Regelungen zum mobilen Arbeiten im Betrieb
Zunächst einmal gilt: Die Frage, ob in einem Betrieb Homeoffice eingeführt wird, ist eine rein unternehmerische Entscheidung. Komplizierter wird es, wenn es um die Art der Vereinbarung geht. Hier sind im Grundsatz zwei Varianten zu unterscheiden. Zum einen gibt es einzelvertragliche Lösungen, zum anderen Betriebsvereinbarungen, die der Mitbestimmung eines Betriebsrats unterliegen.
In Betrieben ohne Betriebsrat können Vereinbarungen zu mobiler Arbeit einzelvertraglich abgeschlossen werden. Dort kann mobile Arbeit im konkreten Einzelfall vereinbart oder durch einen Zusatz im Einzelvertrag geregelt werden. Möglich ist sogar, dass mobile Arbeit im stillschweigenden Einvernehmen zwischen Vorgesetzten und ihren Mitarbeitenden „zustande kommt“, indem Mitarbeitende das nötige Equipment in Empfang nehmen und die Arbeit von zu Hause aus aufnehmen (IHK Region Stuttgart o.J.). Homeoffice-Lösungen mit wenig Formvorschriften sind in der Praxis für die große Mehrheit vor allem der kleinen und mittelgroßen Unternehmen möglich. Denn nur acht Prozent aller Betriebe und 38 Prozent aller Beschäftigten befinden sich im Geltungsbereich der gesetzlichen Mitbestimmung (Handelsblatt 2022).
Leseempfehlung
Eine gute Zusammenstellung zu den gesetzlichen Anforderungen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes bieten die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung. Beispielhaft seien die Internetseite der Unfallkasse Hessen (www.ukh.de/unternehmen-und-beschaeftigte/corona-situation-in-unternehmen-und-betrieben/gesund-im-homeoffice) oder die Publikation „Arbeiten von zuhause“ der BG ETEM (2022) genannt.
Inwieweit einzelfallbezogene und informelle Lösungen mobiler Arbeit aus betrieblicher Sicht sinnvoll und auf längere Sicht tragfähig sind, ist allerdings fraglich. Einzelvertragliche Regelungen für mobile Arbeit bergen einige Risiken im Hinblick auf Sozialklima und Effizienz (z. B. auf Grund mangelnder Transparenz und des Gefühls von Benachteiligung). Auch organisatorische Probleme können auftreten, wenn die Einzellösungen im Betrieb nicht so gut zusammenpassen und zum Beispiel Erreichbarkeiten nicht verlässlich geregelt sind. Vor diesem Hintergrund sollten auch kleinere Unternehmen ohne „offizielle“ Interessenvertretung nach Wegen und Lösungen suchen, die von allen Akteurinnen und Akteuren gemeinsam getragen werden. Es geht darum, Effizienz und Bedürfnisse der Mitarbeitenden auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen.
Die Regelungsform der Betriebsvereinbarung greift in Unternehmen mit Betriebsrat. Die Betriebsräte können nicht über das „Ob“ der mobilen Arbeit abstimmen. Diese Entscheidung trifft nach aktueller Rechtslage das Unternehmen. Wenn aber mobile Arbeit eingeführt wird, dann sind die damit verbundenen Regelungen mitbestimmungspflichtig; d. h. der Betriebsrat hat das Recht, über das „Wie“ der mobilen Arbeit mitzubestimmen. Im Öffentlichen Dienst wird die Mitbestimmung durch Personalräte ausgeübt; die Vereinbarung zwischen Arbeitgebenden und Arbeitnehmenden heißt dort Dienstvereinbarung.
