Wie und warum gründen Menschen mit Einwanderungsgeschichte? Wie unterscheiden sich die Gründungseinstellungen zwischen Gründenden mit und ohne Einwanderungsgeschichte? Antworten liefert der Global Entrepreneurship Monitor (GEM) Länderbericht Deutschland 2022/23, den das RKW Kompetenzzentrum in Kooperation mit dem Institut für Wirtschafts- und Kulturgeographie der Leibniz Universität Hannover erstellt hat.

In den Jahren 2019 bis 2022 haben sich Menschen mit Einwanderungsgeschichte im Vergleich zu Personen, die in Deutschland geboren sind, nach wie vor häufiger selbstständig gemacht oder waren zum Zeitpunkt der Datenerhebung gerade dabei, dies zu tun. Besonders deutlich war dieser Unterschied im Jahr 2022 – knapp 20 Prozent der befragten Personen mit Einwanderungsgeschichte bejahten die Frage, ob sie in den letzten dreieinhalb Jahren ein Unternehmen gegründet haben oder derzeit dabei sind, ein Unternehmen zu gründen. Die Gründungsquote der migrantischen Bevölkerung ist damit im Vergleich zum Jahr 2021 um 6 Prozentpunkte gestiegen. Dagegen stieg die Gründungsquote der nicht-migrantischen Bevölkerungsgruppe in 2022 im Vergleich zum Vorjahr um nur 1,7 Prozentpunkte auf 8,3 Prozent. Insgesamt ist die Gründungsquote von Personen mit Einwanderungsgeschichte damit im zweiten Jahr hintereinander mehr als doppelt so hoch wie die der Personen ohne Einwanderungsgeschichte. Die GEM-Gründungsquote wird als Anteil der 18- bis 64-Jährigen definiert, die während der letzten 3,5 Jahre ein Unternehmen gegründet haben (Young Entrepreneurs) und/oder gerade dabei sind, ein Unternehmen zu gründen (Nascent Entrepreneurs).

Gründende mit Einwanderungsgeschichte schätzen ihre Gründungschancen deutlich besser ein als Einheimische
Warum aber gründen Menschen mit Einwanderungsgeschichte so deutlich häufiger als hierzulande Geborene? Über die Hälfte der Menschen mit Einwanderungsgeschichte, die gründet bzw. in den letzten dreieinhalb Jahren ein Unternehmen gegründet hat, tut bzw. tat dies, um großen Wohlstand oder sehr hohes Einkommen zu erreichen. An zweiter Stelle nennen Menschen mit Einwanderungsgeschichte das Motiv „die Welt zu verändern“: Sie gründen unter diesem Motiv häufiger als Gründende ohne Einwanderungsgeschichte (52,4 Prozent vs. 40,8 Prozent). Somit bestätigt dieses Ergebnis gerade nicht die allgemein angenommene Erkenntnis aus verschiedenen Studien, dass Menschen mit Einwanderungsgeschichte den Sprung in die Selbstständigkeit wagen, weil sie häufig schlechtere Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben. Darüber hinaus haben die Unternehmen von Gründenden mit Einwanderungsgeschichte häufig eine starke internationale Ausrichtung. Die sprach- und landesspezifischen Kenntnisse sowie der Umfang und die Intensität der Beziehungen in ihr Herkunftsland schaffen häufig eine geeignete Grundlage für eine Gründung. 

Jedoch stimmen Gründende mit Einwanderungsgeschichte paradoxerweise häufiger der Aussage zu, dass sie die Angst vor dem Scheitern von einer Unternehmensgründung abhalten würde (46,5 Prozent), als Gründende, die in Deutschland geboren sind (29,2 Prozent). Auffällig ist auch, dass Gründende ohne Einwanderungsgeschichte häufiger angeben, das Wissen, die Fähigkeit und die Erfahrung für ihre Unternehmensgründung zu haben bzw. eine oder mehrere Gründungspersonen zu kennen, als migrantische Gründende. Trotz dieser geringeren Einschätzung der eigenen Fähigkeiten und einer größeren Angst vor dem Scheitern ordnen Gründende mit Einwanderungsgeschichte ihre Gründungschancen mit 67,3 Prozent deutlich höher ein als Gründende ohne Einwanderungsgeschichte (45,6 Prozent). 

Unterschiedliche Rollenvorbilder
Ein möglicher Grund dafür sind Rollenvorbilder im Haushalt, in dem Gründende aufgewachsen sind und die von großer Relevanz bei der migrantischen Bevölkerung sind: 49 Prozent der Gründenden mit Einwanderungsgeschichte gaben 2022 an, dass mindestens eines ihrer Elternteile selbständig ist oder war. Bei Gründenden ohne Einwanderungsgeschichte waren es nur 31,6 Prozent. Zudem sind migrantische Gründende eher sehr jung: die Gruppe der 18- bis 34-Jährigen ist mit 56,4 Prozent sehr stark vertreten. Bei den einheimischen Gründenden sind 48,1 Prozent der Gründungen dieser jüngsten Altersgruppe zuzuordnen.

Der GEM-Länderbericht Deutschland ist im Rahmen einer Kooperation zwischen dem RKW Kompetenzzentrum (www.rkw-kompetenzzentrum.de) und dem Institut für Wirtschafts- und Kulturgeographie der Leibniz Universität Hannover (www.iwkg.uni-hannover.de) für das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) entstanden. Die Ergebnisse dieses Länderberichts basieren auf Befragungen von weltweit über 164.000 Bürgerinnen und Bürgern (davon 4.110 in Deutschland) in 49 Ländern sowie von 2.147 Gründungsexpertinnen und Gründungsexperten in 51 Ländern (davon 70 in Deutschland) im Jahr 2022.

Der Bericht steht Ihnen kostenfrei zur Verfügung: http://rkw.link/gem2023

Zu den GEM-Infografiken 2022/23: http://rkw.link/infografiken23

Am 27. September veranstaltet der Verein Perspektive neuStart e.V. und Handbook Germany zusammen mit dem RKW Kompetenzzentrum den „Inclusive Entrepreneurship Summit“ in Berlin. 

Die Keynote-Sprecherin ist Dr. Anna Christmann, Beauftragte des BMWK für die Digitale Wirtschaft und Start-ups. 

Jetzt anmelden unter: https://lnkd.in/enhKeKNJ

Bleiben Sie auf dem Laufenden!

Mit unseren RKW Alerts bleiben Sie immer auf dem Laufenden. Wir informieren Sie automatisch und kostenlos, sobald es etwas Neues zum Projekt "Global Entrepreneurship Monitor" auf unserer Website gibt. Alles, was Sie dafür brauchen, ist eine E-Mail-Adresse und 10 Sekunden Zeit.

Bitte geben Sie hier das Wort ein, das im Bild angezeigt wird. Dies dient der Reduktion von Spam.

CAPTCHA-Bild zum Spam-Schutz Wenn Sie das Wort nicht lesen können, bitte hier klicken.