RKW: „Interessante Geschäftsideen entwickeln“ ist  das Schwerpunktthema dieser Ausgabe. Herr Stöger, was ist aus Ihrer Sicht dabei entscheidend?

Roman Stöger: Als Erstes muss sich jedes Unternehmen fragen, ob es wirksame Diskussions- und Entscheidungsprozesse für neue Themen gibt. Der Boom der letzten Jahre war einerseits positiv, andererseits wurde so etwas wie ein „hektischer Stillstand“ hervorgerufen. Mitarbeitende und Führungskräfte werden vom Tagesgeschäft absorbiert und haben weder Zeit noch Raum für die Entwicklung wirklich neuer Themen. Der zweite Faktor hat mit Führung und Kultur zu tun. Die deutsche Sprache ist hier entlarvend: „Was fällt Ihnen ein?“ ist im einen Unternehmen eine Aufforderung für Ideen, im anderen der Hinweis, gefälligst den Mund zu halten.

Wie würden Sie eine interessante Geschäftsidee  definieren?

Es gibt sehr viele Definitionen in Praxis und Wissenschaft. Eine, die ich gerne verwende, lautet „Neues wirksam machen“. Der Fokus liegt auf echten Resultaten und Wettbewerbsvorteilen. Ich möchte es zuspitzen: Eine interessante Geschäftsidee verdient nur dann diesen Namen, wenn der Kunde bereit ist, für etwas Neues eine Rechnung zu bezahlen.

Sie betonen Marktbezug und Umsetzung. In der  Literatur und gerade in der Start-up-Szene gewinnt man aber den Eindruck, dass Kreativität oder Inspiration  das Wichtigste ist.

Das halte ich für zu einseitig. Ich bin seit Jahrzehnten im Business tätig und habe noch nie ein Unternehmen gesehen, in dem es einen Mangel an Ideen gibt. Der Engpass liegt in der Umsetzung. Auch hier möchte ich wieder pointiert sein: Wir brauchen keine Ideenweltmeister, sondern Umsetzungsweltmeister. Übrigens waren in der Wirtschaftsgeschichte die eigentlichen Erfinder selten diejenigen, die ein echtes Business aus einer Idee gemacht haben. Der Durchbruch kam fast immer von Leuten, die in Lösungen für Kunden gedacht haben und umsetzungsstark waren.

Können Sie hier Beispiele nennen?

Thomas Alva Edison gilt fälschlicherweise als Erfinder der Glühbirne. Was er entwickelt hat, war die industrielle Produktion von Glühbirnen. Das heißt: Wir verdanken ihm nicht die Glühbirne, sondern die beleuchtete Stadt. Bei seiner Geschäftsidee stand nicht die Technik im Zentrum, sondern der Kundennutzen. Henry Ford hat nicht das Automobil erfunden, sondern die Massenmobilität, weil er eine „Lowtechlösung“ produziert hat: ein Auto, das sich alle leisten können. Und natürlich hat Steve Jobs nicht die die „i-technology“ erfunden, sondern sehr professionell verschiedene Elemente miteinander verbunden und umgesetzt: Design, Technik, Haptik und Image.

Ich habe noch nie ein  Unternehmen gesehen, das zu wenige Ideen hat. (Roman Stöger)

Heute spricht alles über Start-ups als Innovationstreiber und Ideenschmieden. Wie beurteilen Sie dies?

Es herrscht eine für mich unverständlich große Start-up- Romantik. An sich finde ich es gut, wenn junge Menschen unternehmerisch tätig werden und Neues ausprobieren. Aber kaum ein Start-up ist nachhaltig erfolgreich und sehr viele arbeiten am Markt bzw. am Kundenbedürfnis vorbei. Die meisten sind technologie-, internet- oder digitalisierungsverliebt, vergessen aber, dass Umsatz, Profitabilität und Liquidität genauso wichtig sind wie gute Ideen. Unsere Volkswirtschaft hängt nicht von Start-ups ab, sondern von der Innovationskraft unserer etablierten Unternehmen, vor allem der klein- und mittelständischen.

Welche Fragen sind von der Unternehmensführung zu stellen?

Menschen und Organisationen sind typischerweise vergangenheitsorientiert. Dort fühlen wir uns wohl, sicher und aufgehoben. Und wenn die Geschäfte aktuell gut laufen, sieht niemand einen Grund für Veränderung. Echte Führung bedeutet aber, das eigene Geschäft und den Erfolg kritisch zu hinterfragen: Warum waren wir bislang erfolgreich? Wo liegen die Grundlagen des Erfolges von morgen? Erkennen wir rechtzeitig neue Entwicklungen? Sind wir vielleicht sogar den Veränderungen voraus? Treffen wir rechtzeitig die richtigen Entscheidungen? Sind wir schnell in der Umsetzung? Dreh- und Angelpunkt von Geschäftsideen sind immer der Kunde und die Frage, wo und wie wir künftig mit neuen Lösungen echten Nutzen stiften.

Kundennutzen ist DAS Kriterium für Geschäftsideen. (Roman Stöger)

Der Autor:

Prof. Dr. Roman Stöger ist Professor für Strategische Unternehmensführung an der University of Applied Sciences FH Kufstein Tirol. Darüber hinaus ist er in der Aufsicht internationaler, mittelständischer Unternehmen tätig und hat zahlreiche Bücher und Artikel zu den Themen Digitalisierung, Strategie, Innovation, Prozess- und Projektmanagement geschrieben.

Kontakt: Roman.Stoeger(at)fh-kufstein.ac.at, www.fh-kufstein.ac.at

Diesen und weitere Artikel zum Thema finden Sie in unserer Publikation "Chefsachen" (Ausgabe 1/2020).

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