Im Jahr 2021 ist das Betriebsrätemodernisierungsgesetz in Kraft getreten. Der § 87 Abs. 1 BetrVG wurde um ein Mitbestimmungsrecht bei der Ausgestaltung von mobiler Arbeit erweitert. In der Gesetzesbegründung wird klargestellt, dass mobile Arbeit dann vorliegt, wenn Arbeitnehmende die geschuldete Arbeitsleistung unter Verwendung von Informations- und Kommunikationstechnik außerhalb der Betriebsstätte von einem Ort oder von Orten ihrer Wahl oder von einem mit dem Arbeitgebenden vereinbarten Ort erbringen. Die Themenbereiche der Mitbestimmung umfassen im Rahmen des § 87 Abs. 1 die Arbeitssicherheit und den Arbeitsschutz, Ordnungs- und Verhaltensregeln, Arbeitszeitregelungen oder auch technischen Kontrollvorrichtungen. Darüber hinaus ergeben sich für Arbeitgebende aus dem § 90 BetrVG auch Unterrichtungs- und Beratungspflichten. So sind Betriebsräte über Planungen von Veränderungen der Arbeitsplätze und der Arbeitsabläufe, die in Zusammenhang mit mobiler Arbeit stehen, zu unterrichten (Kössel 2021).
In der öffentlichen Diskussion über mobile Arbeit haben die auf den Mitbestimmungsrechten fußenden Betriebsvereinbarungen ein hohes Gewicht. An vielen virtuellen Orten finden sich Beispiellösungen und Musterbetriebsvereinbarungen. Gründe dafür sind, dass die Mitbestimmung eine geeignete Systematik für eine sozialpartnerschaftliche Gestaltung von Homeoffice und mobiler Arbeit liefert. Auch für Unternehmen ohne Betriebsrat können sie gute Anregungen und Orientierung bieten.
Freiwilligkeit als wichtiges Gut
Bei mobiler Arbeit ist Freiwilligkeit für die Beschäftigten ein wichtiges Prinzip: Homeoffice und mobile Arbeit können nicht einseitig von Arbeitgebenden verordnet werden (eine Ausnahme gab es nur aufgrund der Gesetzeslage während der Corona-Pandemie). Denn auch wenn viele Beschäftigte die Vorteile ortsflexibler Arbeit schätzen, gibt es auch diejenigen, die ausschließlich an ihrem Arbeitsplatz im Unternehmen arbeiten wollen. Dies kann unterschiedliche Gründe haben: Beschäftigte wollen eine klare Trennlinie zwischen Berufs- und Privatleben oder häusliche Bedingungen bilden ein Hindernis für mobile Arbeit von zuhause. So könnte ein Arbeitszimmer fehlen, in dem man ungestört und unter guten ergonomischen Bedingungen arbeiten kann. Auch gibt es Beschäftigte, die die räumliche Nähe zu den Kolleginnen und Kollegen brauchen oder die sich Disziplin und Fähigkeiten zur Selbstorganisation zuhause nicht zutrauen (Backhaus & Beermann 2021).
Unfallschutz auch bei mobiler Arbeit und zuhause
Das Betriebsrätemodernisierungsgesetz brachte auch Klarstellungen beim Versicherungsschutz mit sich. Danach genießen Beschäftigte auch im Homeoffice und bei mobiler Arbeit den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten. Im § 8 des Sozialgesetzbuch VII – Gesetzliche Unfallversicherung – heißt es nunmehr:
„Wird die versicherte Tätigkeit im Haushalt der Versicherten oder an einem anderen Ort ausgeübt, besteht Versicherungsschutz in gleichem Umfang wie bei Ausübung der Tätigkeit auf der Unternehmensstätte“. (Bundesministerium der Justiz 2021)
Versichert sind somit Wege in der Wohnung, die im engen Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit stehen (inkl. Nahrungsaufnahme und Toilettengang). Außerdem sind Beschäftigte ebenfalls auf dem Weg versichert, wenn sie ihre Kinder in eine externe Betreuung bringen, um im Homeoffice zu arbeiten (IHK Region Stuttgart o.J.).
Dieser Leitfaden ist Teil der Arbeitshilfe „Homeoffice und mobile Arbeit bewusst gestalten“. Weitere Dokumente und Tools finden Sie unter rkw.link/mobilearbeit. |
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