Die Kundengruppe „Ältere Menschen“

Über den demografischen Wandel und die Generation 50+ wird in den Medien und in der Fachliteratur viel geschrieben. Anliegen dieses Abschnittes ist es, dem Leser ein knappes aber anschauliches Bild von der älteren Generation zu geben, mit dem er seine neue Zielgruppe besser versteht und sich mit seinem Angebot und seiner Vertriebs- und Servicestrategie sowie im alltäglichen Kundenkontakt besser auf diese Kunden einstellen kann.

Es ist eigentlich gar nicht so schwer, sich auf die Kundengruppe älterer Menschen einzustellen. Die Bevölkerungsstatistik zeigt, dass die Jahrgänge 1955 bis 1965, die sogenannten „Babyboomer“ einen großen Teil der künftigen Alten stellen (Vgl. u. a. Schaible et.al. in: Wirtschaftsmotor Alter, Endbericht für das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Berlin 2007, S. 16). Das ist aber auch ein großer Teil der Menschen, die heute aktiv im Berufsleben stehen und die deshalb bereits heute die Entscheidungen treffen, die ihre Lebenssituation in höherem Lebensalter ausmachen werden. Generation 50+, das ist für viele Menschen nicht irgendwann in der Zukunft sondern mitten im Leben, bereits heute oder zumindest in den nächsten Jahren.

Allerdings ist die Abgrenzung, die mit dem Begriff „Generation 50+“ getroffen wird, nicht unumstritten. Die amtliche Bevölkerungsstatistik gliedert auch jenseits der 50 viel detaillierter. Und selbstverständlich kann mit diesem Begriff keine Zielgruppe definiert werden, denn die hier „in einen Topf geworfenen“ älteren Menschen haben ganz unterschiedliche Lebenssituationen, Bedürfnisse und Verhaltensweisen. Doch eines kann der Begriff „Generation 50+“ sehr wohl leisten. Er zieht einen Schlussstrich unter den Jugendwahn bei Produktentwicklern und in der Werbung. Er verweist deutlich darauf, dass Menschen jenseits der 50 ebenfalls einkaufen, wohnen und bauen und ihre Konsumentscheidungen sich von denen der jüngeren Konsumenten unterscheiden können.

Altersgruppen

Ein genauerer Blick auf die Verteilung der über 50jährigen auf die in der Bevölkerungsstatistik üblichen vier Alterskategorien zeigt, dass die Altersgruppen 50-64 und 65-74 immer die dominierenden Gruppen bilden. Zusammen machen sie über die Jahre hinweg zwischen 60 Prozent und 80 Prozent der Seniorinnen und Senioren aus. (Vgl. u. a. Schaible et.al. in: Wirtschaftsmotor Alter, Endbericht für das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Berlin, Berlin 2007, S. 18)

Haushaltsstruktur (Vgl. Statistisches Bundesamt: Alleinlebende in Deutschland, Ergebnisse des Mikrozensus 2011, Begleitmaterial zur Pressekonferenz am 11. Juli 2012 in Berlin, Wiesbaden 2012)

Noch, und das gilt bis ca. 2015, wächst die deutsche Bevölkerung, langsam (von 1991 bis 2004 um 2,4 Prozent), doch die Zahl der Haushalte nimmt wesentlich stärker (11 Prozent) zu. Ursache ist die Verkleinerung der deutschen Haushalte. Die Zahl der Einpersonenhaushalte stieg von 1996 bis 2011 um 3.211.000, das sind 25,3 Prozent, die der Mehrpersonenhaushalte sank sogar um 3.375.000 (5 Prozent) darunter vor allem Zweipersonenhaushalte. 

Diese Zahlen lassen bereits erste Schlussfolgerungen für die Entwicklung von Wohnungsund Baunachfrage zu. Die klassisch gewordene Familie mit zwei Kindern, die primäre Zielgruppe für den Neubau von Eigenheimen, wird seltener. Haushalte von Paaren ohne Kinder und Rentnerinnen und Rentner in Einfamilienhaushalten sind Haushaltstypen mit wachsendem Anteil. Dieser Trend wird sich auch in der Zukunft fortsetzen. Bis ca. 2020 führt die Verkleinerung der Haushalte weiterhin zu einer Zunahme der Haushaltszahlen und wirkt sich damit positiv auf die Wohnungsnachfrage aus.

Finanzielle Verhältnisse

Viele Kunden aus der Generation 50+ haben eine hohe Kaufkraft. Die sogenannten „Silver Ager“ oder „Best Ager“ gelten als zahlungskräftige Kunden mit einem hohen Anspruch an Qualität und Service. Jedoch sind die Einkommensverhältnisse älterer Menschen heute und in der Zukunft sehr differenziert zu betrachten. 42,1Prozent der Alleinlebenden über 65 gehören 2011 in die zwei niedrigsten Einkommensklassen (bis 700 EUR bzw. von 700 bis 1.100 EUR Nettoeinkommen pro Monat) der Haushaltsstatistik (Vgl. Statistisches Bundesamt: Alleinlebende in Deutschland, Ergebnisse des Mikrozensus 2011, Begleitmaterial zur Pressekonferenz am 11. Juli 2012 in Berlin, Wiesbaden 2012). Das monatliche Durchschnittsnettoeinkommen der Generation 50+ liegt bei 2.500 EUR (Vgl. u. a. Statistisches Bundesamt (2006): Wirtschaftsrechnungen. Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS), Einkommensverteilung in Deutschland 2003).

