Mehr Kundenorientierung im Innovationsprozess wagen - Teil 1

Der Kunde ist König…

oder sollte es zumindest sein. Denn die Erwartungen der Kunden zu erfüllen oder sie sogar zu begeistern, wird zunehmend zu einem entscheidenden Wettbewerbsvorteil. Das gilt natürlich insbesondere für die Konsumgüterindustrie, die Dienstleistungsbranche oder das Handwerk, welche eng mit Privatkunden zusammenarbeiten. Aber auch im B2B-Bereich wächst die Bedeutung von produktbegleitenden Dienstleistungen und deren Qualität kontinuierlich.

Kundenorientierung von Anfang an

Eine wichtige Rolle spielt dabei sicherlich die Optimierung der internen Prozesse. Denn sie sind die grundlegende Voraussetzung, um die Wünsche und Anforderungen der Kunden schnell und effizient bedienen zu können.
Gehen die Produkte oder Dienstleistungsangebote jedoch an den Kundenwünschen vorbei, können schnelle und effiziente Prozesse diese auch nicht mehr zum Erfolg führen. Was zunächst trivial klingt, hat aber angesichts hoher Flopraten und häufig beobachtbarer Zieländerungen im Innovationsprozess eine große Bedeutung. Gilt neben technischen Schwierigkeiten die unzureichende Orientierung an den Bedürfnissen der Kunden doch als der Hauptgrund für das Scheitern von Entwicklungsprojekten:

Im Investitionsgüterbereich wird von Flopraten zwischen 20 und 40 Prozent, im Konsumgüterbereich sogar zwischen 30 und 90 Prozent berichtet." 

Prof. Dr. rer. pol. Prof. h.c. Dr. h.c. Ralf Reichwald

Die stärkere Kundenorientierung besitzt deshalb eine entscheidende Bedeutung in der Produkt- und Dienstleistungsentwicklung. Diese Erkenntnis ist zugegebener Maßen nicht umwälzend neu. Was aber ist tun? 
Entscheidend ist, die Welt aus den Augen der Kunden bzw. Nutzer sehen zu lernen. Dafür empfiehlt es sich, deren Probleme und Bedürfnisse intensiv zu ergründen, ihre Bewertungskriterien und deren Erfüllung zu klären und sie aktiv in den Innovationsprozess einzubinden. Der Stimme des Kunden sollte bereits früh und über sämtliche Phasen des Innovationsprozesses Gehör geschenkt werden. Die frühe Kundeneinbeziehung lohnt sich insbesondere, wenn eine marktorientierte Innovationsstrategie verfolgt wird. Sie hilft: 

  • frühzeitig die Richtung für die späteren, kostenintensiven Entwicklungsphasen zu bestimmen,
  • um marktgerechte Produkte hervorzubringen und
  • das Risiko von Buy-in-Effekten zu verringern.

Traditionelle Quellen für die Verbesserung der eigenen Angebote sind die von Kunden aktiv geäußerten Beschwerden und Vorschläge oder die zahlreichen Methoden der Marktforschung. Daneben versprechen verschiedene Ansätze wie Open Innovation, die Blue-Ocean-Strategy oder das Design Thinking, die Kundenorientierung im Entwicklungsprozess verbessern zu können.

Klassische Methoden der Marktforschung

Eine bewährte Möglichkeit, die Meinung der Kunden zu erfassen, stellt die quantitative Marktforschung dar. Im Innovationsmanagement ist ihrem Einsatz allerdings enge Grenzen gesetzt. Es überrascht also nicht, dass Verfechter des Design Thinking wie des Open Innovation ihre Bedenken äußern: Die Orientierung an den Wünschen der Kunden führe lediglich zu inkrementellen Innovationen. Oder mit den Worten Henry Fords:   

Wenn ich die Menschen gefragt hätte, was sie wollen, hätten sie gesagt schnellere Pferde!"


Warum ist das so?

     

  • Viele Wünsche sind den Kunden bisher selber nicht bewusst und damit nicht artikulierbar.
  • Die meisten Kunden orientieren sich deshalb an ihnen bereits bekannten Lösungen.
  • Zudem unterliegen Bedürfnisse häufig Trends und Moden.

     

Qualitative Marktforschung versucht deshalb, die versteckten Bedürfnisse der Kunden zum Beispiel durch Fokusgruppen oder auch mit psychologische oder ethnologische Forschungsansätze aufzudecken. Einen stärkeren Blick in die Zukunft versucht beispielsweise die Trendforschung zu richten. Aber dazu mehr in unserem folgenden zweiten Teil.