-Nachhaltigkeitsbericht aktiv als Wettbewerbsfaktor nutzen – zur Positionierung, zur Finanzierung, zur Kundenbindung. In Kombination mit einer Nachhaltigkeitsstrategie fortlaufend die eigene Nachhaltigkeitsleistung verbessern und im Bericht kommunizieren.
  • Große Unternehmen (250+ Mitarbeitende, kapitalmarktorientiert oder nicht): Aktuell regulatorische Unsicherheit. Wenn kein CSRD-Bericht erstellt wird, gilt der VSME als “no-regret-move”, da er in jedem Fall benötigte Datenpunkte enthält. Zusätzlich die Durchführung einer Wesentlichkeitsanalyse prüfen und aktuelle rechtliche Entwicklungen beobachten.

Zwischen Bilanz und Zukunft

Die Einführung des VSME ist mehr als ein bürokratisches Detail. Sie ist ein strategisches Signal: Nachhaltigkeit ist nicht mehr nur ein Thema für Konzerne – sie wird Teil der „neuen Normalität“ für alle Unternehmen. Der VSME eröffnet dem Mittelstand die Chance, diesen Wandel mitzugestalten – und sich dabei nicht zu überfordern.

Der VSME ist ein pragmatisches Werkzeug – gemacht für Unternehmen, die mit vertretbarem Aufwand Ihre Stakeholder informieren und zeigen wollen, dass sie Verantwortung übernehmen. Wer das erkennt, verschafft sich einen Vorsprung.

 

Über die Autorin und den Autor: Benedikt Holzner und Eleonora Kurbanov sind Nachhaltigkeitsexperten bei uptodate - einem Anbieter für digitale Nachhaltigkeitslösungen.