Haushalte in der Alterskategorie 50-64 Jahre haben im Gesamtvergleich die höchsten Konsumbudgets. Gerade in dieser Altersgruppe sind z. B. die Ausgaben für Reisen besonders hoch. Mit Erreichen des Rentenalters sinken die Konsumausgaben je Haushalt um durchschnittlich 20 Prozent. Nochmals knapp 20 Prozent weniger geben die Haushalte der über 75-Jährigen für den privaten Verbrauch aus (Vgl. u. a. Schaible et.al. in: Wirtschaftsmotor Alter, Endbericht für das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Berlin 2007, S. 37. Grundlage ist die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) des Statistischen Bundesamtes 2003). Darüber hinaus bestehen Einkommensunterschiede zwischen Ost und West. Gerade in der Gruppe der 50-59-Jährigen klafft die Kaufkraftschere zwischen Ost und West am stärksten auseinander. In Westdeutschland liegt das durchschnittlich verfügbare Einkommen in dieser Altersgruppe bei 26.865 EUR pro Einwohner, in Ostdeutschland dagegen nur bei 19.121 EUR.

Kaufkraft nach Altersklassen (Vgl. http://www.gfkgeomarketing. de/ kundenzeitschrift_enews/gfk_geomarketing_magazin/ggn/02 2008/gfk_kaufkraft_nach_altersklassen. html, Download: 05.10.2010. 11)

Lebensstile

Menschen in höherem Lebensalter unterscheiden sich stark in ihren Lebensstilen, Kaufund Entscheidungskriterien sowie Wertvorstellungen. Um diesen heterogenen Markt zu erschließen, ist es unbedingt notwendig, geeignete Segmentierungskriterien zu finden. In der Praxis werden hierzu bevorzugt Lifestyle-Typologien verwendet, die anhand unterschiedlicher Verhaltensmuster, Werte- und Zielorientierung der Konsumenten den Markt segmentieren.

Im Rahmen der Initiative Wirtschaftsfaktor Alter (Vgl. www.wirtschaftsfaktor-alter.de) entwickelte Roland Berger eine Typisierung der Zielgruppe 50+. Die untenstehende Tabelle gibt einen Überblick über die 5 verschiedenen Kundengruppen, deren Einstellungen, Wünsche und Bedürfnisse.

Tabelle: 5x 50+ – Konsumententypen im Überblick (Vgl. Gewalt, Stephan: Zielgruppen 50plus: Fünf Verbrauchertypen erkennen, Faktenblatt 2 | April 2010 in: BMWi – Strategiemappe „Zukunftsmarkt 50plus“ , Download unter: http://www.bmwi.de/BMWi/Navigation/ Mittelstand/Wirtschaftsfaktor-Alter/strategiemappe-zukunftsmarkt-50plus.html)

Wohnvorstellungen

Die Wohnvorstellungen älterer Menschen verändern sich durch das Altern nicht grundsätzlich. Mieterbefragungen ergeben immer wieder: Die große Mehrheit der älteren Menschen will so lange wie möglich – auch im Fall von Hilfe- oder Betreuungsbedürftigkeit – in der eigenen Wohnung bleiben. Altersspezifische Veränderungen des physischen und psychischen Leistungsvermögens sollten möglichst durch Maßnahmen vor Ort ausgeglichen werden. Problemlagen aus Sicht der Mieter sind oft der Zugang zum Balkon und der Einstieg in die Badewanne aber auch die Angst vor Einbrüchen oder Hilflosigkeit (Vgl. z. B. VSWG AlterLeben – Sicher & selbstbestimmt wohnen. Projektbroschüre. http://www.vswgalterleben.de/images/dokumente/intern/imagebroschuere.pdf (Download: 15.12.2011), S. 3).

Dabei wandeln sich die primären Anforderungen der Bewohner mit dem Alter. Für die Altersgruppe 50-65 stehen vor allem Komfortaspekte im Vordergrund, in der Gruppe der 66-75-Jährigen verlagern sich die Prioritäten bereits hin zu Aktivitäten für die Erhaltung der Gesundheit und die Altersgruppe 76+ legt größten Wert auf Gesundheitsund Körperpflege. Die eigene Wohnung wird immer stärker Mittelpunkt aller Aktivitäten (Vgl. Newsletter AlterLeben 3/2011, http://www.vswgalterleben.de/images/ dokumente/newsletter_3_alterleben.pdf (Download: 15.12.2011), S. 2 bzw. Befragung der GGT Deutsche Gesellschaft für Gerontotechnik mbH im Rahmen des Projektes Mikrosystemtechnische Dienstleistungs-Innovationen für Senioren (MIDIS)). Aber auch die Qualität der unmittelbaren Wohnumgebung, des Hauses (Zugang zum Gebäude, das Treppenhaus, Gemeinschaftsräume und Nachbarn), des näheren Wohnumfeldes und die wohnortnahe Infrastruktur gewinnen an Stellenwert. Die emotionale Bindung an die gewohnte und bewohnte Umgebung ist bei älteren Menschen besonders ausgeprägt (Vgl. z. B. KfW-Research: Altersgerechtes Wohnen, WirtschaftsObserver online, Nr. 45, März 2009, S. 8).