Die Lead-User-Methode

Die Welt aus den Augen der Kunden sehen zu lernen und diese Perspektive von Anfang bis Ende in den Innovationsprozess konsequent zu integrieren, wird zunehmend erfolgsentschiedend. Denn viele neue Produkte werden vom Markt nicht angenommen. Die Zahlen sind erschreckend: Die Floprate liegt im Investitionsgüterbereich zwischen 20 und 40 Prozent. Im Konsumgüterbereich beträgt sie sogar zwischen 30 und 90 Prozent. Maßgeblich verantwortlich für das Scheitern sind (vgl. Reichwald et al. 2007)

  • technische Probleme gepaart mit Managementfehlern sowie
  • insbesondere eine unzureichende Markt- und Kundenorientierung.

Gleichzeitig steigt der Innovationsdruck ständig. Ein möglicher Ausweg: Eine stärkere Integration der Kunden bereits in den frühen Phasen des Innovationsprozesses.

Nur die wenigsten Kunden sind aber in der Lage, innovative und zukunftsträchtige Ideen zu entwickeln. Deshalb setzt die Lead-User-Methode darauf, nur besonders fortschrittliche Nutzer, sogenannte Lead-User, in den Innovationsprozess einzubeziehen.

Wer sind die Lead-User?

Solche Lead-User beschäftigen sich in besonderer Weise mit einem Produkt oder Anwendungsfeld und schaffen eigene Lösungen für ihre Bedarfe, die vom Markt noch nicht gestillt werden. Sie sind ihrer Zeit voraus und daher in der Lage, bereits heute Bedürfnisse zu identifizieren, die übermorgen auch im Massenmarkt eine wichtige Rolle spielen werden. Ein Lead-User besitzt seine besondere Eigenschaft deshalb in der Regel nur für ein bestimmtes Produkt oder Themenfeld und ist nicht universell einsetzbar.

Lead-User müssen nicht, wie der Name es suggeriert, einzelne Individuen (zum Beispiel Bastler oder die Leiter von Diskussionsgruppen) sein, es kann sich dabei auch um Unternehmen oder andere Institutionen handeln, die besonders früh mit einer bestimmten Problemstellung konfrontiert werden.
Außerdem müssen sich Lead-User nicht zwingend im Zielmarkt bewegen. Sie können auch aus analogen Märkten oder aus gänzlich anderen Anwendungsfeldern stammen, in denen eine ähnliche Technologie Verwendung findet oder vergleichbare Problemstellungen und Bedürfnisse vorherrschen.

Merkmale von Lead-Usern

Nach Lüthje qualifizieren sich Lead-User indem sie

  • neue Bedürfnisse empfinden und
  • mit den bestehenden Angeboten unzufrieden sind.

Darüber hinaus sollten sie aber auch über ausreichend Kenntnisse verfügen, um an neuen Lösungen mitarbeiten zu können. Das heißt umfassendes

  • Verwendungswissen durch die intensive Nutzung aber
  • auch eher technisches Objektwissen besitzen.

Gassmann nennt darüber hinaus zahlreiche Kriterien anhand derer man einen geeigneten Lead-User auswählen kann. Dazu zählen, um nur einige zu nennen:

  1. Technologieführer (Trends beeinflussen)
  2. Marktführer (Marktmacht)
  3. Trendsetter
  4. Meinungsführer
  5. Standardgeber / Code Setter
  6. Renommee/Reputation
  7. Vertrauensbasis/positive Erfahrungen
  8. geographische Nähe
  9. Branchenrepresentativität
  10. Komplementäre Kompetenzen/Interessen
  11. Produktkompetenz

     

Die Lead-User-Methode

Um Lead-User gezielt in den Innovationsprozess integrieren zu können, empfiehlt sich ein bestimmtes Vorgehen, die Lead-User-Methode. Sie beinhaltet vier Schritte:

  1. Ziele und Suchfelder für Innovationen definieren,
  2. Trends durch Experten identifizieren,
  3. Lead-User finden und
  4. Ideen entwickeln  

Schritt 1: Ziele und Suchfelder definieren

Am Anfang steht die Bildungen eines bestenfalls interdisziplinär besetzten Teams. Es sollten Vertreter der Fertigung, des Marketings, des Vertriebs sowie der FuE mit dabei sein. Das beugt der Ablehnung externer Ideen, dem sogenannten „Not Invented here Syndrom“ vor. Die Teammitglieder können zu einem späteren Zeitpunkt auch als wichtige Promotoren die Durchsetzung der erarbeiteten Konzepte unterstützen.

Kernaufgabe dieser Phase besteht allerdings in der Identifikation eines vielversprechenden Suchfeldes und einer Zielformulierung. Ein Suchfeld grenzt den Bereich ein, in dem nach einer neuen Idee gesucht werden soll. Die Zielformulierung legt darüber hinaus die gewünschten Rahmenbedingungen, wie etwa die angestrebte Innovationshöhe fest.

Schritt 2: Trends durch Experten identifizieren

In einem weiteren Schritt wird das definierte Suchfeld weiter eingegrenzt. Das Team steht dabei vor der Aufgabe, sich mit Hilfe intensiver Recherchen und der Konsultation von Experten möglichst genau über das Suchfeld zu informieren. Ziel ist es, wichtige Trends aufzuspüren um daraus geeignete Anhaltspunkte für die Suche nach passenden Lead-Usern zu gewinnen.  

Schritt 3: Lead-User finden

Auf diesen Informationen aufbauend lässt sich ein möglichst genaues Bild in Frage kommender Lead-User, ihrer Charakteristika und mögliche Suchorte ableiten.
Die zentrale Schwierigkeit besteht darin, solche außergewöhnliche Personen zu finden. Während es im Investitionsgüterbereich noch relativ unproblematisch sein kann, die relevanten Lead-User zu benennen, setzt dies in der Regel im Konsumgüterbereich eine intensive Suche voraus.

Schritt 4: Konzepte entwickeln

War die Suche von Erfolg gekrönt, kann die Planung und Durchführung der eigentlichen Ideenfindung beginnen. In der Regel geschieht dies im Rahmen eines oder mehrerer Workshops mit Mitarbeitern und Lead Usern. Hierfür gilt es, im Vorfeld die notwendigen Voraussetzungen zu schaffen. Dazu zählt unter anderem ein wertschätzendes und motivierendes Umfeld vorzubereiten sowie die rechtlichen Rahmenbedingungen im Vorfeld zu klären, etwa durch eine Geheimhaltungsvereinbarung und die Abtretung der Verwertungsrechte. Das Ergebnis sind mehr oder weniger fertige Konzepte, die unternehmensintern aufgegriffen und verfeinert werden müssen. Abschließend ist jedoch zu prüfen, ob die von den Lead-Usern erarbeiteten Konzepte auch für den durchschnittlichen Kunden von Interesse sein werden.

Die Lead-User-Methode stellt Ihnen der Leitfaden „Mit der Lead-User-Methode zum Innovationserfolg“  detailliert  vor.